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Politikum um den Papst im Bundestag

Papst Benedikt XVI. soll vor dem Bundestag sprechen. Als Staatsoberhaupt des Vatikan-Staates erscheint das legitim - doch Kritiker sehen Benedikts Papst-Amt als Verstoß gegen den Grundsatz des Plenums, Staat und Kirche zu trennen.

Von André Bochow | 03.02.2011
    Thomas Gottschalk wetterte in der BILD am Sonntag was das Zeug hielt. "Für alles gäbe es einen Verhinderungsparagrafen" schimpfte er und fügte hinzu, genau daran würde Deutschland derzeit scheitern, dass Dinge nicht möglich seien, die eigentlich möglich sein sollten. Das war im Jahre 2003, als der Entertainer versuchte, eine verlorene Wette einzulösen. Sein Einsatz: eine - seine - Rede im Bundestag. Politiker und Politologen reagierten empört. Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse aber blieb gelassen. Er verwies auf die Regeln des Bundestages. Herr Gottschalk sei ja ein sympathischer Mann, versicherte Thierse. Trotzdem könne er ihm nicht helfen. Dann gab er noch folgenden Rat.

    "Entweder er bewirbt sich um ein Bundestagsmandat, oder er wird Chef eines der bedeutenden Staaten dieser Welt."

    Ganz so streng wurden die Bestimmungen aber nie ausgelegt. Von den 31 Rednerinnen und Rednern, die der Bundestag offiziell als ausländische Gäste im Plenum führt, waren gerade mal elf zum Zeitpunkt ihrer Rede tatsächlich Staatsoberhaupt. Rechnet man Kofi Anan heraus, übrigens der einzige UNO-Generalsekretär, der vor dem Bundestag sprach, und ist man bei George Bush Senior und Michail Gorbatschow großzügig, weil sie immerhin mal Staatschefs waren, so bleibt doch die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Redner aus Schriftstellern, Historikern oder ausländischen Parlamentariern bestand.

    Nun aber spricht zum ersten Mal ein Papst. Dessen Rolle als Staatsoberhaupt erwähnen weder Freunde noch Feinde seines Bundestagsbesuches. Für alle ist klar: Im Bundestag wird das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche sprechen. Rolf Schwanitz, der ehemalige Aufbau-Ost-Beauftragte der Schröder-Regierung und jetziger SPD Bundestagsabgeordneter lehnt deshalb den Redeauftritt Benedikt VI. ab.

    "Der wichtigste Grund ist aus meiner Sicht, dass dem Vertreter einer speziellen Glaubensrichtung nicht derart das Podium geboten werden sollte. Das wirft viele Fragen auf, für die Verquickung von Staat und Kirche."

    Schwanitz gehört eindeutig zu einer Minderheit im Bundestag. Ende vergangenen Jahres sah es kurzzeitig so aus, als ob es grünen Widerstand gegen den Papstbesuch im Parlament gäbe. Nicht nur Hans Christian Ströbele sonder auch der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck meldete Protest an. Beck beklagte vor allem die Homophobie des Pontifex Maximus. Dann stoppte die Fraktionsvorsitzende, Renate Künast, die Papstkritiker und plädierte, gewissermaßen als Ausgleich, für Auftritte weiterer Religionsführer.
    Und auch von den Linken ist kein Aufstand zu erwarten. Raju Sharma, der religionspolitische Sprecher seiner Partei im Bundestag, sieht dem päpstlichen Auftritt einigermaßen entspannt entgegen.

    "Was ich ein bisschen schräg finde, ist, dass wir jetzt extra eine Sitzungswoche verlegen, um diese Rede möglich zu machen. Ich finde, das geht ein bisschen weit. Aber auch das obliegt ja nun der Entscheidung anderer."

    Ein wenig Verwirrung gab es darüber, wer nun eigentlich den Papst eingeladen hat. Zwischenzeitlich konnte man den Eindruck gewinnen, die CSU habe den Besuch organisiert. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe Stefan Müller erklärt, wie es wirklich war:

    "Der Bundestagspräsident hat im Ältestenrat erklärt, dass der Wunsch des Papstes an ihn herangetragen worden ist. Also, es war der Wunsch des Vatikan, dass der Papst im Bundestag reden kann. Dieser Wunsch sei über den Vorsitzenden der Bischofskonferenz an den Bundespräsidenten weitergegeben worden. Und das Präsidium des Bundestages hat dann entschieden, diesem Wunsch zu entsprechen und den Papst während seiner Deutschlandreise einzuladen."

    Warum aber ist es so wichtig für den Deutschen Bundestag, dem Parlament des ganzen Volkes, dass der Papst vor ihm spricht? Stefan Müller begründet es so:

    "Unsere Gesellschaft, auch unsere Demokratie fußt maßgeblich auf Werten, die durch das Christentum geprägt sind."

    Die katholische Kirche im Zusammenhang mit einer Vorreiterrolle für Demokratie zu sehen, das fällt nicht jedem Abgeordneten leicht. In jedem Fall aber herrscht eine gewisse Spannung. Was wird der Papst einem Parlament sagen, welches ein Volk vertritt, das zu gerade mal einem Drittel aus Katholiken besteht und das nach wie vor von den vielen Missbrauchsskandalen schockiert ist. Einem Parlament, dessen Präsident sich gerade öffentlich dafür starkmacht, wegen des Priestermangels den Zölibat abzuschaffen.

    Stefan Müller, war zwar erst vor wenigen Wochen mit einer CSU-Delegation beim Papst, welche Themen Benedikt ansprechen will, erfuhr er nicht. Er hat da allerdings seine Vorstellungen:

    "Beispielsweise die Veränderung der Gesellschaftsstruktur durch den demografischen Wandel."

    Der Linkspolitiker Sharma hält einen ganzen Katalog dagegen. Einen Katalog mit den Themen, zu denen er den Papst etwas sagen hören möchte. Als da u.a. wären: Die Haltung zu Homosexuellen, zu Schwangerschaftsabbrüchen oder die Seligsprechung Pius XII. Glaubt Sharma wirklich, dass diese Themen zur Sprache kommen?

    "Na, er hat zumindest die Gelegenheit. Ich würde sagen, als Politiker sollten wir die Gelegenheit nutzen, im Vorfeld des Papstbesuches das mediale Interesse zu nutzen, diese Themen anzusprechen."

    Wie aber wird sich ein beinharter Gegner der Papstrede im Bundestag verhalten, wenn es dann so weit ist. Ganz genau weiß es der SPD Bundestagsabgeordnete Rolf Schwanitz noch nicht.

    "Ich gestehe, dass ich da noch schwer darüber nachdenke. Aber momentan bin ich der Auffassung, dass ich mich nicht verdrängen lasse. Ich bin gewählt im Deutschen Bundestag. Das ist mein Haus. Dort hat der Wähler mich hingeschickt. Und außerdem finde ich es wichtig, dass da nicht nur Schäfchen drinsitzen."