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Politiker zwischen Amt und wirtschaftlichem Auftrag

In Sachsen-Anhalt kämpft eine Bürgerinitiative gegen den Bau einer Masthähnchenanlage. Was die Bürger aber noch mehr ärgert als die Anlage selbst, ist der ehemalige Bürgermeister der Stadt. Der gibt sich offen als Gegner der Masttierhaltung, ist aber mit seinem Planungsbüro in das Projekt involviert.

Von Susanne Artl |
    Olaf Schmidt verfrachtet seine Besucher erst einmal ins Auto. Die Fahrt führt über holpriges Kopfsteinpflaster, vorbei an stoppeligen Getreidefeldern und duftenden Wiesen. Wie hingetupft tauchen am Horizont Eichen-, Eschen- und Buchenwaldungen auf. Die Altmark, ein wunderschöner Landstrich. Nach fünfzehn Minuten endet die Fahrt schließlich vor einem Rapsfeld. Olaf Schmidt steigt aus dem Auto.

    Sein Heimatort Schwarzholz liegt nicht weit entfernt. Geht es nach dem Willen eines Investors, sagt Schmidt und zeigt auf den Acker, dann soll hier eine Masthähnchenanlage entstehen. 460.000 Tiere, eingepfercht in acht Ställe. Der Sprecher der Bürgerinitiative rechnet vor.

    "Jeweils 50 bis 55.000 Tiere, die dort eingestellt werden. Die Tiere werden alle in einem Rundgang komplett eingestallt. Wenn er neu anfängt, werden alle acht Ställe komplett neu mit Küken besetzt. Die werden dann alle komplett leer gefahren und alle komplett mit einmal gemistet. Alle sieben, acht Wochen haben wir, auch wenn hier ausgemistet wird, ein Riesengeruchsproblem."

    Im Moment ärgert sich Schmidt aber nicht so sehr über die geplante Hähnchenmastanlage. Vielmehr regt sich der Sprecher der Bürgerinitiative Pro Region über das Vorgehen seines ehemaligen SPD-Bürgermeisters Ralf Bergmann auf. Schmidt sitzt auch im Gemeinderat und hat herausgefunden, dass Bergmanns Planungsbüro ein Gutachten für den Investor der Mastanlage erstellt hat. In dem Papier wurde kartiert, welche Tierarten sich in der Nähe der geplanten Mastanlage aufhalten. Diese Information braucht der Gutachter, der die Umweltverträglichkeitsprüfung für den Investor erstellt. Davon hat Bergmann uns aber nie etwas erzählt, kritisiert Olaf Schmidt und fügt hinzu: Die Arbeit unserer Bürgerinitiative hat er negiert und torpediert. Jetzt wundere es ihn auch nicht mehr, warum sich der Biologe und SPD-Bürgermeister in Sachen Mastanlage immer so neutral geäußert habe.

    "Er hat bloß immer angeführt, was wir nicht tun können. Er hat sich nicht hingestellt und gesagt, Mensch meine Leute, ich teile eure Interessen, ich teile eure Ängste, ich teile eure Nöte. Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten können wir das, das tun. Und das vermissen die Leute hier vor Ort. Das ist das, was er nie gebracht hat."

    Ein bisschen verwundert das schon. Denn klickt man auf die Internetseite des Landesparlamentariers Bergmann, dann erfährt man recht viel darüber, wie sich Bürger gegen große Tierhaltungsanlagen wehren können. Ralf Bergmann ist umweltpolitischer Sprecher der SPD und erklärt stolz: Auf sein Drängen hin habe seine Partei im Landtag durchgesetzt, dass man beim Bau von großen Tierhaltungsanlagen künftig ein umfangreiches Raumordnungsverfahren in Sachsen-Anhalt durchführen muss. Seine Internetbesucher lässt er noch wissen: Falls Sie in Ihrer Region auch Probleme mit großen Tierhaltungsanlagen haben, bin ich gerne Ihr Ansprechpartner. Diesen Eindruck hatten viele Bürger aus Schwarzholz nicht. Was Ralf Bergmann nur bedingt nachvollziehen kann.

    Er müsse für alle Bewohner seiner Gemeinde sprechen, betont er. Es gebe auch Befürworter der Mastanlage – wegen der Arbeitsplätze und der Gewerbesteuereinnahmen. Für den Investor und die Bürgerinitiative sei es aber wohl das Beste, dass er sich bei allen Entscheidungen fortan raus halte. Darum sei er von seinem Bürgermeisterposten zurückgetreten.

    "Ich fühle mich immer noch politisch anständig. Es gibt sehr viele Leute und dazu zähle ich mich auch zu, die sehr viel tun und dabei auch Fehler machen. Das habe ich eingeräumt. Und dennoch glaube ich, dass ich da an dieser Stelle eigentlich nie was Schlechtes vorgehabt hatte und schon davon ausgegangen bin, damit umgehen zu könne."

    Landespolitiker der Oppositionsparteien sehen das anders. Es habe bei dem Projekt an Kommunikation und Transparenz gemangelt, sagen Sprecher von der Linken und Bündnis 90/Die Grünen. Claudia Dalbert, Fraktionschefin der Grünen, betont, Bergmann müsse auch seine Posten als umweltpolitischer Sprecher räumen.

    "Politik lebt von Glaubwürdigkeit und Herr Bergmann hat mit seinem Handeln wiederholt seine Glaubwürdigkeit verspielt. Und das empört mich."

    Die Landtagsfraktion der SPD hat jedoch anders entschieden. Ralf Bergmann soll ihr umweltpolitischer Sprecher bleiben. Dabei hatte die Partei in ihrem Wahlprogramm noch ausdrücklich betont: überdimensionierte Tieranlagen lehnen wir ab. Nicht alle Genossen sind darum mit dieser Entscheidung zufrieden. Eberhard Puls, Sozialdemokrat aus Tangermünde, kennt Ralf Bergmann und sagt über ihn. Er hätte erkennen müssen, dass er sich in einer Zwickmühle befindet. Doch anstatt für seine Fehler gerade zu stehen, säßen er und seine Parlamentskollegen das Problem lieber aus.

    "Wir dürfen nicht vergessen, dass es wieder ein weiterer Baustein ist, die Parteien in ihrem Wirken eben abzulehnen beziehungsweise. gegenüber der Politik mit Unverständnis zu reagieren. Es ist also das Ergebnis dann Politikverdrossenheit, Vertrauensverlust. Die Glaubwürdigkeit hat ein weiteres Mal gelitten. Und das kann unserer Demokratie nicht gut tun."

    Zurück nach Schwarzholz. Wer am Nachmittag durch das Dorf streift, trifft kaum einen Menschen an. Schwarzholz wirkt wie ausgestorben. Doch welche Meinung die Menschen hier zur geplanten Hähnchenmastanlage haben, ist nicht zu übersehen. Vor jedem zweiten Zaun lehnen weiße Kreuze. Protestzeichen. In einem Garten spielt eine junge Frau mit ihren drei Kindern. An ihrem Zaun lehnt kein Kreuz. Ich habe nichts gegen die geplante Mastanlage, sagt sie.

    "Wir wollen alle leben, irgendwo müssen ja die Viecher herkommen."

    Würde man ihr dort einen Job anbieten, die junge Mutter würde sofort zugreifen.

    "Ist dichte bei. Heutzutage muss man nehmen, was man kriegt."