Wahl in Polen
Wer wird neuer Staatspräsident?

Am 18. Mai wählt Polen einen neuen Präsidenten. Umfragen zufolge ist das Rennen zwischen dem liberalen und den konservativen bis rechten Kandidaten offen. Erreicht keiner die absolute Mehrheit, kommt es am 1. Juni zu einer Stichwahl.

    Anhänger des Präsidentschaftskandidaten und Warschauer Bürgermeisters Rafał Trzaskowski bei einer Wahlkampf-Kundgebung in Krakau.
    Der Präsident spielt eine wichtige Rolle im politischen System Polens: Anhänger des Präsidentschaftskandidaten und Warschauer Bürgermeisters Rafał Trzaskowski bei einer Wahlkampf-Kundgebung in Krakau. (picture alliance / Anadolu / Jakub Porzycki)
    Der neue Mann (weibliche Kandidaten haben laut Umfragen kaum Chancen) im polnischen Präsidentenpalast dürfte mit darüber entscheiden, ob der pro-europäische Kurs von Premierminister Donald Tusk noch eine Chance hat. Je nach Wahlausgang könnte die nationalkonservativ-rechtspopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) mit dem Veto des Staatsoberhaupts das Land weiter blockieren.
    Auch wenn ein EU-Austritt Polens nicht zur Debatte steht: Von der Präsidentschaftswahl hängt auch ab, wie sich Polen innerhalb der EU positioniert. Beobachter rechnen mit einem knappen Rennen, das sich wohl erst in der Stichwahl am 1. Juni entscheiden wird.

    Inhalt

    Wer sind die wichtigsten Kandidaten?

    Insgesamt 13 Kandidatinnen und Kandidaten kämpfen um den Wahlsieg. Zwei Bewerbern werden laut Umfragen die besten Chancen eingeräumt: dem Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski (aus der Bürgerplattform, der Partei von Premierminister Tusk) und dem konservativen Historiker Karol Nawrocki (unterstützt von der PiS-Partei). Sie gelten als Favoriten – und könnten in einer Stichwahl am 1. Juni gegeneinander antreten.
    Rafal Trzaskowski steht für das liberale Polen, für die Rechte von sexuellen Minderheiten, für eine Liberalisierung des sehr strengen polnischen Abtreibungsrechts. Er ist im Wahlkampf beim Thema Migration nach rechts geschwenkt und setzt nun eher auf Abschottung. Doch er gilt als derjenige Bewerber, der dafür sorgen könnte, dass der Reformkurs von Tusk fortgesetzt und umgesetzt werden kann.
    Der Ex-EU-Abgeordnete liegt laut Umfragen vor seinen beiden nationalkonservativen Hauptkonkurrenten. Die Anhänger des 53-Jährigen loben seine pro-europäische Haltung und seine Rolle bei der Modernisierung Warschaus, in das während seiner Amtszeit erhebliche Investitionen in Infrastruktur und Kultur geflossen sind. Kritiker werfen ihm Ineffizienz und Verschwendung in der Warschauer Verwaltung vor. Für Trzaskowski ist es die zweite Präsidentschaftskandidatur, nachdem Duda ihn vor fünf Jahren knapp besiegt hatte.
    Karol Nawrocki hingegen ist – obwohl kein Parteimitglied - der Kandidat der PiS, die bis 2023 acht Jahre lang auch den Regierungschef gestellt hatte. Die Partei stellt sich gegen den Reformkurs von Tusk. Mit der Macht des Präsidentenamtes könnte die PiS die Regierung mindestens bremsen, wenn nicht sogar blockieren.
    Präsidentschaftskandidat Nawrocki bei einem Besuch im Weißen Haus bei US-Präsident Donald Trump.
    Präsidentschaftskandidat Karol Nawrocki wird von der PiS-Partei unterstützt. (picture alliance / ZUMAPRESS.com / White House)
    Der 42-Jährige Nawrocki leitet derzeit das Institut des Nationalen Gedenkens, wo er Russland mit seinen Bemühungen gegen sich aufbrachte, Gedenkstätten aus der Sowjetzeit aus der Öffentlichkeit zu entfernen. In seiner akademischen Arbeit beschäftigte er sich mit dem antikommunistischen Widerstand und der organisierten Kriminalität in Polen in der Zeit des Kommunismus. Nawrocki gilt als Bewunderer von US-Präsident Trump.
    Der erst 38 Jahre alte Sławomir Mentzen ist der Kandidat des rechtsextremen Parteienbündnisses Konfederacja und nutzt die sozialen Medien, um junge Wählerinnen und Wähler anzusprechen. Seine Videos und populistischen Botschaften finden Anklang insbesondere bei jungen Männern. Mentzen reist aber auch durch das Land, um ältere Bevölkerungsgruppen zu erreichen.
    In Umfragen erreichen die beiden Bewerber aus dem konservativen bis rechten Lager zusammengerechnet etwa so viel Zustimmung wie der führende liberale Kandidat. Viel dürfte in einem entscheidenden zweiten Wahlgang davon abhängen, wie die politischen Lager ihre Anhänger mobilisieren.

    Welche Macht hat der Präsident in Polen?

    Ein Großteil der politischen Macht in Polen liegt beim Ministerpräsidenten und dem Parlament, dennoch hat der Präsident weit mehr als nur zeremonielle Befugnisse. Das Staatsoberhaupt ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und spielt eine wichtige Rolle in der Außenpolitik.
    Besonders wichtig: Der Präsident kann ein Veto gegen Gesetze einlegen. Der bisherige PiS-nahe Präsident Andrzej Duda, der nach zwei fünfjährigen Amtszeiten nicht erneut antreten darf, blockiert bisher zentrale Vorhaben von Tusks Koalitionsregierung. Unter anderem geht es um die geplante Rückabwicklung jenes vielkritisierten Staatsumbaus, den die PiS-Partei von Jarosław Kaczyński in ihrer Regierungszeit umgesetzt hatte. Ein Dauerstreitthema ist die Justiz in Polen. Deshalb blickt auch die EU ganz genau auf die Wahl.

    Wie ist die politische Stimmungslage in Polen?

    Seit dem Regierungswechsel in Polen Ende 2023 blockiert der amtierende Präsident Duda fast alle Gesetzvorhaben der von Tusk geführten Koalitionsregierung. Ob bei der Justizreform, dem vereinfachten Zugang zu Verhütungsmitteln oder dem Haushaltsgesetz – immer wieder verweigerte der konservative Präsident seine Unterschrift. Es herrscht also ein politischer Stillstand.
    Hinzu kommen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Mitte-Links-Regierungskoalition, die von Tusks Bürgerplattform angeführt wird. Koalitionsinternen Streit gibt es etwa um die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Bei einer Umfrage im Januar 2025 unterstützten nur noch 31 Prozent der Befragten das Kabinett Tusk. 43 Prozent waren gegen die amtierende Regierung.

    Welche Themen bestimmen den Wahlkampf?

    Das Thema Sicherheit belegt seit Wochen den ersten Platz, wenn es in Umfragen um die wichtigsten Probleme des Landes geht. Danach kommen die Wirtschaft, das Gesundheitssystem und die steigenden Preise.
    Während der Amtszeit der PiS-Regierung hat sich die gesellschaftliche Spaltung in Polen vertieft: die Kluft zwischen nationalkonservativ und liberal, zwischen dem östlichen Polen und dem Westen des Landes, zwischen Großstädten und ländlichen Gebieten.

    Warum ist die Wahl so wichtig?

    Ein Sieg des PiS-Kandidaten wäre ein großes Hindernis für die Regierung von Tusk. Die nächste Parlamentswahl in Polen findet 2027 statt. Sollte Nawrocki aus dem Präsidentenamt heraus die Regierungspolitik blockieren können, stünden die Chancen der PiS auf einen Wahlsieg in zwei Jahren besser.
    Noch ein anderes Szenario sorgt in Polen und in der EU für Befürchtungen: Die PiS hatte in ihrer Regierungszeit vor allem die Gerichte nach ihren Vorstellungen organisiert und besetzt. Das war Gegenstand von Streit zwischen Polen und der EU. Und das Gericht, das am Ende darüber entscheiden wird, ob die Wahl gültig ist oder nicht, ist besetzt mit sogenannten Neo-Richtern. Das sind von der PiS eingesetzte Richter, die von der jetzigen Tusk-Regierung nicht anerkannt werden.
    Die Sorge ist jetzt, dass das Gericht einen knappen Wahlsieg von Trzaskowski für ungültig erklären und möglicherweise eine Wahlwiederholung anordnen könnte. Dies gilt als schlimmstmögliches Szenario, weil dann die Demokratie in Polen als Ganzes in Frage steht. Dieses Szenario gilt nicht als besonders wahrscheinlich, wird aber zugleich in den öffentlichen Debatten in Polen nicht ausgeschlossen.

    tei, mit AP und AFP