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Polen
Obstbauern leiden unter Russland-Sanktionen

Vor zwei Jahren verhängte Russland ein Lebensmittel-Embargo als Reaktion auf die Sanktionen der Europäischen Union. Vor dieser Zeit ging jeder dritte Apfel von polnischen Obstbauern nach Russland. Eine Lockerung der Sanktionen steht für keine der wichtigen polnischen Parteien zur Debatte. Besonders die kleinen Betriebe leiden unter dem Embargo.

Von Florian Kellermann | 01.06.2016
    Erntehelfer bei der Apfelernte der Familie Wlizly im Dorf Stryjno im Osten Polens. (Oktober 2013)
    Der polnische Staat kauft Äpfel auf, um den Obstbauern zu helfen und senkt dadurch jedoch die Nachfrage am freien Markt. (picture alliance / dpa / Wojciech Pacewicz)
    Ein kleiner Obst- und Gemüsemarkt in der Warschauer Südstadt, hier gibt es auch jetzt noch alle möglichen Sorten von Äpfeln zu kaufen: von Boskop über Gala bis Jonagold. Das ist ungewöhnlich für die Jahreszeit, ebenso der Preis: 45 Cent pro Kilo. Noch vor drei Jahren habe sie Anfang Juni das Doppelte verlangen können, sagt Katarzyna Wisniewska:
    "Die Äpfel bis jetzt aufzubewahren, über den ganzen Winter, bedeutet viel Aufwand. Sie werden nicht nur gekühlt, sondern lagern in speziellen Kammern mit wenig Sauerstoff. Der Apfel schläft dort, und das kostet viel Strom."
    Der Familienbetrieb von Katarzyna Wisniewska hat zwölf Hektar, sie transportiert die Ware etwa 60 Kilometer bis auf den Markt in Warschau. Dabei lohne sich das inzwischen kaum noch, sagt sie:
    "Meine Eltern haben den Betrieb aufgebaut, auch die Eltern meines Mannes, deshalb machen wir das noch. Aber ewig können wir nicht nach dem Motto 'außer Spesen nichts gewesen' arbeiten. Das geht ein Jahr, zwei Jahre, aber dann wird es eng."
    Polen liegt beim Apfelanbau weltweit auf Platz drei
    Und genau zwei Jahre ist es jetzt her, dass Russland auf die Sanktionen der Europäischen Union mit einem Lebensmittel-Embargo reagiert hat. Sicher seien die Sanktionen politisch notwendig, sagt Katarzyna Wisniewska. So äußern sich die meisten polnischen Obstbauern, denn das gilt in Polen als Staatsräson. Nur hinter vorgehaltener Hand geben manche zu, dass sie inzwischen für eine Lockerung eintreten, um Putin zu besänftigen.
    Vor dem Lebensmittel-Embargo ging jeder dritte polnische Apfel nach Russland. Für Polen eine wichtige Einnahmequelle: Das Land liegt beim Apfelanbau weltweit auf Platz drei, noch vor Italien. Kleine Betriebe wie der von Katarzyna Wisniewska können gar nicht mehr nach Russland exportieren. Größere Plantagen dagegen fänden immer noch einige Schlupflöcher, sagt Marcin Hermanowicz, dessen Betrieb im europaweit größten Apfelanbaugebiet bei Grojec liegt:
    "Über die ganzen Länder, für die das Embargo nicht gilt, kommen noch polnische Äpfel nach Russland. Das sind Serbien, Kasachstan, Weißrussland und die Moldau-Republik. Im vergangenen Jahr ging das noch sehr gut, jetzt immer schlechter. Denn die russischen Behörden erwischen immer wieder solche Transporte. Den Speditionen droht dann, dass ihre Lastwägen konfisziert werden, deshalb fürchten sie zunehmend das Risiko."
    Erst Anfang Mai vernichteten die russischen Behörden wieder 20 Tonnen Äpfel aus Polen. Und die polnische Regierung? Vor zwei Jahren ließen sich Politiker noch dabei fotografieren, wie sie zubeißen: "Iss einen Apfel, und mach Putin sauer", hieß die Kampagne. Die heimische Nachfrage stieg, aber nur kurzfristig.
    Obstbauern hoffen auf Öffnung neuer Märkte
    Der Staat kauft Äpfel auf, um den Produzenten zu helfen. Aber er verteilt das Obst an Schulen und in anderen öffentlichen Einrichtungen - und senke dadurch die Nachfrage am freien Markt, sagt Marcin Hermanowicz:
    "Wir erwarten von den Politikern gar keine finanzielle Unterstützung. Das Beste wäre, wenn sie für die Öffnung neuer Märkte für uns sorgen. Nach Kanada und Indien können wir inzwischen exportieren, aber Länder wie China und die USA bleiben uns weiterhin verschlossen."
    Immerhin bemühe sich die Regierung, sagt der Obstbauer, sie nehme immer wieder Branchenvertreter mit auf Reisen ins Ausland. In Sachen Russland-Sanktionen dagegen kann die polnische Wirtschaft nicht mit Unterstützung rechnen. Eine Lockerung steht für keine der wichtigen polnischen Parteien zur Debatte. Gedankenspiele, wie sie immer wieder in der deutschen SPD auftauchen, stießen in Polen auf breite Ablehnung, sagt Krzysztof Miszczak von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit:
    "Russland erfüllt das Minsker Friedens-Abkommen nicht. Erst, wenn Russland sich aus der Ostukraine zurückzieht und auch die Besetzung der Krim beendet, können wir über die Aufhebung der Sanktionen reden. Wenn wir das schon vorher tun, wie der deutsche Außenminister Steinmeier zu verstehen gibt, dann geben wir Russland einen Freibrief dafür, seine aktuelle Politik fortzusetzen."
    Vor allem sollten deutsche Politiker ihre Positionen mit den Partnern abstimmen, die direkt von der russischen Politik betroffen sind, so Miszczak, also gerade mit Polen.