Ramme: Was zur allgemeinen Verunsicherung in Hamburg führte, war der massive Aufmarsch der Polizisten, auch Panzerwagen waren dabei. In anderen Bundesländern lagen wohl auch Terrorwarnungen vor, dort wurde verdeckt ermittelt. Der Einsatz in Hamburg – auch ein wenig Show dabei? Was meinen Sie?
Witthaut: Es steht mir nicht zu, diesen Einsatz der Hamburger Polizei dort zu beurteilen. Ich weiß nur, dass die Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir haben sprechen können, diese Maßnahmen für gerechtfertigt halten bei der vorliegenden Erkenntnislage.
Ramme: Inwiefern kann denn die Polizei bei Art und Umfang des Einsatzes mitreden?
Witthaut: Sie übernimmt eine Lagebeurteilung, stellt sie dann dem politisch Verantwortlichen sicherlich in dieser Form vor und dann wird entschieden, es so oder so zu machen.
Ramme: Wenn eine Terrormeldung vorliegt, wie genau ist dann der Ablauf innerhalb der Polizei?
Witthaut: Wir müssen entscheiden, ob die uns vorliegenden Daten ausreichend sind und dann werden die polizeilichen Maßnahmen eingeleitet.
Ramme: Wir leben in der Zeit von Terroranschlägen, in Deutschland bislang gottlob nur Terrorwarnungen. Ist die deutsche Polizei ausreichend gerüstet in Sachen Prävention?
Witthaut: Ich glaube schon, dass wir als Polizei richtig reagieren können. Natürlich haben wir in vielen Dingen die Schwierigkeit, die auf uns einprasselnden Informationen so bewerten zu können, ob wir dann anschließend sagen können, dass diese Maßnahmen für uns ausreichend sind um folgende polizeiliche Maßnahmen einleiten zu können. Dies ist aber oftmals die Schwierigkeit. Wir als Polizei fahren oft zu sogenannten Binnenalarmen und müssen dann dementsprechend anschließend feststellen, dass es eben doch nicht so war, wie es sich angehört hat.
Ramme: Mangelt es Ihnen an Personal oder Gerät?
Witthaut: Ich denke, in dieser Situation wäre die Polizei sicherlich schlecht beraten, wenn sie nicht das entsprechende Personal und Gerät zur Verfügung stellen könnte. Da müssen eben andere Dinge in den Hintergrund treten.
Ramme: Ihr Kollege Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft, hat einmal gesagt, es gäbe in der Tat enorme Engpässe, gerade, was die Terrorprävention betrifft, bei der Polizei.
Witthaut: Selbstverständlich. Wenn man bundesweit alle Maßnehmen zusammenzählt, die mit Terror zu tun haben, dann bedeutet das, dass nicht unerheblich viel an Personal eingesetzt werden muss, um eben zum Beispiel die Spurenlage abzuarbeiten oder andere Maßnahmen zu treffen, präventiv zu ermitteln oder auch Absperrmaßnahmen wie jetzt in Hamburg vornehmen zu können. Das bedeutet, andere Aufgaben werden vernachlässigt. Wir stellen fest, dass die Länder in den letzten Jahren auch im Bereich der Polizei massiv in den letzten Jahren abgebaut haben und deswegen darf Polizei in so einer Situation von der Politik missbraucht werden. Unser Auftrag ist, für die innere Sicherheit in unserem Lande zu sorgen.
Ramme: Bleibt da so viel liegen bei Ihnen auf den Dienststellen?
Witthaut: Ja, wenn Sie sich jetzt zum Beispiel vorstellen, dass die Kolleginnen und Kollegen dort in Hamburg nun tatsächlich rund um die Uhr das Bundeswehrkrankenhaus in der von Ihnen angegebenen Größenordnung jetzt auch noch Wochen weiter bewachen müssten, dann bedeutet es, sie werden von anderen Dingen abgezogen und der tagtägliche normale Dienst leidet darunter.
Ramme: Bundesinnenminister Schily behauptet, es gäbe keine konkrete Gefährdung über die allgemeine Gefahrenlage hinaus. Schieben Sie das Thema Terror nach vorne als Argument gegen den Stellenabbau?
Witthaut: Nein, wir als Gewerkschaft der Polizei sind mit Sicherheit nicht so verantwortungslos, solche Situationen auszunutzen, sondern wir erkennen hier Informationen und Hinweise aus dem Bereich des Bundeskriminalamtes und -verfassungsschutzes und wenn das die beiden Institutionen sind, die und beliefern mit Hinweisen beliefern zu diesem Thema, dann muss man diese ernst nehmen, bewerten und anschließend zu Maßnahmen kommen.
Ramme: Wie ist es denn um die Motivation bestellt in den Reihen der Polizei? Da wird etwa ein Terrorverdächtiger freigelassen, der im Zusammenhang mit den Ereignissen des 11. September steht.
Witthaut: Diese Situation erscheint uns, die wir nicht tagtäglich in dieser Materie sind, sicherlich genauso wie Ihnen, völlig unmissverständlich. Wir haben sehr große Zweifel daran und halten das Verfahren in dieser Form, wie es zwischen Bundesanwaltschaft und Richter dort abgelaufen ist, schon für sehr eigenartig. In dieser Situation muss man im Nachhinein sehr genau untersuchen, warum es gelaufen ist, wie es gelaufen ist.
Ramme: Und wie ist es dann um die Motivation bei der Polizei bestellt?
Witthaut: Unsere Kolleginnen und Kollegen schütteln dann auch immer mit dem Kopf, denn wir versuchen nicht nur, Straftaten aufzuklären, sondern auch Gefahren abzuwehren und erwarten natürlich auch, dass man dann eben mit den vorliegenden Erkenntnissen auch die vernünftigen polizeilichen Maßnahmen treffen kann. Wenn man anschließend erkennt, dass man umsonst gearbeitet hat, ist es schon sehr ärgerlich.
Ramme: Sind Ihrer Ansicht nach schärfere Gesetze für den Anti-Terror-Kampf nötig aus der Sicht des Praktikers?
Witthaut: Wir haben bisher bei den Sicherheitspaketen 1, 2 und 3, die verabschiedet und in den Ländern noch ein bisschen modifiziert wurden, oft festgestellt, dass es Makulatur ist. Dass also die Dinge, die dort genannt sind, überhaupt nicht greifen. Wir halten auch etwa zum Thema Kronzeugenregelung dort diese Diskussion für führbar, wir müssen in der Bundesrepublik Deutschland wiederum zu anderen Mitteln greifen, um eben auch vor dem doch sich in der Welt befindlichen Terrorismus vernünftig agieren und dementsprechend auch die innere Sicherheit für unser Land leisten zu können.
Ramme: Es gibt Verunsicherung in der Bevölkerung, Flüge in die USA werden gestrichen, dann hat man den Eindruck, der Terror käme inner näher, siehe Türkei. Wie reagieren Ihre Kollegen, gibt es so etwas wie eine steigende Nervosität, hat man die Angst, dass es tatsächlich mal zu einem Terroranschlag in Deutschland kommen wird?
Witthaut: Meine Kolleginnen und Kollegen bewerten die Informationen, die sie auf dem normalen Dienstwege bekommen, mittlerweile sehr genau. Sie versuchen auch selber, Hintergrundinformationen zu bekommen, um dann feststellen zu können, was richtig ist und was nicht. Generell ist feststellbar, dass wir in punkto Eigensicherung sehr viel intensiver Kolleginnen und Kollegen in der Diskussion erleben, die sich mittlerweile auch sehr viel genauer Gedanken darüber machen, zu welchem Einsatz sie gerufen werden und wie sie dann zu diesem hinfahren.
Ramme: Gibt es so etwas wie eine psychologische Vorbereitung auf mögliche Anti-Terror-Einsätze?
Witthaut: Auch dies ist von Land zu Land sehrt unterschiedlich. Bei den vorhandenen Spezialeinheiten auf jeden Fall, auch in den Bereichen der Bereitschaftspolizei wird das mittlerweile sehr intensiv geprobt. Auf der anderen Seite ist es so, dass sie mittlerweile im tagtäglichen Dienst so wachsam sein müssen, sie müssen sehr genau und sicher mit den Eigensicherungsmaßnahmen umgehen können, damit all dies ausgeschlossen werden kann.
Ramme: Vielen Dank. Das war Bernhard Witthaut, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei.
Witthaut: Bitteschön.
