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Polen und Deutschland - ein schwieriges Verhältnis

Deutschland und Polen- das sind immer noch zwei schwierige Nachbarn. Spannungen und Konflikte haben das Verhältnis beider Völker über Jahrhunderte belastet. Der Überfall der Deutschen auf Polen und die Vertreibung nach dem Krieg sind nur die letzten traurigen Höhepunkte in der Geschichte. Die Annäherung ist mühsam, Ressentiments bestimmen nach wie vor das gegenseitige Verhältnis - allen symbolhaften offiziellen Gesten zum Trotz. Auch für polnische Studierende ist es schwer, mit den Vorurteilen aufzuräumen.

    Wenn ich als Polin in München oder in Freiburg bin, dann erfahre ich: Wie toll, Sie sind aus Polen! Schön, sagen Sie was: Krakau, Walensa, lalalala. Aber wenn ich dann in Frankfurt an der Oder bin, dann höre ich : Ohhh! Und man hört mein Polnisch nicht so gern. Und die Leute haben viele Stereotypen im Kopf. Das heißt: Polen klauen, die machen dunkle Geschäfte...

    Nach Frankfurt an der Oder geht es oft für Anna Artwinska. Sie ist die Vorsitzende der polnischen Sektion von GFPS, der Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa. Völkerverständigung ist ein wichtiger Punkt im Program1m der studentischen Organisation. Und über Hunderte von Kilometern scheint sie auch ganz gut zu funktionieren. Aber dort, wo die deutsch-polnische Nachbarschaft unmittelbar ist, an der Oder nämlich, da begegnen sich Deutsche und Polen mit Argwohn und bösen Witzen, die zudem noch von Komikern wie Ingo Appelt verbreitet werden:

    Kommt man eigentlich in den Himmel? Da habe ich natürlich den Papst gefragt. Und der hat gesagt: Ich weiß ja nicht, ob ich selbst in den Himmel komme - als Pole. Er wäre ja der erste Pole im Himmel. Es kann ja noch kein anderer oben sein. Der große und der kleine Wagen sind ja noch da.

    Der Warschauer Germanist Dr. Krysztof Tkaczyk findet das gar nicht witzig:

    Wenn Du gefragt hast, ob uns diese Klischees, diese Stereotypen sauer machen, dann kann ich nur sagen: Selbstverständlich, aber ich habe gelernt, damit zu leben.

    Ansonsten ist das Deutschlandbild von Tkaczyk intakt. Denn der Mittdreißiger bevorzugt die Metabene. Und von der aus sieht er auch im eigenen Land nicht nur gutes:

    Wenn ich auch hier in Polen lebe und ständig von irgendwelchen Leuten höre: Die Deutschen kommen und kaufen unser Land auf. Oder die Juden kommen, und die wollen wieder das, was sie damals gehabt haben. Das sind die Dinge, die mich sauer machen

    Die deutschsprachige Minderheit in Polen hat es auch aus historischen Gründen nicht leicht, erzählt die 20 Jahre alte Sabina Zazstrozny aus der Nähe von Gleiwitz. Vorurteile können das Leben zur Hölle machen:

    Hauptsächlich werden sie beschimpft als Du Schwabe oder aber ganz einfach Goebbels Das wird oft gesagt, aber ich weiß nicht, ob die deutsche Bevölkerung das als Beleidigung annimmt. Für mich ist das eigentlich keine Beleidigung.

    "Solange Mond und Sonne scheinen, wird nie ein Deutscher eines Polen Freund!", heißt ein altes polnisches Sprichwort. In ihrem kollektiven Gedächtnis haben vor allem die älteren Polen das Leid, das aus Deutschland über sie hereinbrach, verinnerlicht. Das beobachtet die polnische GFPS-Vorsitzende Anna Artwinska auch im eigenen Familienkreis:

    Auch meine Mutter zum Beispiel. Die ist 65. Und ich habe tausend deutsche Bekannte. Tausend Deutsche haben bei mir übernachtet, und wir haben etwas zusammen unternommen. Und trotzdem fragt meine Mama: Was wollen die Deutschen? Also, da muss man schon im Alter unterscheiden

    Eine Chance also für die junge Generation. Eine Chance auch für Anna Artwinska, die bei GFPS immer wieder deutsche und polnische Studierende ins Gespräch bringt:

    Ich sehe es als meine Aufgabe, alle Klischees wegzumachen und daran zu arbeiten, dass sich die Leute integrieren und keine falschen Vorstellungen im Kopf entstehen. Es gibt diese Stereotypen, und wir haben mit ihnen immer zu rechnen. Aber wir können etwas dagegen machen: dadurch zum Beispiel, dass wir uns treffen, uns kennen lernen, etwas unternehmen, irgendwo hinfahren oder ein kulturelles Treffen organisieren.

    Autor: Philipp Bitterling

    Link: 10 plus - Ein Europa