Auch Filmemacher Michael Moore ist angereist, um das vorwiegend jugendliche Publikum im Saal aufzufordern, bei den Präsidentschaftswahlen im November wählen zu gehen. Die Besucher, wie etwa den 26-jährigen Michael, stört es nicht, dass sich die Stars auf der Bühne politisch engagieren – im Gegenteil.
So etwas lockt die Leute wirklich aus der Reserve. Ich finde es klasse, dass sich so viele Stars dafür Zeit nehmen. Weil sie hier hergekommen sind, spenden viele Leute Geld. Wenn das Fernsehen über die Veranstaltung berichtet, dann, weil die Stars unterhaltsam sind. Das erregt dann umso mehr Aufmerksamkeit. Einige wie Michael Moore sind durch Politik zu Stars geworden. Es ist toll, dass so jemand jetzt berühmt werden kann.
Michael Moore, der durch seine Dokumentarfilme wie Bowling for Columbine zu einer weltweit bekannten Persönlichkeit geworden ist, weiß, wie er seinen Star-Status zu politischen Zwecken ausnutzen kann. Als sich die Kandidaten der Demokratischen Partei in den vergangenen Monaten anschickten, Wahlkampf zu betreiben, unterstützte Moore öffentlich den früheren Nato-General Wesley Clark.
Darrell West ist Politikwissenschaftler an der Brown University in Providence. Er beschäftigt sich seit Jahren mit dem Phänomen, wie in den USA Entertainment und Politik immer weiter verschmelzen. Im Zuge dieses Trends hat schon Marilyn Monroe Wahlkampf für John F. Kennedy betrieben. Heute sind es Superstars wie Madonna, die hoffen durch ihre Unterstützung, einem bestimmten Kandidaten zu mehr Publicity zu verhelfen.
Schauspieler treten nicht des Geldes wegen mit Kandidaten auf. Manche machen das, weil sie von der Sache überzeugt sind, zum Beispiel der Schauspieler Martin Sheen, ein ausgesprochener Bush-Gegner. Sheen war sehr gegen den Irakkrieg und unterstützte deswegen Howard Dean, der sich von allen Kandidaten am Klarsten gegen den Irakkrieg ausgesprochen hatte. Einige Schauspieler finden bestimmte Themen wichtig, andere sehen die Politik als Vehikel, um in den Medien erwähnt zu werden und dadurch ihren Bekanntheitsgrad aufrechtzuerhalten. Es handelt sich oft um symbiotische Beziehungen. Der Star hilft sich selbst, indem er den Präsidentschaftskandidaten unterstützt.
Die Politiker selbst wollen nicht immer zugeben, dass es ein Wechselspiel zwischen Stars und der Politik gibt. Bei den demokratischen Vorwahlen in Delaware etwa, behaupteten einige der Politprofis, es ginge einzig und allein um die Thematik im Wahlkampf. Doch Senator Tom Carper, der für die Demokraten Wahlkampf betreibt, macht sich keine Illusionen darüber, dass das Engagement von Schauspielern helfen kann, die Leute an die Urnen zu bringen.
Leider besteht die herkömmliche Art, heute in den USA Wahlkampf zu führen, darin, einen 30 Sekunden dauernden Wahlkampfspot auszustrahlen. Deshalb ist einem Politiker daran gelegen, die Leute für seine Persönlichkeit zu interessieren. Sicherlich erreicht man viele über Wahlwerbung per Postwurfsendungen oder im Radio. Aber das Aussehen ist in diesem TV-Zeitalter halt auch wichtig. Die Medien fungieren als Brücke zu den Wählern. Öffentliche Auftritte braucht man, aber man kann damit erstens nicht alle Wähler erreichen, und zweitens ist das sehr zeitaufwändig. Du musst deswegen Geld ausgeben, um dein Erscheinungsbild im Fernsehen aufzubessern. Immer mehr Geld geht in die Medien.
Wissenschaftlich ist es allerdings nicht nachweisbar, wie groß der Einfluss der Stars auf die Wähler wirklich ist. Das Forschungsinstitut Pew Center in Washington hat eine Umfrage darüber in Auftrag gegeben. Forschungsdirektor Carroll Doherty über die Ergebnisse:
Von großer Bedeutung sind Stars nicht. Priester und lokale religiöse Führer haben den positivsten Effekt. Die meisten Menschen, etwa 80 Prozent, sagen, Stars hätten keinen Einfluss auf ihr Wahlverhalten. Das gilt auch für Zeitungen, Stars wie Schwarzenegger oder Jay Leno sind relativ unwichtige Faktoren. Ich glaube nicht, dass jemand wie Madonna die Wähler positiv beeinflussen kann.
Auch der Fernsehsender MTV mischt sich seit einigen Jahren aktiv in die Politik ein. Wie schon bei den letzten Präsidentschaftswahlen veranstaltet der Sender derzeit seine Aktion "Rock the Vote", mit der Jugendliche angehalten werden sollen, zur Wahl zu gehen. Im Zuge dieses Projekts wurden auch die Kandidaten der Demokraten aufgefordert, einen Wahlkampfspot für Jugendliche zu produzieren. Howard Dean, der Monate lang als Favorit galt, (aber inzwischen ausgeschieden ist) präsentierte eines der besten Videos.
Dean musste nach seiner leidenschaftlichen Rede, die er im Anschluss an die erste Vorwahl-Niederlage hielt, herbe Einbrüche bei den Wählern hinnehmen. Ein Präsident, der zu solchen Gefühlsausbrüchen fähig ist, so lautete das allgemeine Urteil, wirkt nicht seriös genug. Doch manche seiner Fans fanden eben diese Leidenschaft unterhaltsam.
Der Satiriker Andy Borowitz glaubt, dass Dean im Vergleich zu dem demokratischen Favoriten, John Kerry, allemal mehr Feuer hat.
Howard Dean ist eher der Bösewicht in einem Film als der Präsidentschaftskandidat der Demokraten. Im Film würde er natürlich gegen Arnold Schwarzenegger antreten. John Kerry ist schrecklich langweilig. Kerry hat diesen Einlull-Effekt, einfach einschläfernd. Eins muss man Kerry auf jeden Fall lassen: er hat die beste Haartracht. Falls bei diesen Wahlen nach Haaren entschieden wird, dann wird Kerry ganz vorn liegen.
Eine populäre Form, wie in den USA über Politik diskutiert wird, ist das Late-Night-Fernsehen. Entertainer wie David Letterman oder Jay Leno machen sich täglich über die aktuelle Politik lustig, und laden regelmäßig Politiker als Gäste ein. Fast alle Kandidaten der Demokraten haben die Runde in diesen Shows gemacht. Das gilt als wichtiger Wahlkampfauftritt, um sich dem Volk als Mensch wie du und ich zu präsentieren. Dabei wird nur wenig über Programmatik geredet. Die Shows werden zur Unterhaltung, aber auch zur Schadensbegrenzung genutzt. So trat auch Howard Dean nach seinem Imagedebakel bei Letterman an und nannte zehn Strategien, wie er sein ramponiertes Image wieder auf Vordermann bringen könnte:
Ganz oben auf der Liste der guten Vorsätze: Ich will anfangen, Sport zu treiben und mit einem österreichischen Akzent sprechen.
Humor als Mittel der offensiven Verteidigung gilt in solchen Fällen immer als erfolgreiche Strategie, betont Satiriker Andy Borowitz.
Humor ist immer ganz wichtig. Ich erfinde eigentlich nichts, ich spitze die Realität nur leicht zu und verpasse ihr meine Sichtweise. Auf meiner Webseite berichte ich täglich. Die Leute sagen, wie kannst Du nur solch verrücktes Zeug erfinden. Ich antworte dann: Ich habe nichts erfunden und lasse nur die Realität sprechen, aus meiner Sicht natürlich. Für Humor und Satire wird es immer genug Platz geben. Denn es ist besser zu lachen als zu weinen.
Borowitz hat gerade ein Buch herausgebracht, in dem er das Phänomen "Gouverneur Arnold" zu erklären versucht. Der Actionstar Schwarzenegger, der zum Gouverneur von Kalifornien gewählt wurde, macht sich die Symbiose aus Entertainment und Politik optimal zu Nutze, meint Borowitz.
Arnold Schwarzenegger erinnert uns dauernd daran, dass er ein Filmstar ist. Er würzt seine Rhetorik mit Kommentaren wie "terminating this" und "blowing up". Arnold, finde ich, hat den Zeitgeist erfasst. Dass wir Entertainment lieben, dass wir Entertainment-Junkies sind, wahrscheinlich mehr als Politik-Junkies. Er sagt den Kaliforniern: Schaut her, unser Haushaltsdefizit ist ungeheuer negativ, wir sind pleite, aber, hey, ich bin doch unterhaltsam, und es macht Euch doch allen Spaß, mich im Gouverneursamt zu sehen.
Aufsehen erregte selbst in den USA der Umstand, dass Schwarzenegger seine Kandidatur in der Jay Leno Show ankündigte. Die "Daily Show", eine Satireshow, in der die Nachrichten vom Tage auf ihre Komik hin zerpflückt werden, kalauerte: "Wir alle dachten, dass es ein Witz sei, einen Action-Filmstar zu wählen, aber wenn es ein Witz war, würde Leno ihn dann als Kandidaten einführen?"
Dabei kann die Daily Show, genauso wie die Late-Night-Fernsehunterhaltung, auf eine neue Art von Popularität verweisen: Laut einer aktuellen Untersuchung des Pew Forschungszentrums erhalten mehr und mehr vor allem junge Amerikaner einen Teil ihrer politischen Informationen aus Comedy-Programmen, so Carroll Doherty vom Pew Zentrum.
Was das Informationsverhalten von jungen Leuten angeht, ist dies eine bedenkliche Entwicklung. Denn der Informationsgehalt dieser Sendungen ist gering, man erfährt nicht viel. Sie blenden die Hauptquellen für Wahlkampfinformationen aus und wenden sich stattdessen anderen Quellen zu, nur um unterhalten zu werden. Das ist letztendlich besser als gar nichts, aber es handelt sich vorrangig um Instrumente der Unterhaltung, nicht der politischen Information.
Dem Wahlvolk selbst scheint es nichts auszumachen, dass Entertainer mehr und mehr Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess zu nehmen scheinen, wie ein Wähler in Delaware zu Protokoll gibt.
Ich wünsche mir nur eine intelligente Person, die kluge Entscheidungen trifft. Mit Stars in der Politik wie Schwarzenegger habe ich kein Problem. Es ist mir wichtig, dass er kein Karrierepolitiker ist, sondern ein Schauspieler und Entertainer. Ich mag Leute wie ihn, die unabhängig sind, weil sie sich von keiner Partei und keinem Interessensverband kaufen lassen.
Dass dieser Trend in den USA stärker ist als anderswo, erklärt Politikprofessor Darrell West mit der Struktur des amerikanischen politischen Systems.
In einigen Ländern wählen die Wähler eine Partei, zum Beispiel für die Parlamente. Wenn die Partei viele Stimmen erhält, dann können mehr Mitglieder dieser Partei gewählt werden. In solch einem System haben Stars in der Politik keine Chance, weil es für Stars sehr viel schwieriger ist, die Wähler direkt um Unterstützung zu bitten. Die Parteien haben eine Art Wächterfunktion und legen fest, wer Kandidat wird. In den USA ist das Parteiensystem schwächer. Politik ist hier sehr viel mehr personalisiert. Wer deshalb reich und berühmt ist, kann die Parteiführung problemlos umgehen und für ein Amt kandidieren. Man muss in den USA nicht 10 oder 15 Jahre lang Politiker gewesen sein und sich nicht jahrelang von der Parteibasis nach oben durcharbeiten, um eine politische Karriere zu machen. Im Prinzip kann man seinen eigenen Reichtum und seinen Bekanntheitsgrad einsetzen, um direkt für das Amt eines Gouverneurs, eines Senators oder auch des Präsidenten der Vereinigten Staaten zu kandidieren.
Die Anfänge dieser Entwicklung gehen zurück bis ins 19. Jahrhundert. Zu dieser Zeit kamen bekannte Persönlichkeiten eher aus dem militärischen Bereich, wie etwa Generäle, die erfolgreich an der Seite des ersten Präsidenten, George Washington, gekämpft hatten. Doch während damals die Stars der Stunde immerhin aus dem öffentlichen Sektor kamen, sind es heute politisch völlig unerfahrene Persönlichkeiten, betont West.
Früher musste man in einer Partei beginnen, für ein Amt in der Gemeinde oder im Bezirk kandidieren, sich im Verlauf der nächsten 10, 15 Jahre einen Namen machen, und konnte dann ein höheres Amt anvisieren. Dies änderte sich in den 60er Jahren, als ein Ex-Filmstar sich für Politik interessierte und zum Gouverneur von Kalifornien gewählt wurde - Ronald Reagan. Das ganze öffnete die Tore für viele Stars, sich politisch mehr zu engagieren. Seitdem ist die Zahl von Stars, die politische Ämter anstreben, stark angewachsen. Und die meisten von ihnen gewinnen! Arnold Schwarzenegger ist nur das jüngste Beispiel. Die letzten drei Jahrzehnte in den USA sind angefüllt mit Schauspielern, Athleten und Astronauten, die für ein öffentliches Amt kandidierten.
Ein Zielobjekt satirischer Kreativität ist Hillary Clinton, die Gattin des früheren Präsidenten, die viele wegen ihres Einflusses gern als Präsidentschaftskandidatin sehen würden.
In einem Sketch der Polit-Comedyshow "Saturday Night Live" wird sie als Doyenne der amerikanischen Politik dargestellt, die bereits ein Schattenkabinett aus engagierten Stars zusammengestellt hat, darunter der Schauspieler Tom Hanks, Golfstar Tiger Woods und Altrocker Bruce Springsteen.
Doch Hillary Clinton gilt trotz ihrer Popularität als spröde und trocken, mit wenig eigenem Unterhaltungswert. Damit sitzt sie mit den meisten demokratischen Kandidaten des Frühjahrsrennens in einem Boot, meint Darrell West.
Der Unterhaltungswert der Kandidaten der Demokraten ist nicht besonders groß. Keiner von ihnen ist besonders lustig oder charismatisch. Folglich bemühen sie sich um Glanz und Glamour, indem sie Stars zu ihren Wahlkampfauftritten hinzuziehen. Die Amerikaner wollen auch in der Politik unterhalten werden. Die alte Grenze zwischen Entertainment auf der einen Seite und Politik und Nachrichten auf der anderen Seite ist in den USA längst verschwunden. Dasselbe gilt für die Grenze zwischen Hollywood und Washington. Sie existiert nicht mehr. So kommt es, dass ein Kandidat, der sehr klug und selbstbewusst, aber wenig unterhaltsam ist, in den USA keine besonders guten Siegeschancen hat.
Weil in den USA die größten Stars oft aus dem Sport kommen, werden auch die Football- oder Baseballgrößen von Politikern umworben. Wer mit Sportlern locker umgehen kann, der macht auch bei den Wählern Punkte, sagt der frühere Clinton-Berater Paul Begala.
Wir wollten zeigen, dass Clinton gerne mit den Jungs zusammen ist und dass er zu diversen Football-Veranstaltungen geht. Man muss deutlich machen, dass man mit den Leuten umgehen kann und ihre Sprache spricht. Armer Präsident Nixon, der zwar auch ein großer Football-Fan war, aber immer bloß steif daherkam. Mit dem lockeren Clinton war das immer eine Nachricht wert, und es half ihm wirklich weiter. Es macht einen nicht unerheblichen Anteil am Wahlerfolg aus, wenn man einen Draht zum einfachen Mann auf der Strasse findet.
Sport ist für Amerikaner wie eine Religion. Einen bekannten Baseball-Spieler nach seiner Meinung zu den New York-Yankees zu fragen ist schon immer eine ganz normale Sache gewesen. Aber hier in den USA wird er auch nach seiner Meinung über Politik und Politiker befragt. Sport steht nicht im Ruf, korrupt zu sein, weil Sport unabhängig vom politischen Prozess abläuft. Deshalb gibt es jetzt zunehmend Versuche, Sportlerpersönlichkeiten für Wahlkampfauftritte mit Kandidaten zu rekrutieren. Republikaner und Demokraten bemühen sich um solche Stars im selben Masse.
Dass Politik und Unterhaltung heute untrennbar miteinander verbunden sind, ist spätestens seit dem Wahlsieg von Ronald Reagan klar. Reagans Inauguration brachte in der Medienbranche eine weitere geniale Idee hervor: Die besten Kampagnenmanager des Landes sollten auf Anregung des Magazins "Vanity Fair" hin einen PR-Feldzug für Jesus Christus gestalten - falls er auf die Erde zurückkehren sollte. Ein Redenschreiber entwarf den obligatorischen Monolog für "Saturday Night Live", eine Topdesignerin ein passendes Kostüm. Die Rückkehr Jesu´ wäre ein gigantisches Medienspektakel, prophezeit Darrell West.
Es gäbe eine umfassende Fernsehberichterstattung, es wäre, als würde ein Rockstar auftreten. Und vor seiner Rückkehr würde eine große Marketing-Kampagne ablaufen. Amerikaner glorifizieren und vergöttern ihre Stars. Elvis Presley ist dafür das beste Beispiel. Der Mann starb jung, er war ein guter Musiker, und heute ist sein Haus in Graceland sprichwörtlich eine Pilgerstätte. Dass Menschen so denken und empfinden, zeigt, in welche Richtung sich die amerikanische Kultur bewegt hat.
So etwas lockt die Leute wirklich aus der Reserve. Ich finde es klasse, dass sich so viele Stars dafür Zeit nehmen. Weil sie hier hergekommen sind, spenden viele Leute Geld. Wenn das Fernsehen über die Veranstaltung berichtet, dann, weil die Stars unterhaltsam sind. Das erregt dann umso mehr Aufmerksamkeit. Einige wie Michael Moore sind durch Politik zu Stars geworden. Es ist toll, dass so jemand jetzt berühmt werden kann.
Michael Moore, der durch seine Dokumentarfilme wie Bowling for Columbine zu einer weltweit bekannten Persönlichkeit geworden ist, weiß, wie er seinen Star-Status zu politischen Zwecken ausnutzen kann. Als sich die Kandidaten der Demokratischen Partei in den vergangenen Monaten anschickten, Wahlkampf zu betreiben, unterstützte Moore öffentlich den früheren Nato-General Wesley Clark.
Darrell West ist Politikwissenschaftler an der Brown University in Providence. Er beschäftigt sich seit Jahren mit dem Phänomen, wie in den USA Entertainment und Politik immer weiter verschmelzen. Im Zuge dieses Trends hat schon Marilyn Monroe Wahlkampf für John F. Kennedy betrieben. Heute sind es Superstars wie Madonna, die hoffen durch ihre Unterstützung, einem bestimmten Kandidaten zu mehr Publicity zu verhelfen.
Schauspieler treten nicht des Geldes wegen mit Kandidaten auf. Manche machen das, weil sie von der Sache überzeugt sind, zum Beispiel der Schauspieler Martin Sheen, ein ausgesprochener Bush-Gegner. Sheen war sehr gegen den Irakkrieg und unterstützte deswegen Howard Dean, der sich von allen Kandidaten am Klarsten gegen den Irakkrieg ausgesprochen hatte. Einige Schauspieler finden bestimmte Themen wichtig, andere sehen die Politik als Vehikel, um in den Medien erwähnt zu werden und dadurch ihren Bekanntheitsgrad aufrechtzuerhalten. Es handelt sich oft um symbiotische Beziehungen. Der Star hilft sich selbst, indem er den Präsidentschaftskandidaten unterstützt.
Die Politiker selbst wollen nicht immer zugeben, dass es ein Wechselspiel zwischen Stars und der Politik gibt. Bei den demokratischen Vorwahlen in Delaware etwa, behaupteten einige der Politprofis, es ginge einzig und allein um die Thematik im Wahlkampf. Doch Senator Tom Carper, der für die Demokraten Wahlkampf betreibt, macht sich keine Illusionen darüber, dass das Engagement von Schauspielern helfen kann, die Leute an die Urnen zu bringen.
Leider besteht die herkömmliche Art, heute in den USA Wahlkampf zu führen, darin, einen 30 Sekunden dauernden Wahlkampfspot auszustrahlen. Deshalb ist einem Politiker daran gelegen, die Leute für seine Persönlichkeit zu interessieren. Sicherlich erreicht man viele über Wahlwerbung per Postwurfsendungen oder im Radio. Aber das Aussehen ist in diesem TV-Zeitalter halt auch wichtig. Die Medien fungieren als Brücke zu den Wählern. Öffentliche Auftritte braucht man, aber man kann damit erstens nicht alle Wähler erreichen, und zweitens ist das sehr zeitaufwändig. Du musst deswegen Geld ausgeben, um dein Erscheinungsbild im Fernsehen aufzubessern. Immer mehr Geld geht in die Medien.
Wissenschaftlich ist es allerdings nicht nachweisbar, wie groß der Einfluss der Stars auf die Wähler wirklich ist. Das Forschungsinstitut Pew Center in Washington hat eine Umfrage darüber in Auftrag gegeben. Forschungsdirektor Carroll Doherty über die Ergebnisse:
Von großer Bedeutung sind Stars nicht. Priester und lokale religiöse Führer haben den positivsten Effekt. Die meisten Menschen, etwa 80 Prozent, sagen, Stars hätten keinen Einfluss auf ihr Wahlverhalten. Das gilt auch für Zeitungen, Stars wie Schwarzenegger oder Jay Leno sind relativ unwichtige Faktoren. Ich glaube nicht, dass jemand wie Madonna die Wähler positiv beeinflussen kann.
Auch der Fernsehsender MTV mischt sich seit einigen Jahren aktiv in die Politik ein. Wie schon bei den letzten Präsidentschaftswahlen veranstaltet der Sender derzeit seine Aktion "Rock the Vote", mit der Jugendliche angehalten werden sollen, zur Wahl zu gehen. Im Zuge dieses Projekts wurden auch die Kandidaten der Demokraten aufgefordert, einen Wahlkampfspot für Jugendliche zu produzieren. Howard Dean, der Monate lang als Favorit galt, (aber inzwischen ausgeschieden ist) präsentierte eines der besten Videos.
Dean musste nach seiner leidenschaftlichen Rede, die er im Anschluss an die erste Vorwahl-Niederlage hielt, herbe Einbrüche bei den Wählern hinnehmen. Ein Präsident, der zu solchen Gefühlsausbrüchen fähig ist, so lautete das allgemeine Urteil, wirkt nicht seriös genug. Doch manche seiner Fans fanden eben diese Leidenschaft unterhaltsam.
Der Satiriker Andy Borowitz glaubt, dass Dean im Vergleich zu dem demokratischen Favoriten, John Kerry, allemal mehr Feuer hat.
Howard Dean ist eher der Bösewicht in einem Film als der Präsidentschaftskandidat der Demokraten. Im Film würde er natürlich gegen Arnold Schwarzenegger antreten. John Kerry ist schrecklich langweilig. Kerry hat diesen Einlull-Effekt, einfach einschläfernd. Eins muss man Kerry auf jeden Fall lassen: er hat die beste Haartracht. Falls bei diesen Wahlen nach Haaren entschieden wird, dann wird Kerry ganz vorn liegen.
Eine populäre Form, wie in den USA über Politik diskutiert wird, ist das Late-Night-Fernsehen. Entertainer wie David Letterman oder Jay Leno machen sich täglich über die aktuelle Politik lustig, und laden regelmäßig Politiker als Gäste ein. Fast alle Kandidaten der Demokraten haben die Runde in diesen Shows gemacht. Das gilt als wichtiger Wahlkampfauftritt, um sich dem Volk als Mensch wie du und ich zu präsentieren. Dabei wird nur wenig über Programmatik geredet. Die Shows werden zur Unterhaltung, aber auch zur Schadensbegrenzung genutzt. So trat auch Howard Dean nach seinem Imagedebakel bei Letterman an und nannte zehn Strategien, wie er sein ramponiertes Image wieder auf Vordermann bringen könnte:
Ganz oben auf der Liste der guten Vorsätze: Ich will anfangen, Sport zu treiben und mit einem österreichischen Akzent sprechen.
Humor als Mittel der offensiven Verteidigung gilt in solchen Fällen immer als erfolgreiche Strategie, betont Satiriker Andy Borowitz.
Humor ist immer ganz wichtig. Ich erfinde eigentlich nichts, ich spitze die Realität nur leicht zu und verpasse ihr meine Sichtweise. Auf meiner Webseite berichte ich täglich. Die Leute sagen, wie kannst Du nur solch verrücktes Zeug erfinden. Ich antworte dann: Ich habe nichts erfunden und lasse nur die Realität sprechen, aus meiner Sicht natürlich. Für Humor und Satire wird es immer genug Platz geben. Denn es ist besser zu lachen als zu weinen.
Borowitz hat gerade ein Buch herausgebracht, in dem er das Phänomen "Gouverneur Arnold" zu erklären versucht. Der Actionstar Schwarzenegger, der zum Gouverneur von Kalifornien gewählt wurde, macht sich die Symbiose aus Entertainment und Politik optimal zu Nutze, meint Borowitz.
Arnold Schwarzenegger erinnert uns dauernd daran, dass er ein Filmstar ist. Er würzt seine Rhetorik mit Kommentaren wie "terminating this" und "blowing up". Arnold, finde ich, hat den Zeitgeist erfasst. Dass wir Entertainment lieben, dass wir Entertainment-Junkies sind, wahrscheinlich mehr als Politik-Junkies. Er sagt den Kaliforniern: Schaut her, unser Haushaltsdefizit ist ungeheuer negativ, wir sind pleite, aber, hey, ich bin doch unterhaltsam, und es macht Euch doch allen Spaß, mich im Gouverneursamt zu sehen.
Aufsehen erregte selbst in den USA der Umstand, dass Schwarzenegger seine Kandidatur in der Jay Leno Show ankündigte. Die "Daily Show", eine Satireshow, in der die Nachrichten vom Tage auf ihre Komik hin zerpflückt werden, kalauerte: "Wir alle dachten, dass es ein Witz sei, einen Action-Filmstar zu wählen, aber wenn es ein Witz war, würde Leno ihn dann als Kandidaten einführen?"
Dabei kann die Daily Show, genauso wie die Late-Night-Fernsehunterhaltung, auf eine neue Art von Popularität verweisen: Laut einer aktuellen Untersuchung des Pew Forschungszentrums erhalten mehr und mehr vor allem junge Amerikaner einen Teil ihrer politischen Informationen aus Comedy-Programmen, so Carroll Doherty vom Pew Zentrum.
Was das Informationsverhalten von jungen Leuten angeht, ist dies eine bedenkliche Entwicklung. Denn der Informationsgehalt dieser Sendungen ist gering, man erfährt nicht viel. Sie blenden die Hauptquellen für Wahlkampfinformationen aus und wenden sich stattdessen anderen Quellen zu, nur um unterhalten zu werden. Das ist letztendlich besser als gar nichts, aber es handelt sich vorrangig um Instrumente der Unterhaltung, nicht der politischen Information.
Dem Wahlvolk selbst scheint es nichts auszumachen, dass Entertainer mehr und mehr Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess zu nehmen scheinen, wie ein Wähler in Delaware zu Protokoll gibt.
Ich wünsche mir nur eine intelligente Person, die kluge Entscheidungen trifft. Mit Stars in der Politik wie Schwarzenegger habe ich kein Problem. Es ist mir wichtig, dass er kein Karrierepolitiker ist, sondern ein Schauspieler und Entertainer. Ich mag Leute wie ihn, die unabhängig sind, weil sie sich von keiner Partei und keinem Interessensverband kaufen lassen.
Dass dieser Trend in den USA stärker ist als anderswo, erklärt Politikprofessor Darrell West mit der Struktur des amerikanischen politischen Systems.
In einigen Ländern wählen die Wähler eine Partei, zum Beispiel für die Parlamente. Wenn die Partei viele Stimmen erhält, dann können mehr Mitglieder dieser Partei gewählt werden. In solch einem System haben Stars in der Politik keine Chance, weil es für Stars sehr viel schwieriger ist, die Wähler direkt um Unterstützung zu bitten. Die Parteien haben eine Art Wächterfunktion und legen fest, wer Kandidat wird. In den USA ist das Parteiensystem schwächer. Politik ist hier sehr viel mehr personalisiert. Wer deshalb reich und berühmt ist, kann die Parteiführung problemlos umgehen und für ein Amt kandidieren. Man muss in den USA nicht 10 oder 15 Jahre lang Politiker gewesen sein und sich nicht jahrelang von der Parteibasis nach oben durcharbeiten, um eine politische Karriere zu machen. Im Prinzip kann man seinen eigenen Reichtum und seinen Bekanntheitsgrad einsetzen, um direkt für das Amt eines Gouverneurs, eines Senators oder auch des Präsidenten der Vereinigten Staaten zu kandidieren.
Die Anfänge dieser Entwicklung gehen zurück bis ins 19. Jahrhundert. Zu dieser Zeit kamen bekannte Persönlichkeiten eher aus dem militärischen Bereich, wie etwa Generäle, die erfolgreich an der Seite des ersten Präsidenten, George Washington, gekämpft hatten. Doch während damals die Stars der Stunde immerhin aus dem öffentlichen Sektor kamen, sind es heute politisch völlig unerfahrene Persönlichkeiten, betont West.
Früher musste man in einer Partei beginnen, für ein Amt in der Gemeinde oder im Bezirk kandidieren, sich im Verlauf der nächsten 10, 15 Jahre einen Namen machen, und konnte dann ein höheres Amt anvisieren. Dies änderte sich in den 60er Jahren, als ein Ex-Filmstar sich für Politik interessierte und zum Gouverneur von Kalifornien gewählt wurde - Ronald Reagan. Das ganze öffnete die Tore für viele Stars, sich politisch mehr zu engagieren. Seitdem ist die Zahl von Stars, die politische Ämter anstreben, stark angewachsen. Und die meisten von ihnen gewinnen! Arnold Schwarzenegger ist nur das jüngste Beispiel. Die letzten drei Jahrzehnte in den USA sind angefüllt mit Schauspielern, Athleten und Astronauten, die für ein öffentliches Amt kandidierten.
Ein Zielobjekt satirischer Kreativität ist Hillary Clinton, die Gattin des früheren Präsidenten, die viele wegen ihres Einflusses gern als Präsidentschaftskandidatin sehen würden.
In einem Sketch der Polit-Comedyshow "Saturday Night Live" wird sie als Doyenne der amerikanischen Politik dargestellt, die bereits ein Schattenkabinett aus engagierten Stars zusammengestellt hat, darunter der Schauspieler Tom Hanks, Golfstar Tiger Woods und Altrocker Bruce Springsteen.
Doch Hillary Clinton gilt trotz ihrer Popularität als spröde und trocken, mit wenig eigenem Unterhaltungswert. Damit sitzt sie mit den meisten demokratischen Kandidaten des Frühjahrsrennens in einem Boot, meint Darrell West.
Der Unterhaltungswert der Kandidaten der Demokraten ist nicht besonders groß. Keiner von ihnen ist besonders lustig oder charismatisch. Folglich bemühen sie sich um Glanz und Glamour, indem sie Stars zu ihren Wahlkampfauftritten hinzuziehen. Die Amerikaner wollen auch in der Politik unterhalten werden. Die alte Grenze zwischen Entertainment auf der einen Seite und Politik und Nachrichten auf der anderen Seite ist in den USA längst verschwunden. Dasselbe gilt für die Grenze zwischen Hollywood und Washington. Sie existiert nicht mehr. So kommt es, dass ein Kandidat, der sehr klug und selbstbewusst, aber wenig unterhaltsam ist, in den USA keine besonders guten Siegeschancen hat.
Weil in den USA die größten Stars oft aus dem Sport kommen, werden auch die Football- oder Baseballgrößen von Politikern umworben. Wer mit Sportlern locker umgehen kann, der macht auch bei den Wählern Punkte, sagt der frühere Clinton-Berater Paul Begala.
Wir wollten zeigen, dass Clinton gerne mit den Jungs zusammen ist und dass er zu diversen Football-Veranstaltungen geht. Man muss deutlich machen, dass man mit den Leuten umgehen kann und ihre Sprache spricht. Armer Präsident Nixon, der zwar auch ein großer Football-Fan war, aber immer bloß steif daherkam. Mit dem lockeren Clinton war das immer eine Nachricht wert, und es half ihm wirklich weiter. Es macht einen nicht unerheblichen Anteil am Wahlerfolg aus, wenn man einen Draht zum einfachen Mann auf der Strasse findet.
Sport ist für Amerikaner wie eine Religion. Einen bekannten Baseball-Spieler nach seiner Meinung zu den New York-Yankees zu fragen ist schon immer eine ganz normale Sache gewesen. Aber hier in den USA wird er auch nach seiner Meinung über Politik und Politiker befragt. Sport steht nicht im Ruf, korrupt zu sein, weil Sport unabhängig vom politischen Prozess abläuft. Deshalb gibt es jetzt zunehmend Versuche, Sportlerpersönlichkeiten für Wahlkampfauftritte mit Kandidaten zu rekrutieren. Republikaner und Demokraten bemühen sich um solche Stars im selben Masse.
Dass Politik und Unterhaltung heute untrennbar miteinander verbunden sind, ist spätestens seit dem Wahlsieg von Ronald Reagan klar. Reagans Inauguration brachte in der Medienbranche eine weitere geniale Idee hervor: Die besten Kampagnenmanager des Landes sollten auf Anregung des Magazins "Vanity Fair" hin einen PR-Feldzug für Jesus Christus gestalten - falls er auf die Erde zurückkehren sollte. Ein Redenschreiber entwarf den obligatorischen Monolog für "Saturday Night Live", eine Topdesignerin ein passendes Kostüm. Die Rückkehr Jesu´ wäre ein gigantisches Medienspektakel, prophezeit Darrell West.
Es gäbe eine umfassende Fernsehberichterstattung, es wäre, als würde ein Rockstar auftreten. Und vor seiner Rückkehr würde eine große Marketing-Kampagne ablaufen. Amerikaner glorifizieren und vergöttern ihre Stars. Elvis Presley ist dafür das beste Beispiel. Der Mann starb jung, er war ein guter Musiker, und heute ist sein Haus in Graceland sprichwörtlich eine Pilgerstätte. Dass Menschen so denken und empfinden, zeigt, in welche Richtung sich die amerikanische Kultur bewegt hat.