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Polenz: Kein größerer Konflikt kann ohne die USA gelöst werden

Nachdem klar sei, wer die USA für die kommenden Jahre führe, müsse nun der "Stand by"-Modus in der Außenpolitik aufgegeben werden, meint Rupert Polenz (CDU). Nach wie vor seien der Nahost-Konflikt, das Verhältnis zu Russland und das Ausstrecken einer Hand zur islamischen Welt die wichtigsten Themen.

Das Gespräch führte Bettina Klein | 07.11.2012
    Bettina Klein: Zugeschaltet ist der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Polenz.

    Ruprecht Polenz: Einen schönen guten Morgen.

    Klein: Ich grüße Sie! – Ihre erste Reaktion, nun, da es ja fast offiziell zu sein scheint, dass Barack Obama wiedergewählt wurde.

    Polenz: Ich denke, mit dem Eingeständnis von Mitt Romney, dass er verloren hat, ist die Sache entschieden und wir warten auf die Rede von Obama, wo er sich bei seinen Wählern bedankt und eine erste Ankündigung machen wird, welche Politik er betreibt. Es ist gut, dass es eine Entscheidung gibt - ich hoffe, dass sie auch deutlich und klar im Ergebnis ausfällt; noch sind ja nicht alle Staaten völlig ausgezählt -, weil das auch zur Befriedung beitragen könnte, als wenn man das Gefühl hat, es war überall ganz, ganz knapp und möglicherweise kann man dann doch noch juristisch an der einen oder anderen Stelle nachbohren.

    Klein: Als Außenpolitiker stehen Sie natürlich und müssen Sie auch stehen auf dem Standpunkt, dass die Bundesregierung und die Bundesrepublik Deutschland mit jedem amerikanischen Präsidenten gut zusammenarbeiten. Wir wissen alle, dass sich viele, viele Deutsche in der überwältigenden Mehrheit Obama gewünscht haben. So ist es nun auch gekommen. Welche Erwartung würden Sie jetzt, was die Außenpolitik angeht, als erstes richten an den wiedergewählten Präsidenten?

    Polenz: Obama hatte ja bei seinem Amtsantritt eine sehr anspruchsvolle außenpolitische Agenda mit eigentlich lauter richtigen Prioritäten: der Nahost-Konflikt ganz oben, das Verhältnis zu Russland verbessern, die Hand ausstrecken auch zur islamischen Welt. Das ist angesichts der Ereignisse in Tunesien, in Ägypten nach wie vor eine wichtige Dimension amerikanischer Politik hoffentlich in der Zukunft, denn wir haben ja jetzt auch erlebt, dass die Konflikte praktisch in so einer Art "Stand by"-Modus waren, solange wir die amerikanische Präsidentschaftswahl vor uns hatten. Alles hat gewartet, wer wird Präsident und wann ist Amerika wieder richtig handlungsfähig. Denn kein Konflikt von Gewicht kann ohne das Mitwirken der Amerikaner gelöst werden. Allerdings gilt auch: die Amerikaner alleine sind auch nicht dazu in der Lage, sondern sie müssen multilateral handeln, und das wäre auch eine Erwartung an den wiedergewählten amerikanischen Präsidenten, dem ich aber von dieser Stelle, wenn ich die Chance schon habe, herzlich gratulieren möchte.

    Klein: Aber sicher! – Der Wahlkampf ist vorbei, deshalb noch mal die Frage: In welchem Bereich, in welchem Konfliktfeld erwarten Sie eine erste Entscheidung von Obama?

    Polenz: Er hat jetzt erst mal innenpolitisch eine gewaltige Agenda mit diesem sogenannten "fiscal cliff", wo Steuern auslaufen, wo Haushaltsentscheidungen zu treffen sind und wo er das Repräsentantenhaus braucht, ein Repräsentantenhaus mit einer republikanischen Mehrheit, und die Republikaner müssen jetzt erst mal für sich entscheiden, wie wollen sie ihre Oppositionsstrategie und wie wollen sie ihre Strategie gegenüber dem Präsidenten jetzt festlegen. Und es ist eine Fraktion, die bei der Aufstellung ja häufig moderatere Kandidaten ausgewechselt hat zu Gunsten von Vertretern etwa der Tea Party. Also da rechne ich auch noch mit beträchtlichen innerrepublikanischen Richtungskämpfen jetzt nach dieser Niederlage.

    Klein: Meine Frage zielte ab an Sie als Außenpolitiker auf die Außenpolitik. Wir haben damals die berühmte Rede in Kairo gehört von Präsident Obama. Im Anschluss daran, Sie erwähnten es, im Zuge des Arabischen Frühlings kam nicht mehr so sehr viel. Wir haben weiterhin einen Nahost-Konflikt, in dem es weder vorwärts, noch zurück geht. Wir haben das Problemfeld Iran mit der Atompolitik. Noch mal: Wo muss Obama jetzt, wo er die Chance hat und auch nicht mehr um eine weitere Wiederwahl bangen muss, ansetzen?

    Polenz: Ich glaube, ganz dringend ist Syrien, im Sicherheitsrat einen neuen Anlauf zu machen, die Russen doch noch zu einer gemeinsamen Politik der Weltgemeinschaft zu bewegen, und das wird wahrscheinlich nicht gelingen, wenn man mit Russland nur über Syrien spricht. Also wäre Amerika auch gefordert, mit Putin über vielleicht ein breiteres Themenspektrum zu sprechen, damit man in der Syrien-Frage international mit einer Stimme gegenüber Assad auftritt und damit einen Schritt in die Richtung macht, den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden.

    Klein: Würden Sie Obama dazu auffordern, sich jetzt stärker zu engagieren und vielleicht auch stärker Führung wahrzunehmen? Das ist ihm ja teilweise auch im eigenen Land vorgeworfen worden, dass das nicht in der Weise geschehen ist, wie sich das viele vielleicht gewünscht haben.

    Polenz: Ich glaube noch mal: Die Amerikaner werden einfach gebraucht in internationalen Konflikten, in den internationalen Beziehungen, und diese Rolle müssen sie wahrnehmen. Das ist ähnlich, wie Deutschland in der Europäischen Union auch nicht nicht Verantwortung übernehmen kann. Genauso gilt das für die Amerikaner, sozusagen was die Weltfragen angeht. Diese Erwartung haben, denke ich, alle Völker, und deshalb hoffe ich, dass Obama in seiner zweiten Amtszeit die Agenda, die er für seine erste Amtszeit hatte, die natürlich nicht beendet werden konnte, jetzt wieder herausholt und weiter daran arbeitet.

    Klein: Noch mal die Frage zum Verhältnis zu Europa. Wir haben es immer wieder häufig angesprochen: Barack Obama hat sich selber als einen pazifischen Präsidenten bezeichnet. Die Pazifik-Region, Asien, die aufstrebenden Wirtschaftsmächte dort sind sehr, sehr stark im Blick und viele haben sich ja hier immer wieder gefragt, welche Rolle spielt Europa eigentlich noch. Im Munde von Mitt Romney kam Europa eher als schlechtes Beispiel vor. Was erwarten Sie für das Verhältnis mit Europa?

    Polenz: Wir haben selber ein Interesse natürlich, dass sich die Amerikaner auch dem pazifischen Raum zuwenden. Wir tun das ja selbst auch, etwa beim Handel und bei der Zusammenarbeit mit China. Und im asiatischen Raum fehlen die Sicherheitsstrukturen, die vertrauensbildenden Maßnahmen, die in Europa in den letzten 60 Jahren auch mit Hilfe der Amerikaner entstanden sind. Also wir haben auch ein Interesse, dass sich Amerika als pazifische Macht versteht, aber wir müssen auch etwas für die transatlantischen Beziehungen tun, und hier wäre das Projekt einer transatlantischen Freihandelszone etwas, was beide Kontinente näher zueinander brächte, was große Wohlfahrtsgewinne sowohl für die Amerikaner wie für die Europäer versprechen würde.

    Klein: Herzlichen Dank! – Das war Ruprecht Polenz, CDU-Bundestagsabgeordneter, Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss im Deutschen Bundestag. Herzlichen Dank für das Gespräch.
    Und wir haben noch zwei weitere Reaktionen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Auch Außenminister Guido Westerwelle hat bereits auf die Wiederwahl von Barack Obama reagiert.

    Guido Westerwelle: Eines ist bekannt: wir haben außenpolitisch mit der Administration von Präsident Obama sehr gut zusammengearbeitet. Wir haben auch noch vieles gemeinsam vor. Vor allen Dingen wollen wir die Abrüstungspolitik voranbringen. Es hat ja in diesem Jahr auch Wahlen in Russland gegeben, jetzt ist die Schwebephase in den Vereinigten Staaten von Amerika vorbei, und das sollten beide Seiten zum Anlass nehmen, noch einmal auch mit neuen Abrüstungsimpulsen die Sicherheitslage in der Welt zu verbessern.

    Klein: Soweit also die Erwartung von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). – Und eine Stimme aus der SPD haben wir: Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.

    Frank-Walter Steinmeier: Ich freue mich für Obama, dass er Präsident der Vereinigten Staaten bleiben kann. Ich glaube aus meiner europäischen Sicht, das ist auch der richtige Präsident für die USA. Meine Befürchtung war, dass ein Präsident Romney ein ohnehin gespaltenes Land eher weiter auseinandertreibt. Obama hat das Potenzial, die unterschiedlichen Interessen, die unterschiedlichen Schichten, die unterschiedlichen Ethnien auch zusammenzuführen in diesem Land, und das ist, glaube ich, auch ein Grund, warum ihn trotz mancher Zweifel am Ende die Mehrheit wiedergewählt hat. Große Hoffnungen ruhen auf ihm, sie sind vielleicht nicht ganz so überirdisch, wie das vor vier Jahren bei seinem ersten Wahlsieg der Fall war. Aber ein bisschen was ist geschafft und das bisschen dürfen wir nicht unterschätzen. Eine Gesundheitsreform in den USA ist eine kleine Revolution, die hat er immerhin eingeleitet.

    Klein: Soweit der SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier heute Morgen in einer ersten Reaktion auf die Wiederwahl von Barack Obama.


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