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Politik auf der Bühne

Zum zweiten Mal findet derzeit das israelische Theaterfestival "International Exposure of Israeli Theatre" statt: in Tel Aviv, Jerusalem und Acco. Das Festival will aktuelle Produktionen auch einem internationalen Publikum vorstellen, und dieses Publikum reist auch zuhauf an, denn israelisches Theater nimmt immer schon überaus deutlich teil am öffentlichen Diskurs und spart dabei auch politische Themen nicht aus.

Moderation: Karin Fischer |
    Karin Fischer: In diesem Jahr haben die Israelis nicht nur Selbstmordanschläge, sondern einen veritablen Krieg gesehen; Frage an Christian Gampert: Ist diese neue Lage, also der Krieg im Libanon und diese merkwürdige Ruhe nach dem Sturm, die wir jetzt gerade erleben, schon in die Produktionen eingeflossen?

    Christian Gampert: Na ja, die Zeit zum Reagieren war relativ kurz. So eine Theaterproduktion braucht ja Zeit, und ein neues Stück zu schreiben, da braucht man schon ein bisschen einen längeren Atem. Ich habe den Eindruck, wenn ich die Produktionen anschaue, die neu herausgekommen sind, dass hier so eine Art Ratlosigkeit, vielleicht auch Schreckensstarre eingesetzt hat, weil zum Teil auch die linken Intellektuellen für diesen Krieg waren, weil man sah, man kommt daran nicht vorbei. Auf der anderen Seite möchte man ihn eigentlich nicht führen, und man befindet sich da in einer ganz merkwürdigen Situation.

    Das zeigt sich eben dann auch auf den Bühnen. Ein Symptom dafür ist etwa die Inszenierung von Ilan Ronen, der Lars Noréns "Krieg" an der HaBima, an der Nationaloper, er ist der Direktor der Nationaloper und des Nationaltheaters. Das ist eine ganz moralische naturalistische Inszenierung, ein Mann kommt blind aus dem Krieg heim und hat keine Position mehr zu Hause. Das Stück geht eigentlich auf den Jugoslawienkrieg in den neunziger Jahren zurück. Man beschwört die Schrecklichkeit des Krieges, und viel mehr kommt dann nicht. Man geht so ein bisschen gequält aus dem Theater raus, weil man eigentlich nichts Neues erfahren hat, aber man hat so den Eindruck, die Israelis wollen sich züchtigen dafür, dass sie einen Krieg geführt haben, den sie für notwendig halten, den sie aber eigentlich nicht wollen, und dann beschwört man eben noch einmal moralisch, wie schlimm es ist, Krieg zu führen.

    Fischer: David Grossmann, der israelische Schriftsteller, der zwei Tage vor Ende des Libanonkrieges seinen zwanzigjährigen Sohn Uri verloren hat, hat ja mit harten Worten damals gegen die Regierung Olmert nicht gespart. Andererseits - Sie haben das schon beschrieben - gibt es derzeit nicht mal den Ansatz einer Lösung für den Konflikt mit den Palästinensern, und auch die Friedensbewegung ist deutlich geschwächt schon seit längerem. Wo positionieren sich die Künstler und die Theaterleute?

    Gampert: Natürlich immer noch links, immer noch ganz links. Also David Grossmann, glaube ich, hat sich total zurückgezogen, der ist sehr melancholisch, der kommt fast nicht mehr aus dem Haus. Das Gesher-Theater spielt immer noch seinen "Momik", der auf den Holocaust Bezug nimmt, aber das politische Theater, also zum Beispiel das Arab-Hebrew-Theatre in Jaffa , das kritisiert natürlich immer noch die israelische Politik. "Qalandia" heißt das Stück, was sie jetzt neu gemacht haben. Das geht dokumentarisch auf Vorfälle an den Checkpoints ein, Kalandia ist ein Checkpoint zur Westbank, und da zeigt man eben, wie israelische Soldaten Palästinenser schlecht behandelt. Das kann man nun gut finden oder auch nicht, wie das dokumentarisch da relativ brutal dargeboten wird. Inszeniert ist es übrigens von Nola Chilton, einer Frau, die Schauspiellehrerin von Marlon Brando und Dustin Hoffmann war. Solche Leute gibt es hier, und die machen dann ihr dokumentarisches, im Grunde agitatorisches Theater. Ich finde das alles ein bisschen flach, um ehrlich zu sein, weil natürlich gibt es überall Übergriffe und schlechte Behandlung von Palästinensern. Auf der anderen Seite, wenn da jemand ohne Papiere durch den Checkpoint will, was soll man denn machen, soll man sagen, komm einfach so durch? Also so einfach ist es nicht, aber sie sind völlig moralisch überzeugt davon, dass man quasi das Theater als "Human Rights Watch" hier jetzt benutzen muss, dass man so eine Art Menschenrechtsorganisation ist als Theater, das der eigenen Regierung auf die Finger hauen muss.