Karin Fischer: Es gibt einen neuen "Spiegel" für Kinder. Das Nachrichtenmagazin will oder muss sich, wie andere Medien auch, um die Leserinnen und Leser von morgen kümmern und hat ein Heft herausgebracht, das heißt "Dein Spiegel", Unterzeile "Die Welt verstehen!". Auf dem Titelbild zerren Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel im Königsnerz an einer Krone, beide übrigens wie in einem Kasperletheater von einem Vorhang umrahmt, und diese Titelgeschichte heißt dann auch offiziell "Das Wahltheater".
Der Chefredakteur des Deutschlandfunks, Stephan Detjen, hat den Kinderspiegel für uns durchgesehen. Herr Detjen, würden Sie das mit dem Wahltheater als kindgerechte Aufmachung sehen oder ist den Zeitungsmachern da doch der lange Jahre erprobte ironische Zugriff in die Quere gekommen?
Stephan Detjen: Also Frau Fischer, Sie haben das ja ganz plastisch geschildert, wie das aussieht, und mich hat das zunächst mal an einen richtigen "Spiegel", an den "Spiegel" für die Großen erinnert, das Titelbild könnte da eigentlich ganz genau so drauf sein. Als ich das gesehen hab, hab ich mir gedacht, das ist eigentlich aus zwei Gründen ein problematischer Titel: Zum einen ist es so ein Versuch, die Erwachsenenwelt, die streitenden Politiker zu verkindlichen, so auf die Kasperlbühne zu stellen, und ich glaub nicht, dass sich Kinder davon übertölpeln lassen. Und zum Zweiten ist die Botschaft ja auch problematisch: Was ist Politik? Das ist so etwas Kasperltheaterhaftes, das ist eigentlich auch eine Erwachsenenthese. Und ich glaub, dass Kinder einen ganz originären Zugang nicht zu Politik, so wie wir sie verstehen, haben, aber zum Politischen, dass Kinder auf eine ganz eigene Art politisch sind oder sein können, auch sein wollen, aber ich glaube nicht, dass das damit erfasst wird.
Fischer: Die Berufsbeschreibung der Bundeskanzlerin gehört auch in diesen Rahmen, obwohl sie sich auf der anderen Seite überzeugend angehört – alles wird ihr nämlich in Mappen schon vorgearbeitet auf den Schreibtisch gelegt und sie begegnet ständig Leuten, die andere nur aus dem Fernsehen kennen. Nur alleine baden gehen darf sie nicht. Ist das für Neun- bis Zwölfjährige nicht auch ein bisschen zu sparwitzig?
Detjen: Na ja, ich weiß nicht, ob das witzig gemeint war. Es ist halt erkennbar ein Versuch, Kindern eine Rampe hinzulegen in die Welt der Politik, so wie wir sie wahrnehmen, und das als Maßstab für das Politische zu nehmen. Dann ist es sicherlich auch eine Rampe hin zum "Spiegel" für Große, ein Versuch, Leserkreise zu erschließen. Manche Geschichten, die ich hier gelesen hab, sind auch Geschichten, die dann – böse gesagt – recycelt wurden, die wir vor Wochen im großen "Spiegel" gelesen haben, die jetzt hier noch mal auftauchen.
Also ich glaub, dass Kinder ein ganz originäres Bedürfnis haben, ihre Welt zu gestalten, sich zu fragen, wie kann ich die Welt, wie kann ich mein Schicksal beeinflussen, auch darüber zu streiten. Aber das ist eben nicht einfach die Welt der Erwachsenenpolitik, die man dann einfach, indem man sie in Kasperlpuppen kleidet, runterbrechen kann für Kinder.
Fischer: Im Bereich Natur und Technik werden Geschichten natürlich schon anders erzählt. Zum Beispiel berichten Eskimos, "Hilfe, mein Dorf versinkt im Meer", oder man präsentiert den Mageninhalt eines verendeten Seevogels, der aus lauter verschluckten Plastikteilen bestand. Da sind Umweltthemen ja wirklich mal plastisch aufbereitet.
Detjen: Ja, das sind ja die klassischen Themen, anhand derer Kinder und Jugendliche auch politisch werden – eine Umwelt. Von daher fand ich's gar nicht so originell. Auch in den Teilen, wo dann wirklich klassisch erklärt wird, hat es mich erinnert an manches, was ich so von der Bundeszentrale für politische Bildung kenne, allerdings schon einige Jahre hinterher. Und wenn man sieht, was die zum Beispiel als Experten für Politikvermittlung auch an Kinder und Jugendliche heute machen, dann sind das noch mal ganz andere Dimensionen. Also da gibt es Publikationen für Jugendliche, "fluter", sehr stark online-gestützt auch, die einen sehr jugendaffinen Zugriff bieten. Und gerade in diesen Tagen ist auch von der Bundeszentrale für politische Bildung ein Onlineportal eröffnet worden für Kinder, "HanisauLand.de" heißt das, wo wirklich dann sehr einfach, aber sehr klar eben auch politische Begriffe erklärt werden. Es ist eigentlich ein Erklärportal für Kinder und von daher direkter, einfacher, aber auch, finde ich, ehrlicher als das, was wir hier vom "Spiegel" bekommen haben.
Fischer: Was ist Ihr Fazit zu dieser einmaligen Ausgabe, die es ja bis jetzt noch ist – einfach nur ein überflüssiges Organ?
Detjen: Ja, ich glaub nicht, dass das überflüssig ist. Das ist ein Verlag, der muss hart rechnen, der hat 150.000 Exemplare von diesem Produkt gedruckt, in einen Markt hineingeworfen, der auch umkämpft ist. "Geo" hat eine Kinderausgabe, zwei Kinderausgaben, "GEOlino", "GEOmini", gerade erst erschienen. Gleichzeitig sehen wir, dass auf diesem Printmarkt für Kinder Titel verschwinden. "Fix und Foxi", das kennen wir noch alle aus unserer Jugend, das ist gerade vor ein paar Wochen eingestellt worden. Also das ist eine wirtschaftlich einerseits sehr interessante, aber sicherlich auch riskante Entscheidung, auf einen solchen Markt zu setzen, Kindern so etwas anzubieten zum Preis von 3,40 Euro. Also meine Kinder können das nicht aus der Taschengeldkasse bezahlen.
Fischer: Herzlichen Dank an Stephan Detjen, den Chefredakteur des Deutschlandfunks, für diese Einschätzung des "Spiegel"-Kindermagazins.
Der Chefredakteur des Deutschlandfunks, Stephan Detjen, hat den Kinderspiegel für uns durchgesehen. Herr Detjen, würden Sie das mit dem Wahltheater als kindgerechte Aufmachung sehen oder ist den Zeitungsmachern da doch der lange Jahre erprobte ironische Zugriff in die Quere gekommen?
Stephan Detjen: Also Frau Fischer, Sie haben das ja ganz plastisch geschildert, wie das aussieht, und mich hat das zunächst mal an einen richtigen "Spiegel", an den "Spiegel" für die Großen erinnert, das Titelbild könnte da eigentlich ganz genau so drauf sein. Als ich das gesehen hab, hab ich mir gedacht, das ist eigentlich aus zwei Gründen ein problematischer Titel: Zum einen ist es so ein Versuch, die Erwachsenenwelt, die streitenden Politiker zu verkindlichen, so auf die Kasperlbühne zu stellen, und ich glaub nicht, dass sich Kinder davon übertölpeln lassen. Und zum Zweiten ist die Botschaft ja auch problematisch: Was ist Politik? Das ist so etwas Kasperltheaterhaftes, das ist eigentlich auch eine Erwachsenenthese. Und ich glaub, dass Kinder einen ganz originären Zugang nicht zu Politik, so wie wir sie verstehen, haben, aber zum Politischen, dass Kinder auf eine ganz eigene Art politisch sind oder sein können, auch sein wollen, aber ich glaube nicht, dass das damit erfasst wird.
Fischer: Die Berufsbeschreibung der Bundeskanzlerin gehört auch in diesen Rahmen, obwohl sie sich auf der anderen Seite überzeugend angehört – alles wird ihr nämlich in Mappen schon vorgearbeitet auf den Schreibtisch gelegt und sie begegnet ständig Leuten, die andere nur aus dem Fernsehen kennen. Nur alleine baden gehen darf sie nicht. Ist das für Neun- bis Zwölfjährige nicht auch ein bisschen zu sparwitzig?
Detjen: Na ja, ich weiß nicht, ob das witzig gemeint war. Es ist halt erkennbar ein Versuch, Kindern eine Rampe hinzulegen in die Welt der Politik, so wie wir sie wahrnehmen, und das als Maßstab für das Politische zu nehmen. Dann ist es sicherlich auch eine Rampe hin zum "Spiegel" für Große, ein Versuch, Leserkreise zu erschließen. Manche Geschichten, die ich hier gelesen hab, sind auch Geschichten, die dann – böse gesagt – recycelt wurden, die wir vor Wochen im großen "Spiegel" gelesen haben, die jetzt hier noch mal auftauchen.
Also ich glaub, dass Kinder ein ganz originäres Bedürfnis haben, ihre Welt zu gestalten, sich zu fragen, wie kann ich die Welt, wie kann ich mein Schicksal beeinflussen, auch darüber zu streiten. Aber das ist eben nicht einfach die Welt der Erwachsenenpolitik, die man dann einfach, indem man sie in Kasperlpuppen kleidet, runterbrechen kann für Kinder.
Fischer: Im Bereich Natur und Technik werden Geschichten natürlich schon anders erzählt. Zum Beispiel berichten Eskimos, "Hilfe, mein Dorf versinkt im Meer", oder man präsentiert den Mageninhalt eines verendeten Seevogels, der aus lauter verschluckten Plastikteilen bestand. Da sind Umweltthemen ja wirklich mal plastisch aufbereitet.
Detjen: Ja, das sind ja die klassischen Themen, anhand derer Kinder und Jugendliche auch politisch werden – eine Umwelt. Von daher fand ich's gar nicht so originell. Auch in den Teilen, wo dann wirklich klassisch erklärt wird, hat es mich erinnert an manches, was ich so von der Bundeszentrale für politische Bildung kenne, allerdings schon einige Jahre hinterher. Und wenn man sieht, was die zum Beispiel als Experten für Politikvermittlung auch an Kinder und Jugendliche heute machen, dann sind das noch mal ganz andere Dimensionen. Also da gibt es Publikationen für Jugendliche, "fluter", sehr stark online-gestützt auch, die einen sehr jugendaffinen Zugriff bieten. Und gerade in diesen Tagen ist auch von der Bundeszentrale für politische Bildung ein Onlineportal eröffnet worden für Kinder, "HanisauLand.de" heißt das, wo wirklich dann sehr einfach, aber sehr klar eben auch politische Begriffe erklärt werden. Es ist eigentlich ein Erklärportal für Kinder und von daher direkter, einfacher, aber auch, finde ich, ehrlicher als das, was wir hier vom "Spiegel" bekommen haben.
Fischer: Was ist Ihr Fazit zu dieser einmaligen Ausgabe, die es ja bis jetzt noch ist – einfach nur ein überflüssiges Organ?
Detjen: Ja, ich glaub nicht, dass das überflüssig ist. Das ist ein Verlag, der muss hart rechnen, der hat 150.000 Exemplare von diesem Produkt gedruckt, in einen Markt hineingeworfen, der auch umkämpft ist. "Geo" hat eine Kinderausgabe, zwei Kinderausgaben, "GEOlino", "GEOmini", gerade erst erschienen. Gleichzeitig sehen wir, dass auf diesem Printmarkt für Kinder Titel verschwinden. "Fix und Foxi", das kennen wir noch alle aus unserer Jugend, das ist gerade vor ein paar Wochen eingestellt worden. Also das ist eine wirtschaftlich einerseits sehr interessante, aber sicherlich auch riskante Entscheidung, auf einen solchen Markt zu setzen, Kindern so etwas anzubieten zum Preis von 3,40 Euro. Also meine Kinder können das nicht aus der Taschengeldkasse bezahlen.
Fischer: Herzlichen Dank an Stephan Detjen, den Chefredakteur des Deutschlandfunks, für diese Einschätzung des "Spiegel"-Kindermagazins.