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Politikum
Deutschland als Ehrengast auf der Warschauer Buchmesse

Für ihre Kritik an der rechtskonservativen Regierung Polens erhielt Nobelpreisträgerin Herta Müller bei der Warschauer Buchmesse viel Beifall - aber auch Unmut machte sich breit: Der Auftritt Deutschlands als Ehrengast der Buchmesse gilt als Politikum. In der Branche betont man den literarischen Austausch zwischen beiden Ländern.

Von Florian Kellermann |
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M), seine Ehefrau Elke Büdenbender (l), der polnische Präsident Andrzej Duda (2.v.r.) und dessen Ehefrau Agata Kornhauser-Duda(r) besuchen am 19.05.2017 in Warschau (Polen) auf der Buchmesse den deutsch-polnischen Gemeinschaftsstand.
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, seine Ehefrau Elke Büdenbender (l), der polnische Präsident Andrzej Duda (2.v.r.) und dessen Ehefrau Agata Kornhauser-Duda (r) am 19.05.2017 in Warschau auf der Buchmesse. (dpa/Soeren Stache)
    Herta Müller war sichtbar bemüht, die polnischen Gastgeber nicht vor den Kopf zu stoßen. Langsam und bedächtig formulierte sie, aber in der Sache unnachgiebig. Sie bezog die in Polen amtierende Regierung der rechtskonservativen Partei PiS auf ihre Jugend im kommunistischen Rumänien:
    "Überfütterung mit nationalem Denken oder mit Patriotismus, dem sogenannten, dann Heldentum - das sind alles so Begriffe, die für mich sehr fragwürdig sind. Ich kenne die alle. Ich hab so eine Deja-vu-Erlebnis oft. Wenn ich dann noch lese, wie viele Institutionen von diesen Dingen betroffen sind und dass man immer wieder Leute auswechselt, die angepasst werden, dann erinnert mich das sehr an Ideologie, mit der man durchmarschiert."
    Nobelpreisträgerin Herta Müller zu Gast bei Deutschlandradio Kultur
    Nobelpreisträgerin Herta Müller in einer Aufnahme von 2014. (Foto: Oranus Mahmoodi)
    Aussagen, die in Polen polarisieren. Die meisten im Publikum klatschten Beifall, eine Dame aus Danzig dagegen war außer sich. "Ich fühle mich von ihnen beleidigt", erklärte sie. Es gehe der Partei PiS unter ihrem Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski doch darum, alte kommunistische Seilschaften aufzulösen.
    Der Gastauftritt ist ein Politikum
    Deutschland als Ehrengast auf der Warschauer Buchmesse - das ist heute ein Politikum. In seiner Rede bei der Eröffnung warnte der deutsche Botschafter vor aggressiver Sprache und forderte eine Rückkehr zum echten Dialog.
    Die Literatur könne dabei helfen, meint Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse: "In den letzten Jahren hatte das Interesse an polnischer Literatur abgenommen, und das wächst jetzt gerade wieder. Vielleicht auch eine Folge, dieser kulturellen Krise, die wir haben, dieser gesellschaftspolitischen Krise bei uns wie in Polen."
    Noch deutlich größer sei umgekehrt in Polen das Interesse an deutscher Literatur, so Boos: "Polen ist ein Lizenzmarkt, das ist ein Lizenzkäufer von Übersetzungen ins Polnische. Polen ist für einer der wichtigsten Märkte, interessanterweise nach den asiatischen Märkten, es geht viel nach China oder Korea, dann natürlich Frankreich ist ein wichtiger Markt, aber dann kommt schon Polen."
    Bücher im Fußballstadion
    Die Buchmesse findet im Nationalstadion statt, das vor der Fußballeuropameisterschaft vor fünf Jahren gebaut wurde. Rund um das Spielfeld sind die Stände der Verlage aneinandergereiht, auf mehreren Stockwerken. Die Besucher können sich hier leicht verirren, oder besser: in den Büchern verlieren.
    Auch Bestsellerautorin Charlotte Link war Gast bei der Buchmesse, morgen lädt der Ehrengast Deutschland den ukrainischen Schriftsteller Jurij Andruchowitsch ein. Der wohl intimste Polenkenner im deutschen Aufgebot ist Artur Becker. Der Schriftsteller wuchs in den Masuren auf und kam erst mit 17 nach Deutschland.
    Die polnische Regierung unterstützt nationalkonservative Autoren
    Becker hat beobachtet, wie die polnische Regierung auch auf dem Buchmarkt Politik betreibt und über das staatliche "Institut des Buches" nationalkonservative Autoren unterstützt:
    "Man kann nicht ideologische Autoren weltweit den westlichen Verlagen anbieten, denn am Schluss entscheiden doch die ausländischen Verlage, wer gekauft wird und wer nicht, als Lizenz. Das funktioniert so nicht. Das ist misslungen. Es ist sehr schade, dass man an wichtigsten Positionen wichtige Menschen, die sehr gute Kompetenzen haben, ausgetauscht hat."
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Der Schriftsteller Artur Becker. (dpa / Karlheinz Schindler)
    Hitzige Debatten zwischen rechter und linker Presse
    Allerdings warnt Artur Becker davor, das Bild des heutigen Polens zu einseitig zu zeichnen. Dezidiert regierungskritische Zeitungen und Zeitschriften könnten ungehindert erscheinen - und lieferten sich publizistische Schlachten mit der rechtskonservativen Presse. Auch ausgewogene Medien gebe es. In bestimmter Hinsicht - ein Glücksfall:
    "Die Literatur braucht Unruhe. Dann gibt es Stoff zum Schreiben, dann gibt es Stoff, den man attraktiv darstellen kann. Insofern erwarte ich, dass in den nächsten Jahren Romane kommen werden, dass Schicksale beschrieben werden, Menschen, die ihre Jobs verloren haben bei den staatlichen Medien. Das allein ist schon ein guter Stoff, um einen Roman zu schreiben."