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Politikverdrossenheit, Wirtschaftskrise und EU-Träume

Einen Tag nachdem die EU-Kommision ihren Fortschrittsbericht über die Beitrittskandidaten vorgestellt hatte, bei dem die Türkei zwar viel Lob für deutliche Entwicklungsschritte erntete, ihr jedoch abermals kein konkreter Termin für die ersehnten Beitrittsverhandlungen angeboten wurde, titelte die linksliberale türkische Tageszeitung "Radikal": "Europa wartet den 3. November ab". Gemeint war damit das Datum der türkischen Parlamentswahlen. Denn nach dem Urnengang – so glaubt man am Bosporus – könnte sich die EU vielleicht eines anderen besinnen und doch noch einen Verhandlungstermin anbieten.

Ulrich Pick |
    Obgleich in den ersten Reaktionen starke Enttäuschung zu spüren war, versuchten die meisten Politiker, Optimismus zu verbreiten. Noch habe man Zeit, um Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, hieß es, der EU-Gipfel von Kopenhagen sei erst in zwei Monaten. Regierungschef Bülent Ecevit ging in seiner Reaktion sogar noch einen Schritt weiter. Er interpretierte aus der Brüsseler Ablehnung einen Hinweis für die Stimmabgabe heraus und machte damit Wahlkampf:

    "Wenn in der Türkei eine Regierung gebildet wird, die nicht laizistisch ist, dann werden sich die Türen der EU für diese Regierung schließen. Das ist eine ernste Warnung an die türkischen Wähler. Es ist davon auszugehen, dass die EU beunruhigt sein wird, wenn sich in der Türkei eine nicht-laizistische Regierung ergeben sollte."

    Dass Ecevit, der alte Fuchs, versuchte, den Brüsseler Fortschrittsbericht als Appell zu deuten, seine Landsleute sollten sich bei der Wahl am System des türkischen Laizismus orientieren, hat zwei Ursachen. Zum einen dürften der 77-jährige Ministerpräsident und seine Demokratische Linkspartei allen Prognosen zufolge deutlich an der 10-Prozent-Hürde scheitern und somit nicht mehr ins Parlament einziehen. Entsprechend braucht er jede Stimme. Zum anderen sind es die gemäßigten Islamisten, die wahrscheinlich die stärkste parlamentarische Kraft werden dürften. Denn sie liegen bereits seit Monaten deutlich in der Wählergunst vorne. Die Ursache ist eine spürbare Politikverdrossenheit unter den Türken:

    "Der eine sagt dies, der andere das, EU hin, EU her...wohin gehen wir, wohin sollen wir gehen? Wir sind ganz durcheinander. Ich persönlich, als Bürger, ich traue niemandem von denen. Die sind doch alle auf Abgeordnetensitze aus, und darauf, sich die Taschen zu füllen. Niemand kümmert sich um die wahren Probleme der Türkei. Wir wollen neue Gesichter, neue Namen. Wir wollen eine glücklichere, bessere Türkei." "Wer mir nicht hilft kriegt auch meine Stimme nicht. Warum sollte ich? Eher gebe ich einen leeren Stimmzettel ab.

    Seit Jahren bereits sind es immer dieselben Politiker, die darauf aus sind, die Geschicke des Landes zu lenken und sich dabei gegenseitig Pöstchen zuschanzen und mit lukrativen Geschäften versorgen. Das ist auch an den Wählerinnen und Wählern nicht vorbeigegangen. Deshalb wollen sie jetzt ihrer Enttäuschung Ausdruck verleihen. Auch wenn der Aussagegehalt von Meinungsumfragen in der Türkei nicht überschatzt werden darf, die aktuellen Prognosen für den Wahlausgang am 3. November jedenfalls sprechen deutliche Worte.

    So ist die Wahrscheinlichkeit ausgesprochen hoch, dass keine der drei momentan regierenden Parteien wieder ins Parlament einziehen wird. Weder die Demokratische Linkspartei (DSP) von Bülent Ecevit, noch die Nationale Bewegung (MHP) von Devlet Bahceli und auch nicht die Mutterlandspartei (ANAP) von Mesut Yilmaz. Eine Quittung für die Arroganz der Macht?

    Und dann ist da noch die Wirtschaftskrise, die das Land seit gut zwei Jahren beutelt. Mittlerweile scheint zwar die rasante Talfahrt gebremst zu sein, doch die Spuren sind nach wie vor deutlich sichtbar. Schätzungen zu Folge sollen mindesten zwei Millionen Menschen ihren Job verloren haben und in den Städten allein knapp 30 Prozent der in der Regel gut ausgebildeten Manager und Akademiker ohne Beschäftigung sein. Die Ökonomie des Landes ist schwer zurückgefallen. Denn die schwerste Wirtschaftskrise seit dem zweiten Weltkrieg brachte auf ihrem Höhepunkt, im vergangenen Jahr, einen Konjunkturrückgang von 9,4 Prozent. Und er kletterte im ersten Quartal 2002 sogar auf 12,4 Prozent.

    So beträgt das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen in der Türkei heute nur noch 2160 Dollar. Wenn man bedenkt, dass die schwächsten EU-Länder, Griechenland und Portugal, bei etwa 11.000 Dollar pro Kopf liegen, dann kann man sich eine ungefähre Vorstellung von der derzeitigen Lage am Bosporus machen.

    Dennoch genießt ein Politiker, der erst durch die Wirtschaftskrise in den Mittelpunkt gerückt ist, ausgesprochen großes Vertrauen bei den Wählern: Ex-Wirtschaftsminister Kemal Dervis, der im Sommer aus der Regierung austrat. Der frühere Vizepräsident der Weltbank gilt als Architekt und Garant für wirtschaftliche Reformen, die dem Land die weitere Unterstützung des Internationalen Währungsfonds sichern sollen. Deshalb knüpft man an ihn in der Türkei große Hoffnungen. Schließlich sagte er im Frühjahr:

    Ich denke, ich habe eine gute Nachricht für Sie. Wenn wir auf die vergangenen Monate zurückblicken und auf die heutige Situation schauen, können wir mit einiger Zuversicht sagen: Die akute Krise ist überwunden. Es war eine sehr schlimme Krise.

    Kemal Dervis könnte übrigens der einzige Politiker der stetig bröckelnden Koalition sein, der auch im neuen Parlament vertreten sein wird. Denn bis zur Regierungskrise im Sommer war er parteilos. Dann aber trat er der sozialdemokratisch ausgerichteten Republikanischen Volkspartei (CHP) bei, die einst der türkische Staatsgründer Kemal Attatürk ins Leben gerufen hatte. Sein erklärtes Ziel war es, um der Wirtschaftspolitik willen eine Allianz der politischen Kräfte auf der Linken und in der Mitte zu schmieden.

    Doch sowohl Ecevit als auch der ehemalige Außenminister Ismail Cem, der im Sommer die Partei "Neue Türkei" gründete, verschlossen sich. Sie waren zu einer Zusammenarbeit mit der CHP nicht bereit. Heute kann sich der Parteichef der Sozialdemokraten, Deniz Baykal, über die Eigensinnigkeit der beiden nur die Hände reiben. Denn während Ecevits DSP und Cems "Neue Türkei" kaum mit Wählerzuspruch rechnen können, sagen die jüngsten Umfragen der CHP zwischen 17 bis 21 Prozent voraus.

    Das Zugpferd Kemal Dervis dürfte somit also der bislang nicht im Parlament vertretenen Republikanischen Volkspartei nicht nur zum Wiedereinzug verhelfen, sondern sie wahrscheinlich auch zur zweitstärksten politischen Kraft im Land machen. Entsprechend nimmt Deniz Baykal den neuen Politstar seiner Partei auch in Schutz, wenn über die schlechte wirtschaftliche Lage im Land geklagt wird:

    Herr Dervis wurde erst in die Türkei gerufen, nachdem das Land Bankrott gegangen, nachdem der Wagen umgekippt war. Bis dahin haben wir alle, auch die CHP, auf die Fehler hingewiesen und darauf, dass diese Wirtschaftspolitik so nicht weitergehen kann und dass all das seinen Preis haben wird. Sowohl für die Wirtschaft, als auch für die Gesellschaft. Diesen Preis müssen wir jetzt , wenn auch unverdient ,leider zahlen. Ihn zahlen also Menschen, die gar nichts dafür können. Den politischen Preis zahlen WIR. Und wir werden ihn vielleicht auch in den nächsten Jahren zahlen. Wir als Politiker. Aber eigentlich hätten ihn DIE Leute zahlen müssen, die dieses Land 15 Jahre lang regiert haben. Den wirtschaftlichen Preis aber zahlt die Bevölkerung, mit Arbeitslosigkeit und geringerer Kaufkraft, mit schlechterer Erziehung und Krankenversorgung. Das haben wir nicht gewollt und auch nicht dazu beigetragen. Und wir werden das ändern. Wir haben ein Programm.

    Größter Konkurrent der CHP ist die "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" – kurz AK-Parti - des ehemaligen Istanbuler Bürgermeisters und gemäßigten Islamisten, Recep Tayyip Erdogan. Sie liegt bereits seit Monaten an der Spitze der Umfragen: So sagte man ihr im Juli 19 Prozent voraus, im August knapp 25, und nach neuesten Prognosen könnte sie sogar zwischen 30 und 34 Prozent der Stimmen erhalten. Die AK-Parti wurde erst im August 2001 gegründet und entstammt dem Reformflügel der islamistischen "Tugendpartei" von Ex-Ministerpräsident Necmettin Erbakan.

    Doch sie versteht sich nicht als religiöse Partei sondern als konservative Kraft rechts der Mitte. Sie plädiert für eine liberale Marktwirtschaft, gibt sich europafreundlich und tritt in der Kurden- wie in der Kopftuchfrage für einen gesellschaftlichen Konsens ein. Die Frage, ob türkische Frauen ihren Kopf in der Öffentlichkeit mit einem Tuch bedecken dürfen, war nämlich in den letzten Jahren immer wieder ein Konflikt zwischen den strengen Islamisten und säkularen Kräften.

    Zudem sind die Gründungsmitglieder der Reformislamisten ausgesprochen jung und ausnahmslos gut ausgebildet. Viele von ihnen haben sogar ein abgeschlossenes Studium an Universitäten in Westeuropa oder den USA . Auch der Frauenanteil ist bei ihnen wesentlich höher als in anderen Parteien. Kein Wunder, dass die AK-Parti, die ihre eigentliche Bewährungsprobe noch vor sich hat, für eine breite Wählerschicht attraktiv ist.

    Parteichef Erdogan selbst darf jedoch bei den Parlamentswahlen nicht antreten. Denn Mitte September entzog der höchste Wahlrat dem Mann aus dem Istanbuler Armenviertel Kasimpasa den Kandidatenstatus. Hintergrund ist ein Gerichtsurteil gegen Erdogan aus dem Jahr 1998 wegen Volksverhetzung. Damals hatte er öffentlich folgende Zeilen zitiert, die aus der Feder von Mehmet Akif Ersoy, dem Dichter der türkischen Nationalhymne, stammen und dem Reformislamisten vier Monate Gefängnis einbrachten:

    Die Minarette sind unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme, die Moscheen unsere Kasernen und die Gläubigen unsere Soldaten.

    Inzwischen sind diese Zeilen sogar in zahlreichen Lehrbüchern zu finden und Erdogan hat die entsprechende Haftstrafe abgesessen - doch die oberste Wahlbehörde befand, dass eine Person, die einmal sogenannter "ideologischer" Taten überführt worden ist, nie mehr als Kandidat zur Wahl antreten darf. Der AK-Parti scheint das Politikverbot gegen Erdogan – zumindest den Umfragen zufolge – eher genutzt als geschadet zu haben.

    Weil die meisten Menschen davon ausgehen, dass der Mann, der sich rühmt, als Bürgermeister von Istanbul keine einzige Kneipe geschlossen zu haben, sich im Lauf der Jahre wirklich gewandelt hat und sie ihm abnehmen, dass er nach der Trennung von seinem Ziehvater Erbakan nichts mehr von einem strikten Islam und von der Scharia wissen will. So bezeichnet er sich gelegentlich als "konservativen Demokraten" und die Religion als jedermanns Privatsache.

    Die AK-Parti ist eine demokratische, konservative, reformistische und moderne Partei. Sie ist - während die Türkei den entschlossenen Willen äußert, sich der globalen Welt zu öffnen - gegen die Zerstörung einheimischer Werte. Die AK-Parti, die sich dem politischen Leben der Türkei zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in dem Informationen, Kapital, Waren und Dienstleistungen freien Umlauf haben, angeschlossen hat, ist eine reformistische und moderne Partei.

    Was die türkischen Reform-Islamisten aber wirklich zu leisten vermögen, müssen sie noch beweisen. Offenkundig ist allerdings zweierlei: Erdogan scheint – im Gegensatz zu Ex-Ministerpräsident Erbakan, der auf militärischen Druck hin aus dem Amt gedrängt wurde – ein gutes Gespür zu haben, wie weit er gehen kann, ohne politisch in Bedrängnis zu geraten. Denn er weiß, dass die Militärs, auf die letztendlich der Verlust seines Kandidatenstatus' zurückgeht, ihn auch in Zukunft und gerade bei einem Wahlerfolg mit Argusaugen beobachten werden.

    Gerade deshalb setzen er und seine Partei alles daran, das Image der religiösen Nischenpartei immer weiter abzulegen. So sucht man Anhänger nicht mehr wie die Islamisten vergangener Tage ausschließlich unter der Landbevölkerung Anatoliens und den sozial Schwachen in den großen Städten, sondern geht als pro-europäische Kraft in Kontakt mit den bürgerlichen Wählern. Kurz: Man hat sich auf den Weg gemacht zu einer Art Volkspartei, für die Religion kein Dogma, wohl aber eine ethische Grundhaltung ist. Das bestätigt auch Hayrettin Aydin vom Zentrum für Türkeistudien in Essen:

    Unabhängig von der Person Erdogan ist die Partei ja zu einem Forum der Erneuerer geworden. Und ich denke schon, dass sie politisch gelernt haben und in Zukunft keine militanten Töne mehr von sich geben werden. Und vielleicht wirklich auf so etwas hinarbeiten wie eine christlich-demokratische Partei in Westeuropa: also in Form einer islamisch-demokratischen Partei, die dem System zwar verbunden ist, aber dennoch ein eigenes Profil hat.

    Dennoch bleibt die Frage, wie Erdogan den Verlust seines politischen Mandats bewältigen will. Denn auf der einen Seite muss die Partei - wenn sie denn wirklich das Ergebnis einfährt, das ihr prognostiziert wird - einen glaubhaften und starken Spitzenmann im Parlament haben. Auf der anderen Seite will Erdogan – und darin ist er nun Erbakan sehr ähnlich – weiterhin Einfluß behalten, im Hintergrund wirken. Mit anderen Worten: Der künftige politische Kopf der AK-Parti im Parlament muss selbstbewußt auftreten können, aber nicht stärker sein als Erdogan selbst. Noch wird innerparteilich um eine Lösung gerungen. Aussichtsreichster Kandidat scheint dabei Abdullah Gül zu sein. Er gilt als scharfer Denker, der sich zudem als klarer Europabefürworter ausgibt:

    Im Hinblick auf die EU ist deutlich: mit der Verabschiedung von ein paar Gesetzen sind wir noch lange nicht in der EU. Ein Blick in die EU-Berichte - diejenigen, die sich mit der EU beschäftigen, wissen das nur zu gut - macht deutlich: in der Türkei mangelt es an politischem Willen. Sobald dieser politische Wille da ist, werden sich alle Türen der EU öffnen. Man muss ganz deutlich sagen: Mit der Veränderung sprich Verabschiedung von ein, zwei Gesetzen kommt man nicht in die EU. Nur mit der Abschaffung der Todesstrafe und der Verabschiedung sprachlicher Reformen, kann man nicht sagen: jetzt geht`s in die EU.

    Dass die reformislamistische AK-Parti und die sozialdemokratische CHP ins neue türkische Parlament kommen werden, gilt als so gut wie sicher. Offen ist allerdings, ob und welche anderen der 18 zur Wahl zugelassenen Gruppierungen die 10-Prozent-Hürde nehmen können. Größte Chancen, die drittstärkste Kraft zu werden, hat momentan ebenfalls eine neue politische Kraft: Die "Junge Partei", Genc-Parti, des Medienmoguls Cem Uzan. Ihm werden bis zu 13 Prozent der Wählerstimmen vorausgesagt.

    Der 46jährige kontrolliert über seine so genannte "Star"-Gruppe nicht nur etliche Zeitungen – darunter das auflagenstärkste Blatt der Republik gleichen Namens – sondern auch mehrere Radio- und Fernsehkanäle, weshalb er vielfach auch der "türkische Berlusconi" genannt wird. Ganz falsch ist diese Bezeichnung nicht, denn der ehrgeize Politneuling hat für seinen kometenhaften Aufstieg soviel Geld und PR eingesetzt, wie vor ihm noch keiner im Land.

    Uzan ist ein großer Populist, dem bislang sämtliche Schlammschlachten und Affären, bei denen unter anderem seine Familie mit der Mobilfunktochter Telsim die Branchenriesen Motorola und Nokia über den Tisch gezogen haben sollen, nichts anhaben konnten. Auf seinen musikalisch groß inszenierten Wahlkampfauftritten wird er von der türkischen Ikone des Arab-Pop, Ibrahim Tatlises, begleitet und verspricht so gut wie alles: den Armen Wohnungen, Schülern und Studenten kostenlose Lehrbücher, Bauern Land und allen erheblich weniger Steuern. Zudem übt er lauthals Kritik am Internationalen Währungsfonds und fährt reichlich nationalistische Töne auf:

    Wir sind Leute, die sich geschworen haben, dem türkischen Volk einen Lebensstandard zu geben, den es verdient hat...Ich möchte hier, in Eurer Anwesenheit, die tollpatschige, unfähige Regierung aufrufen: Fordert keine weitere Chance. Ihr werdet sie nicht bekommen. Tretet endlich zurück! Macht Platz für die Türkei. Ihr könnt sie nicht aufhalten. Die Türkei kommt...!

    Von einem konkreten Bildungs-, Gesundheits- oder Wirtschaftsprogramm der Genc-Parti ist bislang nicht viel bekannt. Doch das scheint Cem Uzan und vor allem seine Anhänger nicht zu stören:

    Ich werde Cem Uzan wählen. Der ist jung und dymanisch. Ich denke: die Hoffnung für die Zukunft ist Cem Uzan. Der spricht klare Worte.

    Offen ist die politische Zukunft von Ex-Ministerpräsidentin Tansu Ciller. Der Parteichefin der "Partei des rechten Weges" , der nachgesagt wird, dass sie nichts so sehr liebe wie die Macht , werden zwischen 8 und 11 Prozent prognostiziert.

    Überhaupt geht man in der Türkei davon aus, dass bis zu 300 der 550 bisherigen Abgeordneten nicht wieder ins Parlament kommen werden; für viele von ihnen gewiss ein herber Schlag. Das liegt nicht nur daran, dass Parteien wie die Demokratische Linkspartei (DSP), die Nationale Bewegung (MHP), die Mutterlandspartei (ANAP) oder die islamistische Partei der Glücksseligkeit (SP) voraussichtlich an der 10-Prozent-Hürde scheitern werden. In der Türkei gibt es so gut wie keine innerparteiliche Demokratie, und so sind die Abgeordneten vom Wohl und Wehe ihres Parteibosses abhängig. Der bestimmt letztlich, wer nach Ankara geht oder nicht.

    Zwei Entscheidungen dürften allerdings schon jetzt klar sein: Zum einen werden wohl auch diesmal die politischen Vertreter der Kurden keine Abgeordnete nach Ankara schicken. Auch wenn die Kurdenpartei HADEP diesmal im Verbund mit anderen, kleineren Linksparteien antritt - mehr als 5 bis 7 Prozent dürfte das Bündnis mit Namen DEHAP wohl nicht einfahren. Zum anderen wird die politische Karriere von Bülent Ecevit mit dem 3. November wohl endgültig vorbei sein.