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Polen verschärft das Demonstrationsrecht

Künftig soll es Städten und Gemeinden erlaubt sein, zwei oder mehr Versammlungen zur gleichen Zeit zu verbieten, wenn die öffentliche Ordnung bedroht ist. Die Oppositionsparteien sehen die grundlegenden Bürgerrechte in Gefahr und machen Front.

Von Henryk Jarczyk |
    Warschau im November 2011. Demonstranten aus dem rechten und linken Lager liefern sich Straßenschlachten. Die Polizei hat Mühe die Ordnung wiederherzustellen. Beamten feuern Gummigeschosse ab. Wasserwerfer rücken vor. Die Bilanz ist für polnische Verhältnisse dennoch verheerend: verwüstete Straßen, brennende Autos, über 40 Verletzte, darunter auch Polizeibeamte. Szenen, die es in Deutschland, Frankreich oder Italien zwar auch gibt. In Polen – so zumindest die Vorstellung der Regierung – soll es sie in Zukunft aber nicht mehr geben. Daher wurde das bislang sehr liberale Versammlungs- und Demonstrationsrecht dementsprechend verschärft. Höchste Zeit - wie Regierungspolitiker finden:

    "Wir sprechen viel über die Freiheit der Einzelnen. Wir sollten aber auch die Freiheit jener beachten, die sich in ihren Städten sicher fühlen wollen. Wir müssen also den Gemeinden bestimmte Instrumente geben, damit sie für Ordnung sorgen können, damit es eben zu keinen Konflikten kommt."

    Die Opposition ist da ganz anderer Auffassung. Vor allem im extrem-konservativen Lager regt sich Unmut. Das neue Gesetz, so heißt es, diene nicht der Demokratie, sondern würde diese behindern. Solidarna- Polska-Vorsitzender Zbigniew Ziobro, der zu Zeiten der Kaczynski Regierung als besonders strenger Sheriff durch das Land zog, wettert da am lautesten. Was in Polen einigermaßen für Verwunderung sorgt. Denn wäre Ziobro heute immer noch Justizminister – so heißt es im Regierungslager – dann würde das Gesetz sicher wesentlich strenger ausfallen. Anmerkungen, die der extrem konservative Politiker Ziobro mit Achselzucken zur Kenntnis nimmt:

    "Solidarna Polska teilt die Befürchtungen verschiedener Organisationen, die die Bürgerfreiheiten schützen. Es besteht die Gefahr, dass die Staatsführung dieses Gesetz ausnutzen wird, um das Recht auf Demonstration und die Kritik an der Regierung zu beschränken. Die Regierung will Andersdenkende nicht tolerieren."

    Vorwürfe, von denen sich die Regierung nicht beeindrucken ließ. Mit einer knappen, aber immerhin ausreichenden Mehrheit, beschloss das polnischen Parlament, dass Städte und Gemeinden künftig zwei oder mehr Demonstrationen zur gleichen Zeit verbieten können. Vor allem dann, wenn die öffentliche Ordnung durch Gegendemonstranten bedroht werden könnte. Das Gesetz ist zwar noch nicht rechtskräftig. Noch müssen zwei weitere Hürden genommen werden. Doch nachdem im Senat die Regierungspartei über eine satte Mehrheit verfügt und der Präsident einer der Hauptinitiatoren der Gesetzesinitiative ist, dürften die Vorschriften alsbald in Kraft treten. Was Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski ganz und gar nicht gut findet:

    "Jetzt kann man willkürlich entscheiden wird, ob eine Demo stattfinden kann oder auch nicht. Und das ist ein Skandal."

    Dass mit dem neuen Gesetz die Freiheit des Einzelnen eingeschränkt wird, stellt die Regierung auch nicht infrage. Wesentlich wichtiger – so die Argumentation hier – sei es aber, dass sich Szenen wie jene im November des vergangenen Jahres nicht wiederholten genauso wenig wie die vom 12. Juni, als sich polnische und russische Chaoten in Warschau prügelten.