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Polen
Tusk könnte wegen Abhöraffäre stürzen

Die Affäre um illegale Absprachen zwischen dem polnischen Innenminister und dem Nationalbankchef bringt Premierminister Donald Tusk zunehmend in Bedrängnis. Mittlerweile schließt er vorgezogene Neuwahlen nicht mehr aus. Die Opposition könnte von der Affäre profitieren.

Von Henryk Jarczyk | 20.06.2014
    Der frühere polnische Ministerpräsident Donald Tusk, Polen
    Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk steht in der Kritik. (picture alliance / EPA / Olivier Hoslet)
    Tumultartige Szenen in den Redaktionsräumen des polnischen Nachrichtenmagazins "Wprost". "Haut ab", rufen die Journalisten an die Adresse der Staatsanwälte und Mitarbeiter des Inlandsgemeindienstes, die im großen Stil gerade dabei sind, die Büros zu durchsuchen und Recherchematerial zu beschlagnahmen.
    Der Anlass für diese Aktion: die Veröffentlichung von Tonbandaufzeichnungen, aus denen hervorgehen soll, dass der Innenminister und der Nationalbankchef im vergangenen Sommer einen höchst problematischen Deal vereinbart hätten. Konkret - so wird aus den heimlich gemachten Aufnahmen deutlich - ging es dabei um die Frage, wie die Nationalbank aktiv dazu beitragen könnte, die Chancen der Regierung auf eine Wiederwahl 2015 zu erhöhen.
    Angesichts der schwindenden Popularitätswerte der regierenden Bürgerplattform ein nicht unerheblicher Aspekt der Unterredung. Ein nach Ansicht der Opposition eklatanter Verstoß gegen die Neutralitätsverpflichtung der Nationalbank. Unsinn, wettert der polnische Premier Donald Tusk. Bei dem Gespräch sei es nicht etwa um einen gesetzeswidrigen Versuch gegangen, der Regierung mit unlauteren Mitteln finanziell unter die Arme zu greifen, sondern vielmehr darum, zu erörtern, wie negative Effekte der globalen Finanzkrise in Polen eingedämmt werden könnten.
    "Der Innenminister und der Zentralbankchef haben nicht über politische Deals gesprochen, die Polen schaden sollten, sondern darüber wie man dem polnischen Staat helfen könnte."
    Die Opposition sieht es zwar ganz anders. Premier Tusk versucht indes weiterhin, die Abhöraffäre krampfhaft herunter zu spielen. Nach dem Motto: es ist doch gar nichts passiert. Und wenn überhaupt, dann sei nicht etwa das von der Opposition kritisierte Treffen zwischen dem Innenminister und dem Chef der Nationalbank ein Problem, sondern höchstens die darin zum Ausdruck gekommene vulgäre Sprache.
    "Selbstverständlich ist der Stil der Gespräche empörend. Aber unsere Aufgabe ist es nicht, die Ästhetik oder Kultur der Sprache zu beurteilen, sondern vielmehr den rechtlichen Aspekt der Unterredung. Und ich habe nichts gefunden, was mich dazu zwingen würde, um irgendwelche Maßnahmen gegen Innenminister Sienkiewicz ergreifen zu müssen. Damit meine ich, seine Entlassung zu veranlassen."
    Es wird eng für Tusk
    Genau das fordert aber die Opposition. Ja mehr noch. Ihren Hut nehmen müssten - so heißt es - nicht nur der Innenminister und der Nationalbankchef, sondern die gesamte Regierung mit Premier Donald Tusk an der Spitze. Komme nicht in Frage, kontert der Premier und spricht seinerseits vom gezielten Versuch - von dem auch immer - mithilfe der illegalen Tonbandaufzeichnungen die Regierung stürzen zu wollen:
    "Ich habe nichts gegen Recherche einzuwenden. Und verstehe Journalisten, die alles veröffentlichen, selbst wenn die Informationen illegal beschafft wurden. Gleichwohl bleibt es eine Tatsache, dass man mit groß angelegten Abhörmaßnahmen den polnischen Staat destabilisieren möchte. Ich würde dieses Problem keineswegs auf die leichte Schulter nehmen."
    Wer hinter alle dem stecke, das müsste nunmehr die Staatsanwaltschaft herausfinden. Dagegen hat die Opposition kaum etwas einzuwenden. Bezweifelt aber, dass die nunmehr ergriffenen juristischen Schritte genau diesem Ziel dienen sollen. Besonders empört zeigt sich Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski deshalb über das Vorgehen des Generalstaatsanwalts gegen das Nachrichtenmagazin "Wprost":
    "Wir müssen die Pressefreiheit in Polen verteidigen. Wir müssen die Demokratie in Polen beschützen."
    Nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung würde der Generalstaatsanwalt nicht nur gegen das Nachrichtenmagazin "Wprost" ermitteln, sondern darüber hinaus - angeblich im Auftrag des Premiers, wie die Opposition behauptet - versuchen alle Recherchedokumente sicherzustellen, die den Premier und seine Mannschaft belasten könnten. Donald Tusk widerspricht:
    "Die Staatsanwaltschaft handelt völlig souverän. Und ungeachtet dessen, welche negativen Folgen die gesamte Angelegenheit auch für mich hat, kann die Exekutive auf das Vorgehen der Justizorgane keinen Einfluss nehmen. Die Frage, ob ich mich verantwortlich fühle, beantworte ich stets mit dem Satz: Als Regierungschef fühle ich mich für alles, was in Polen passiert verantwortlich."
    Eine Bemerkung, die nicht von ungefähr kommt. Denn langsam wird es für Donald Tusk ziemlich eng. Einen Rücktritt lehnt er zwar weiterhin ab. Vorgezogene Parlamentswahlen schließt der polnische Premier indes nicht mehr aus.