Wie viel wiegen 947.000, also fast eine Million Unterschriften? 300 Kilogramm. Die erhielten die Abgeordneten des polnischen Parlaments noch vor den Ferien. Polens Eltern wehren sich, ihre Kinder bereits mit sechs Jahren zur Schule zu schicken und nicht wie sonst mit sieben. Karolina Elbanowska gründete mit ihrem Mann die Initiative "Rettet die Kleinen", die in 500 Städten Unterschriften sammelte.
"Eltern konnten ihr Kind immer schon mit sechs Jahren zur Schule schicken, wenn sie es für reif genug hielten, aber die meisten Kinder sind es nicht, denn sie können noch nicht 45 Minuten still sitzen. Die Schule in Polen ist eine Institution, die Druck ausübt, die die Kinder bestraft, wenn sie rumlaufen. Diese Kinder kommen frustriert nach Hause."
Im auf Effizienz bedachten Deutschland mag mancher den Kopf schütteln, in Polen dagegen ist diese Gesetzesänderung Anlass, das gesamte Schulsystem in Frage zu stellen. Alles, was die Familien schon immer gestört hat, wird jetzt aufgelistet: Dass Lehrer nur tadeln, nie loben, die Schüler deswegen immer häufiger psychische Probleme haben, dass der Schulkanon nicht stimmt, die Buchlobby die Schulen im Würgegriff halte, weswegen zu wenige Computer genutzt würden.
Am heftigsten jedoch wird das Einschulungsalter angegriffen, viele Eltern sehen ihre Kleinen um ihre Kindheit gebracht, vor allem aber seien die Schulen überhaupt nicht vorbereitet, sagt auch die Bildungsexpertin Aleksandra Pezda von der Gazeta Wyborcza.
"Als man 2008 die Reform beschloss, wurden keine Standards festgelegt. Die Regierung hätte die Klassenstärke definieren müssen, maximal 25 Schüler, oder dass der Unterricht nur vormittags stattfindet, auch, dass stets ein Hilfslehrer zur Seite steht."
In Polen ist die Vorschule - die Null-Klasse - Pflicht. Die Kindergärten bereiten die Kleinen spielerisch vor, nun sollen das die Schulen übernehmen, die dafür nicht eingerichtet sind. Zu wenige Spielecken, zu wenige Gleichaltrige in den Gruppen. Vor allem aber steht nicht genügend Personal für die Kleinen zur Verfügung, deshalb geht mancherorts ein Teil der Sechsjährigen erst nachmittags zur Schule. Noch ist die Einschulung mit sechs freiwillig, erst ab dem kommenden Schuljahr wird sie Pflicht.
S³awomir Broniarz, Chef des polnischen Lehrerverbandes, hält sie für richtig, allerdings schlecht vorbereitet.
"Die wichtigste Frage ist, was die Kommunen in den letzten vier Jahren gemacht haben, um die Reform umzusetzen. Die Probleme sind seit Jahren bekannt. Wir haben immer wieder als Verband darauf hingewiesen, die Lehrer umzuschulen. Unser Verband ist für den Schulbeginn mit sechs. Aber Nur die Hälfte der Drei- und Vierjährigen kann zurzeit den Kindergarten besuchen. Kinder wollen mit sechs Jahren lernen, wie fast überall in Europa."
Nur 15 Prozent der Eltern schickten ihre Kinder mit sechs zur Schule, das befürchtete Chaos hat viele abgeschreckt. Ebenso die Meldung, die dieser Tage für Aufregung sorgte: dass bereits ein Fünftel der Schüler unter psychischen Schwierigkeiten leidet oder litt, weil Lehrer nur Fehler, nie Stärken sähen. Ein Problem, zu dem inzwischen auch die Bildungsministerin Krystyna Szumilaz Stellung beziehen musste.
"Es geht doch nicht darum, Androiden heranzuziehen. Hier treffen zwei Vorstellungen aufeinander. Die disziplinierende Schule, die mit Stress verbunden ist und das Modell einer stressfreien Schule, die darauf achtet, was ein Schüler möchte, wo seine Talente liegen. Zwischen diesen beiden Extremen muss man die goldene Mitte finden."
Für 7000 Lehrer sind diese Probleme Luxus, denn sie traf es viel schlimmer: Ihnen wurde gekündigt. Immer weniger Abiturienten wollen Lehrer werden, was auch am geringen Einstiegsgehalt von nur 1100 Zloty liegt, keine 400 Euro. Die Schreckensmeldungen zu Beginn des neuen Schuljahres dürften die Bereitschaft nicht erhöht haben.
"Eltern konnten ihr Kind immer schon mit sechs Jahren zur Schule schicken, wenn sie es für reif genug hielten, aber die meisten Kinder sind es nicht, denn sie können noch nicht 45 Minuten still sitzen. Die Schule in Polen ist eine Institution, die Druck ausübt, die die Kinder bestraft, wenn sie rumlaufen. Diese Kinder kommen frustriert nach Hause."
Im auf Effizienz bedachten Deutschland mag mancher den Kopf schütteln, in Polen dagegen ist diese Gesetzesänderung Anlass, das gesamte Schulsystem in Frage zu stellen. Alles, was die Familien schon immer gestört hat, wird jetzt aufgelistet: Dass Lehrer nur tadeln, nie loben, die Schüler deswegen immer häufiger psychische Probleme haben, dass der Schulkanon nicht stimmt, die Buchlobby die Schulen im Würgegriff halte, weswegen zu wenige Computer genutzt würden.
Am heftigsten jedoch wird das Einschulungsalter angegriffen, viele Eltern sehen ihre Kleinen um ihre Kindheit gebracht, vor allem aber seien die Schulen überhaupt nicht vorbereitet, sagt auch die Bildungsexpertin Aleksandra Pezda von der Gazeta Wyborcza.
"Als man 2008 die Reform beschloss, wurden keine Standards festgelegt. Die Regierung hätte die Klassenstärke definieren müssen, maximal 25 Schüler, oder dass der Unterricht nur vormittags stattfindet, auch, dass stets ein Hilfslehrer zur Seite steht."
In Polen ist die Vorschule - die Null-Klasse - Pflicht. Die Kindergärten bereiten die Kleinen spielerisch vor, nun sollen das die Schulen übernehmen, die dafür nicht eingerichtet sind. Zu wenige Spielecken, zu wenige Gleichaltrige in den Gruppen. Vor allem aber steht nicht genügend Personal für die Kleinen zur Verfügung, deshalb geht mancherorts ein Teil der Sechsjährigen erst nachmittags zur Schule. Noch ist die Einschulung mit sechs freiwillig, erst ab dem kommenden Schuljahr wird sie Pflicht.
S³awomir Broniarz, Chef des polnischen Lehrerverbandes, hält sie für richtig, allerdings schlecht vorbereitet.
"Die wichtigste Frage ist, was die Kommunen in den letzten vier Jahren gemacht haben, um die Reform umzusetzen. Die Probleme sind seit Jahren bekannt. Wir haben immer wieder als Verband darauf hingewiesen, die Lehrer umzuschulen. Unser Verband ist für den Schulbeginn mit sechs. Aber Nur die Hälfte der Drei- und Vierjährigen kann zurzeit den Kindergarten besuchen. Kinder wollen mit sechs Jahren lernen, wie fast überall in Europa."
Nur 15 Prozent der Eltern schickten ihre Kinder mit sechs zur Schule, das befürchtete Chaos hat viele abgeschreckt. Ebenso die Meldung, die dieser Tage für Aufregung sorgte: dass bereits ein Fünftel der Schüler unter psychischen Schwierigkeiten leidet oder litt, weil Lehrer nur Fehler, nie Stärken sähen. Ein Problem, zu dem inzwischen auch die Bildungsministerin Krystyna Szumilaz Stellung beziehen musste.
"Es geht doch nicht darum, Androiden heranzuziehen. Hier treffen zwei Vorstellungen aufeinander. Die disziplinierende Schule, die mit Stress verbunden ist und das Modell einer stressfreien Schule, die darauf achtet, was ein Schüler möchte, wo seine Talente liegen. Zwischen diesen beiden Extremen muss man die goldene Mitte finden."
Für 7000 Lehrer sind diese Probleme Luxus, denn sie traf es viel schlimmer: Ihnen wurde gekündigt. Immer weniger Abiturienten wollen Lehrer werden, was auch am geringen Einstiegsgehalt von nur 1100 Zloty liegt, keine 400 Euro. Die Schreckensmeldungen zu Beginn des neuen Schuljahres dürften die Bereitschaft nicht erhöht haben.