Dienstag, 07. Mai 2024

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Polenz hält Blair für den richtigen Mann in Nahost

Der CDU-Politiker Ruprecht Polenz hat zur internationalen Unterstützung des neuen Nahost-Sondergesandten Tony Blair aufgerufen. Blair sei im Nahen Osten anerkannt und habe im Nordirlandkonflikt als britischer Premierminister erfolgreich vermittelt, sagte Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Es wäre kontraproduktiv, an der Entscheidung für Blair noch einmal herumzukritisieren.

Moderation: Bettina Klein | 28.06.2007
    Bettina Klein: Nach der Ära Tony Blair beginnt also heute das Zeitalter des Gordon Brown in London. Es ist sein erster regulärer Arbeitstag und vor allem der Tag, an dem die Spekulationen über die Mitglieder seiner Regierung ein Ende finden dürften. Brown will heute seine Kabinettsliste vorlegen und eine der großen Fragen dabei: Wird dabei schon eine Art Richtungswechsel deutlich werden? Die Besetzung der Kabinettsposten dürfte jedenfalls einige Rückschlüsse zulassen, insbesondere auch auf die künftige Außenpolitik. ( MP3-Audio , Bericht von Martin Zagatta)

    Am Telefon begrüße ich jetzt Ruprecht Polenz, CDU-Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Guten Morgen, Herr Polenz!

    Ruprecht Polenz: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Was ändert sich für Berlin mit dem Wechsel in London?

    Polenz: Ich glaube nicht so viel. Zum einen ist Brown ja schon bisher ein mächtiges Mitglied des Kabinetts von Tony Blair gewesen. Und ich glaube zum zweiten, er wird sich recht stark auf die Innenpolitik zu konzentrieren haben, denn die nächsten Wahlen in Großbritannien stehen ja bald vor der Tür. Und nach den Meinungsumfragen ist zwar jetzt der Vorsprung mit dem Wechsel wieder etwas größer geworden, aber das muss aus seiner Sicht erst mal befestigt werden, Probleme im Gesundheitswesen und in vielen anderen innenpolitisch wichtigen Bereichen. Ich glaube, er wird sich darauf konzentrieren.

    Klein: Haben Sie einen Wunschkandidaten, was den Posten des Außenministers angeht?

    Polenz: Mit Jack Straw sind wir gut zurecht gekommen. Wenn das Wirklichkeit würde, wäre das sicherlich keine schlechte Wahl.

    Klein: Dennoch: Brown wird in der Europapolitik wohl andere Akzente setzen. Das deutet sich seit langem an. Er wird die europaskeptischen Positionen seiner Landsleute stärker zu Gehör bringen als sein Vorgänger. Das wird nicht mehr so sehr die Sorge der Deutschen sein, weil die Ratspräsidentschaft ja zum Monatsende aufhört. Dennoch muss sich Deutschland dann doch gleichwohl positionieren zu diesen Fragen?

    Polenz: Es bleibt natürlich unsere Sorge, weil uns der Fortschritt in Europa am Herzen liegt, und wir werden ja jetzt auch die portugiesische Präsidentschaft unterstützen, dass die Regierungskonferenz ein Erfolg wird. Da könnte ein sich querlegender Brite schon Schwierigkeiten machen. Aber auch hier rechne ich nicht damit, dass das, was die Briten jetzt unter Tony Blair zugesagt haben, noch mal infrage gestellt wird. Also ich glaube, auch hier werden wir klar kommen.

    Klein: Dennoch geht es schon auch innenpolitisch für Brown jetzt um die Frage, wird es noch mal zu einem Referendum kommen müssen über den EU-Vertrag oder nicht? Da scheint er selbst in Großbritannien ja seit Tagen ziemlich unter Druck zu sein. Was passiert denn, wenn sich ein Referendum nicht verhindern lässt, das kann ja niemand verhindern; das ist ja das gute Recht der britischen Regierung, das anzuordnen, und das mit Nein ausfällt?

    Polenz: Ich gehe davon aus, dass Tony Blair gerade in diesem Fall die Verhandlungslinie mit Brown abgestimmt hat. Es war von vornherein klar: Die Briten jetzt von der Labour-Seite her legten großen Wert darauf, nur solche Veränderungen vorzunehmen, die ein Referendum nicht erfordern. Ich denke, dass es bei dieser Linie bleibt. Es war auch klar, dass es die Forderung von der Presse, teilweise auch aus der konservativen Opposition, geben würde, in jedem Fall ein Referendum zu machen, ich füge mal hinzu, selbst wenn nur ein Komma am bisherigen Vertragswerk geändert würde. Ich glaube, es wird kein Referendum geben.

    Klein: Lassen Sie uns noch auf die neue Rolle des alten Premierministers blicken. Tony Blair ist gestern bestätigt worden in seiner neuen Eigenschaft als Sonderbeauftragter des Nahost-Quartetts. Was kann Blair bewirken, was andere vor ihm nicht bewirken konnten?

    Polenz: Er hat die Aufgabe, den palästinensischen Behörden zu helfen beim Aufbau von politischen und wirtschaftlichen Institutionen, und er soll internationale Hilfe mobilisieren. Da bringt er natürlich außerordentlich viel Erfahrung mit. Er war ja auch sehr geduldig und letztlich erfolgreich im Nordirland-Konflikt, um den er sich eigentlich seine ganze Amtszeit über gekümmert hat. Er soll die palästinensische Wirtschaft fördern. Er soll neue private Partnerschaften vermitteln. Also ich glaube, zum einen ist es natürlich eine Herkules-Aufgabe. Zum anderen weiß jeder, der im Nahen Osten mit ihm spricht, dass er enge Kontakte zu den USA hat, die dort nach wie vor eine Schlüsselrolle spielen, und dass er auch in Europa ein respektierter und geachteter britischer Regierungschef gewesen ist, also dass er auch in der Europäischen Union bei den Staats- und Regierungschefs seinen Einfluss hat. Das alleine macht ihn schon ziemlich stark. Und es ist ja auch ein positives Signal, dass sowohl Olmert wie Abbas seine Ernennung begrüßt haben. Dass die Hamas das kritisiert hat, das war zu erwarten.

    Klein: Es gibt natürlich auch Vorbehalte von Russland. Hamas haben Sie gerade angesprochen. Auch europäische Diplomaten haben Zweifel angemeldet, wie viel er dort bringen kann, da er als enger Vertrauter von Bush gilt. Also Blair scheint noch vor Beginn der Tätigkeit mehr von Skepsis als von Hoffnung begleitet zu werden. Ist das eine gute Ausgangsbasis?

    Polenz: Solange er es noch nicht war, konnte man sicherlich auch als Diplomat seine Zweifel äußern. Jetzt, wo er es ist, hielte ich es für ausgesprochen kontraproduktiv, an möglichen Problemen, die er wegen diesem oder jenem haben könnte, noch einmal rumzukritisieren. Denn jetzt sollten wir die Chance nutzen. Erstens: Es war ja nun auch nicht selbstverständlich, dass er sich bereiterklären würde, eine solch schwierige Aufgabe, die zeit- und kräfteraubend sein wird, zu übernehmen. Und zweitens: Wir haben jetzt jemanden, der die Vorschläge des Quartetts den Konfliktparteien vermittelt, der dafür sorgen soll, dass die Dynamik, die jetzt in den Prozess gekommen ist, nicht gleich wieder versandet, und der vor allen Dingen auch in Israel respektiert wird. Denn es ist jetzt ja an Israel, den Prozess voranzubringen, sichtbar zu machen, dass sich die Kooperation der Palästinenser mit Israel mehr lohnt als die Konfrontation, die die Hamas einnimmt, und da muss nun schnell etwas passieren. Die israelische Regierung sollte nicht nur bei den Steuergeldern, die sie freigibt, oder bei der Freilassung von Gefangenen Zeichen setzen. Kontrollposten müssten abgebaut werden und letztlich muss man auch an die Siedlungen in der Westbank gehen und vor allen Dingen darf kein neues Haus in der Westbank mehr gebaut werden.

    Klein: Herr Polenz, lassen Sie mich noch mal kurz einhaken. Ich verstehe Sie richtig, dass Sie einen Appell an die Kritiker starten, sich da etwas zurückzuhalten? Kritik kam gestern auch vom deutschen Außenminister Steinmeier und zwar bezüglich dessen, wie diese Personalie Blair zustande gekommen sei, wie sie ausgehandelt wurde vermutlich. Und Steinmeier sagte in etwa wörtlich, es kann naturgemäß dem Mitglied des Quartetts - damit meinte er die EU - so nicht gefallen. Ist diese Kritik, diese Verärgerung zu Recht geäußert worden?

    Polenz: Ich könnte mir vorstellen, weil Deutschland ja noch in der Rolle der Präsidentschaft ist, dass er hätte vielleicht etwas stärker bei der Frage mitreden wollen. Ich weiß es nicht, aber ich bin sicher: Auch die deutsche Regierung, auch unser Außenminister wird die getroffene Wahl jetzt nach Kräften unterstützen. Das war vielleicht noch eine Verärgerung aus der Ernennungsprozedur, die ich aber nicht einschätzen kann. Ich weiß nicht, woher sie kam. Sicher ist aber, dass Deutschland jetzt genauso wie alle anderen europäischen Mitgliedsstaaten Tony Blair unterstützen müssen, denn es ist in unserem Interesse, dass er Erfolg hat. Da sollten, ich sage mal, Holprigkeiten bei seiner Ernennung jetzt keine Rolle mehr spielen, denn dass er geeignet ist, dass er die Qualifikation hat, daran hat auch unser Außenminister sicherlich nicht gezweifelt.

    Klein: Ruprecht Polenz war das, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Danke Ihnen, Herr Polenz, für das Gespräch.

    Polenz: Bitte schön, Frau Klein. Auf Wiederhören.