"Demokratie ist heute, man mag es wollen oder nicht, es ist aber einmal so, nur mit einer gewissen politischen Bildung zu verwirklichen."
Wenn Otto Suhr über Begriffe wie Demokratie oder Freiheit sprach, dann äußerte er sich quasi in doppelter Funktion: als Wissenschaftler und als Politiker. Suhr ist einer der wenigen Deutschen, die Politik in Theorie und Praxis betrieben und in beiden Bereichen großes Ansehen genossen.
Geboren 1894 in Oldenburg, studierte er Volkswirtschaft, Geschichte und Zeitungswissenschaft, fand als Student zur Sozialdemokratie und begann seine berufliche Laufbahn als politischer Sekretär beim Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund. 1933 wurde er zwangsläufig arbeitslos und schlug sich als freier Autor der "Frankfurter Zeitung" durchs Leben. Er gehörte dem Widerstandskreis um Adolf Grimme an und konnte rechtzeitig untertauchen, als ihn die Gestapo gegen Ende des Krieges verhaften wollte.
1946 zog Otto Suhr für die SPD in die Berliner Stadtverordnetenversammlung ein. Als Vorsteher des Landesparlaments erlebte er die Spaltung der politischen Gremien. Im Sommer 1948 störten kommunistische Demonstranten wiederholt die Parlamentsdebatten. Am 6. September stürmten sie den Sitzungsort, das Neue Stadthaus im Ostteil der Stadt.
"Wie üblich haben wir unseren Platz oben auf der Pressetribüne eingenommen. Es ist das Bild wie bei jeder Stadtverordnetenversammlung der letzten Wochen. Hunderte von Demonstranten haben sich unten auf der Straße eingefunden, haben mit Hilfe eines großen eisernen Tisches die Gitter durchstoßen und sind in das Gebäude eingedrungen. Der Saal unten ist jetzt auch wie bei den letzten Malen vollbesetzt mit Demonstranten. Was ist denn hier los?"
Otto Suhr sah sich gezwungen, die Sitzung in den Westteil der Stadt zu verlegen, in das Studentenhaus der Technischen Universität in Charlottenburg:
"Parlamente sind keine Massenversammlungen, sondern in der ganzen Welt der geschützte Ort für Rede und Gegenrede gewählter Vertreter. Wer das Parlament unter Druck setzt, leugnet den Grundsatz der Demokratie."
Nur die SED-Mitglieder blieben im Ostsektor Berlins und konstituierten dort eine eigene Vertretung. Die politische Teilung der Stadt war damit vollzogen. Otto Suhr blieb Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung und wurde nach den folgenden Wahlen, die nur noch im Westteil Berlins stattfanden, Präsident des Abgeordnetenhauses. Zugleich gehörte er 1948/49 dem Parlamentarischen Rat an und war damit einer der Väter des Grundgesetzes.
Neben seiner parteipolitischen Tätigkeit wirkte Suhr von 1948 bis 1955 als Direktor der Deutschen Hochschule für Politik. So konnte er Wissenschaft und Politik miteinander verbinden. Die private Hochschule war 1920 in Berlin gegründet worden, um in der noch jungen Weimarer Republik die Grundzüge eines demokratischen Gemeinwesens zu vermitteln. Theodor Heuss war ihr erster Direktor. 1933 wurde das Institut von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet. Es war dann Otto Suhr zu verdanken, dass die Hochschule für Politik im Dezember 1948 ihren Lehrbetrieb wieder aufnehmen konnte.
"Trotz vieler Einwände alter Wissenschaften sind wir der Überzeugung, dass die Wissenschaft von der Politik eine zwar junge, verhältnismäßig junge Wissenschaft ist, aber eine Wissenschaft sui generis, eine Wissenschaft eigener Art, die genauso wie die Nationalökonomie oder später die Soziologie ihren Platz erst an der Sonne der Wissenschaften erkämpfen muss."
Anfang 1955 verabschiedete sich Suhr von seiner Hochschultätigkeit, um das Amt des Regierenden Bürgermeisters anzutreten. Nach dem Tod Ernst Reuters hatte er als Spitzenkandidat der Berliner SPD bei den Wahlen im Dezember 1954 die absolute Mehrheit erreicht, auch wenn er nicht unbedingt dem Typus des volksnahen Politikers entsprach.
"Natürlich stehen auch die persönlichen Sorgen und Nöte jedes Einzelnen im Schatten der Politik. Denn schließlich ist die Politik hier in Berlin - das haben wir in den zehn Jahren des Kalten Krieges erfahren - unser aller Schicksal."
1957 wurde Otto Suhr turnusgemäß zum Präsidenten des Bundesrats gewählt. Das Amt konnte er jedoch nicht mehr übernehmen. Er starb am 30. August. Wegen seiner Verdienste wurde die Hochschule für Politik 1958 als Otto-Suhr-Institut in die Freie Universität Berlin eingegliedert.
Wenn Otto Suhr über Begriffe wie Demokratie oder Freiheit sprach, dann äußerte er sich quasi in doppelter Funktion: als Wissenschaftler und als Politiker. Suhr ist einer der wenigen Deutschen, die Politik in Theorie und Praxis betrieben und in beiden Bereichen großes Ansehen genossen.
Geboren 1894 in Oldenburg, studierte er Volkswirtschaft, Geschichte und Zeitungswissenschaft, fand als Student zur Sozialdemokratie und begann seine berufliche Laufbahn als politischer Sekretär beim Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund. 1933 wurde er zwangsläufig arbeitslos und schlug sich als freier Autor der "Frankfurter Zeitung" durchs Leben. Er gehörte dem Widerstandskreis um Adolf Grimme an und konnte rechtzeitig untertauchen, als ihn die Gestapo gegen Ende des Krieges verhaften wollte.
1946 zog Otto Suhr für die SPD in die Berliner Stadtverordnetenversammlung ein. Als Vorsteher des Landesparlaments erlebte er die Spaltung der politischen Gremien. Im Sommer 1948 störten kommunistische Demonstranten wiederholt die Parlamentsdebatten. Am 6. September stürmten sie den Sitzungsort, das Neue Stadthaus im Ostteil der Stadt.
"Wie üblich haben wir unseren Platz oben auf der Pressetribüne eingenommen. Es ist das Bild wie bei jeder Stadtverordnetenversammlung der letzten Wochen. Hunderte von Demonstranten haben sich unten auf der Straße eingefunden, haben mit Hilfe eines großen eisernen Tisches die Gitter durchstoßen und sind in das Gebäude eingedrungen. Der Saal unten ist jetzt auch wie bei den letzten Malen vollbesetzt mit Demonstranten. Was ist denn hier los?"
Otto Suhr sah sich gezwungen, die Sitzung in den Westteil der Stadt zu verlegen, in das Studentenhaus der Technischen Universität in Charlottenburg:
"Parlamente sind keine Massenversammlungen, sondern in der ganzen Welt der geschützte Ort für Rede und Gegenrede gewählter Vertreter. Wer das Parlament unter Druck setzt, leugnet den Grundsatz der Demokratie."
Nur die SED-Mitglieder blieben im Ostsektor Berlins und konstituierten dort eine eigene Vertretung. Die politische Teilung der Stadt war damit vollzogen. Otto Suhr blieb Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung und wurde nach den folgenden Wahlen, die nur noch im Westteil Berlins stattfanden, Präsident des Abgeordnetenhauses. Zugleich gehörte er 1948/49 dem Parlamentarischen Rat an und war damit einer der Väter des Grundgesetzes.
Neben seiner parteipolitischen Tätigkeit wirkte Suhr von 1948 bis 1955 als Direktor der Deutschen Hochschule für Politik. So konnte er Wissenschaft und Politik miteinander verbinden. Die private Hochschule war 1920 in Berlin gegründet worden, um in der noch jungen Weimarer Republik die Grundzüge eines demokratischen Gemeinwesens zu vermitteln. Theodor Heuss war ihr erster Direktor. 1933 wurde das Institut von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet. Es war dann Otto Suhr zu verdanken, dass die Hochschule für Politik im Dezember 1948 ihren Lehrbetrieb wieder aufnehmen konnte.
"Trotz vieler Einwände alter Wissenschaften sind wir der Überzeugung, dass die Wissenschaft von der Politik eine zwar junge, verhältnismäßig junge Wissenschaft ist, aber eine Wissenschaft sui generis, eine Wissenschaft eigener Art, die genauso wie die Nationalökonomie oder später die Soziologie ihren Platz erst an der Sonne der Wissenschaften erkämpfen muss."
Anfang 1955 verabschiedete sich Suhr von seiner Hochschultätigkeit, um das Amt des Regierenden Bürgermeisters anzutreten. Nach dem Tod Ernst Reuters hatte er als Spitzenkandidat der Berliner SPD bei den Wahlen im Dezember 1954 die absolute Mehrheit erreicht, auch wenn er nicht unbedingt dem Typus des volksnahen Politikers entsprach.
"Natürlich stehen auch die persönlichen Sorgen und Nöte jedes Einzelnen im Schatten der Politik. Denn schließlich ist die Politik hier in Berlin - das haben wir in den zehn Jahren des Kalten Krieges erfahren - unser aller Schicksal."
1957 wurde Otto Suhr turnusgemäß zum Präsidenten des Bundesrats gewählt. Das Amt konnte er jedoch nicht mehr übernehmen. Er starb am 30. August. Wegen seiner Verdienste wurde die Hochschule für Politik 1958 als Otto-Suhr-Institut in die Freie Universität Berlin eingegliedert.