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Polen
Kritik an neuem Hochschul-Gesetz

"Konstitution für die Wissenschaft" nennt die polnische Regierung ein neues Gesetz, das die Hochschullandschaft in Polen verändern wird. Kritiker befürchten, dass Hochschulen in kleineren Städten zu Gunsten von Eliteuniversitäten geschwächt werden und sehen die Autonomie der Universitäten gefährdet.

Von Florian Kellermann | 04.07.2018
    Protestplakate gegen die geplante Reform an den Hochschulen am Uni-Campus
    Protestplakate gegen die geplante Reform an den Hochschulen am Uni-Campus (Florian Kellermann / deutschlandradio)
    Bis zuletzt war unklar, ob die rechtskonservative Regierungspartei PiS das Gesetz verabschieden würde. Denn auch in ihren Reihen war der Widerstand groß. Vor allem Abgeordnete aus kleineren Städten lehnten sich gegen die Reform auf. Denn sie fürchten, dass die Universitäten dort künftig weniger Geld bekommen werden. Die Reform fördert Universitäten, die mehr Forschung betreiben - also vor allem Hochschulen wie die in Warschau und Krakau.
    Hochschulminister Jaroslaw Gowin wischte diese Bedenken beiseite:
    "Dieses Gesetz gibt allen Hochschulen die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Es passt zu unserem Konzept einer ausgewogenen Entwicklung. Natürlich: Wenn Sie meinen, dass Stagnation etwas Gutes ist, dass die polnischen Hochschulen schon auf hohem Niveau sind, dann sind wir da sicher anderer Ansicht."
    Gowin sprach immer wieder von internationalen Rankings, in denen sich die polnischen Universitäten verbessern müssten.
    Oligarchisierung der Hochschulen
    Der Hauptvorwurf an das Gesetz ist also, dass es Eliteuniversitäten nach angelsächsischem Vorbild schaffen soll. Dem solle auch die Struktur der Hochschulen künftig untergeordnet werden, meint Maciej Gdula, Soziologieprofessor an der Universität Warschau:
    "Die Universität wird immer mehr einer Firma ähneln. Der Rektor bekommt enorme Macht, wie ein Generaldirektor. Ihm unterstehen einige wenige Dekane. Man könnte auch von einer Oligarchisierung der Hochschulen sprechen. Kleinere, kollegiale Organisationseinheiten werden dagegen eine wesentlich kleinere Rolle spielen."
    Indirekt abhängig von der Politik
    Der andere große Vorwurf: Die Reform schränke die Autonomie der Hochschulen ein, mache sie indirekt abhängig von der Politik. Denn künftig bekommt jede Universität einen Beirat, der erheblichen Einfluss hat. Er ist unter anderem an der Wahl des Rektors beteiligt.
    Maciej Gdula:
    "Das Problem ist die Zusammensetzung des Rats. Die Mehrheit der Mitglieder soll von außen kommen - und das heißt, dass die Universität nicht mehr selbst über ihre Geschicke bestimmt."
    Diesen Punkt hat die Regierungspartei PiS allerdings noch kurz vor der Abstimmung heute Nacht geändert. Nun ist es möglich, dass zumindest die Hälfte der Mitglieder des Beirats Universitätsangehörige sind.
    Trotzdem sei die Versuchung für die Universitäten groß, Personen mit Verbindung zur Regierung in diesen Rat zu wählen, sagen Kritiker. In der Hoffnung, dadurch mehr Geld aus dem Hochschuletat zu bekommen. Eine direkte politische Einflussnahme auf die Universitäten ermöglicht das Gesetz jedoch nicht, das räumen auch seine Kritiker ein.
    Für Hochschulminister Gowin haben die Beiräte ohnehin eine ganz andere Funktion: Sie sollen die Universitäten für neue Entwicklungen öffnen:
    "Solche Beiräte gibt es in vielen EU-Ländern. Und die EU-Kommission empfiehlt, solche Beiräte einzurichten. Sie öffnen die Hochschulen für die Zusammenarbeit mit anderen Teilen der Gesellschaft."
    Proteste im ganzen Land
    Gegen das Gesetz gab es im ganzen Land Proteste von Studierenden. Zeitweise hatten sie sogar das Gebäude des Rektors der Universität Warschau besetzt.
    Allerdings kamen nie mehr als wenige Hundert zu den Protesten, gibt auch Ida Slezak, eine der Organisatorinnen, zu:
    "Das kommt daher, dass es seit vielen Jahren keine Studentenproteste mehr gegeben hat. Zudem ist Prüfungszeit - und die ist in Polen sehr anstrengend. Mir scheint auch, viele verstehen nicht, worum es in dem Gesetz eigentlich geht und welche Konsequenzen es hat."
    Die meisten offiziellen Studierendenvertretungen schlossen sich dem Protest nicht an. Das Gesetz habe gute und schlechte Seiten, hieß es dort.