Zum Schluss reichten sie einander sogar freundschaftlich die Hand - extra für die zahlreichen Kameras. Verdi-Verhandlungsführer Lothar Schröder und Telekom-Personalchef Thomas Sattelberger machten gute Miene zum bösen Spiel, mussten sie doch nach der nächtlichen Marathonverhandlung heute morgen in Bad Neuenahr das Verhandlungsergebnis der Öffentlichkeit bekannt geben. Nach fast sechs Wochen Streik haben sich Verdi und Telekom über die Auslagerung von 50.000 Mitarbeitern in neue Servicegesellschaften geeinigt.
Dabei darf es keinen Verlierer geben, das verlangt ein guter Kompromiss. Das Ergebnis haben die beiden Verhandlungsführer auf 70 Seiten niedergeschrieben. Bis zum Schluss wurde über Sätze und einzelne Wörter gestritten. An zahlreichen Stellschrauben haben die Verhandlungsführer gedreht. Eine ist die Arbeitszeit.
Die Wochenarbeitszeit steigt auf 38 Stunden. Vier Stunden mehr und unbezahlt, dafür geht eine halbe Stunde in die Qualifizierung. Im Kern muss Verdi aber eine bittere Pille schlucken und eine Lohnkürzung von 6,5 Prozent ab dem 1.Juli akzeptieren. Was sich die beiden Verhandlungsführer ausgedacht haben, könnte vielleicht in die Tarifgeschichte eingehen: Eine Lohnkürzung, die man nicht im Portemonnaie spürt und trotzdem die Bilanz des Unternehmens aufhübscht - eine Art modifizierter Sozialplan mit Leistungskomponenten. Lothar Schröder von Verdi nennt es das Rucksackmodell. Es läuft bis 2012 und besteht aus zwei Elementen: Einem Finanz-Obolus der Arbeitgeber und der "Aktiven Lohnpolitik" der Gewerkschaft.
"Das ist ein Mechanismus, bei dem die Deutsche Telekom in die Rückversicherung geht und einen Beitrag leistet. Wir nennen es Rucksack. Eine Formulierung, die sich in den Verhandlungen eingebürgert. Beim Schritt in die neuen Gesellschaften wird den Beschäftigten etwas mitgegeben. Dieses Element sinkt im Laufe der Zeit bis wir in der Lage sind aktive Tarifpolitik zu betreiben und diese aktive Tarifpolitik dann zu Teilen gegengerechnet wird. So dass man mittelfristig und langfristig damit rechnen kann, dass das Einkommen geradeaus läuft"
Soll heißen: Nullrunde! Unterm Strich bleiben die Einkommen stabil zumindest bis 2012. Ein Erfolg für Verdi. Dafür wird an anderer Stelle gespart. Die Einstiegsgehälter für neue Mitarbeiter werden drastisch - um bis zu 25 Prozent - gesenkt. Dafür stellt die Telekom bis zu 4000 neue Jobs in Aussicht.
Die Mitarbeiter müssen sich in Zukunft mehr anstrengen. Bis zu 15 Prozent des Gehalts können erfolgsabhängig ausgezahlt werden. Gemessen werden der individuelle Erfolg, der des Unternehmens und die Kundenzufriedenheit. Der Samstag ist nun ein Arbeits- und damit ein Kundentag.
Auf der anderen Seite garantiert die Telekom einen Kündigungsschutz bis 2012 und will kräftig in die Qualifizierung der Mitarbeiter investieren. Personalvorstand Thomas Sattelberger ist zufrieden.
"Wir haben eine Lösung, mit der das Telekom Verhandlungsteam, aber auch von Verdi, sich nicht verstecken müssen. Wir haben 50.000 Arbeitsplätze im Konzern gesichert. Die Basis für tausende Neueinstellungen geschaffen. Und als Schwabe ist mir das immer sehr wichtig. Denn ich weiß, im Norden wird das Kaufmannstum auch hochgehalten. Wir haben den finanziellen Zielkorridor unseres Sparprogramms ordentlich getroffen."
Eine konkrete Zahl vermied Sattelberger, um seinen Verhandlungspartner nicht öffentlich bloßzustellen. Auch das gehört zum Ritual. Immerhin will die Telekom die Kosten um 500 bis 900 Millionen Euro pro Jahr drücken. So breit ist der selbstgesteckte Zielkorridor. Auch in der anschließenden Pressemitteilung wird nur nebulös von Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich gesprochen.
Was sich auf den ersten Blick wie ein fairer Kompromiss darstellt, ist bei genauerer Betrachtung ein Tarifergebnis zu Lasten Dritter. Zwar konnte die Gewerkschaft Verdi ihr Tarifgebiet bei der Telekom verteidigen und für die langjährigen Mitarbeiter sogar einen Bestands- und Einkommensschutz aushandeln. Doch die jungen, neuen Mitarbeiter verdienen deutlich weniger. Das wird in der Belegschaft für Unmut sorgen. Noch härter wird es die Subunternehmer treffen, die bereits für die Telekom zu deutlich schlechteren Konditionen arbeiten. Sie könnten ihren Job verlieren.
"Das tarifpolitische Konzept, das wir jetzt erarbeitet haben, ist ein unternehmerisches Konzept. Denn es hilft, das Wachstum dieser Firma zu fördern und es führt Arbeit, die bislang fremd vergeben worden ist, wieder zurück. Das heißt, wir vertrauen auf die Kräfte, auf die Stärke unseres Unternehmens."
In dieses unternehmerische Konzept ist nun die Gewerkschaft Verdi eingebunden. Für die nächsten Jahre sind - angesichts der angekündigten Nullrunden - die tarifpolitischen Verteilungsspielräume ausgeschöpft. Der Sozialpartner trägt künftig unweigerlich die Wachstums- und Servicestrategie der Telekom mit. Laufen die Geschäfte schlecht, spüren das die Mitarbeiter im Portemonnaie. Es wird sich also zeigen, wie Verdi den Verbund klassischer Tarifpolitik mit modernen Erfolgsbeteiligungsmodellen aus der Unternehmensführung mitträgt oder ertragen kann.
Der Kompromiss ist Lothar Schröder, Mitglied im Ver.di-Bundesvorstand, nicht leicht gefallen. Doch ohne Streiks hätte es aber gar keinen Kompromiß gegeben.
"Ich hoffe, dass bei diesem Weg die Deutsche Telekom über die Auseinandersetzung auch eins verinnerlicht hat. Ein guter Service geht nur mit Menschen. Und die Menschen, die im Service tätig sind, haben mit ihrer Arbeitsniederlegung unterstrichen, wie wichtig das ist. Ohne Sie wäre dieser Kompromiss nicht möglich gewesen."
Mit dieser Lösung geht nun der sechswöchige Streik einem Ende entgegen. Mehrere Tausend Mitarbeiter beteiligten sich nahezu täglich am Arbeitskampf - ein Novum in der bislang jungen Geschichte der Deutschen Telekom. Neu ist auch, dass es bei diesem Streik nicht nur um Arbeitsplatz- und Wohlstandsicherung ging - also um die klassische Verteilungsfrage zwischen den Sozialpartnern. Der Arbeitskampf war auch das Ergebnis staatlicher Regulierungspolitik. Der ehemalige Staatskonzern wurde bislang von der Bundesnetzagentur an den Wettbewerb herangeführt und langsam dem Kostendruck ausgesetzt. Ein Prozess, der politisch gewollt und entsprechend auch gestaltet wurde. Wirtschaftsprofessor Arnold Picot von der Universität München.
"Wenn man einen solchen Markt in den freien Wettbewerb entlassen würde, ohne ihn zu begleiten durch eine Regulierungsbehörde oder eine Bundesnetzagentur, dann würde natürlich der bisherige Monopolist sich so verhalten wie ein Monopolist sich verhält: Also seine Monopolstellung in seinem Interesse ausnutzen ? Das wäre normal, das würde jeder so machen."
Für die Deutsche Telekom, aber auch für die Gewerkschaft Verdi, war die Bundesnetzagentur in Bonn lange Zeit der Sündenbock. Jedes Jahr musste die Telekom nach eigenen Angaben durchschnittlich 10.000 Stellen abbauen. Wirtschaftlicher arbeitete das Unternehmen deswegen nicht. Im europäischen Vergleich ehemaliger Staatsunternehmen ist die Lohnquote der Telekom hoch. Ein Viertel des Umsatzes beanspruchen immer noch die Personalkosten. Bei der France Télécom sind es gerade mal 18 Prozent, bei der spanischen Telefónica 15 Prozent und die holländische KPN schafft es mit 12 Prozent. Die europäischen Konkurrenten setzen Standards, haben ihre Personalkosten besser im Griff.
Der Wettlauf um die niedrigsten Personal- und Arbeitskosten entwickelt dabei eine Eigendynamik. Denn die zuständige Bundesnetzagentur prüft nicht nur hierzulande die Kosten der Deutschen Telekom, sondern blickt auch über die Landesgrenzen auf die europäischen Wettbewerber. Mit entsprechenden Folgen für den deutschen Marktführer. Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur
"Dann können wir uns angucken: was machen die anderen in Europa, das sind so genannte Vergleichsmärkte. Da sagt man: wenn der das kann für den Preis, warum will dann der andere das Doppelte? Also da gibt es irgendwo Maßstäbe, die aus Vergleichen kommen."
Lange Zeit traute sich die Geschäftführung nicht an die alten Personal-Strukturen heran. Stattdessen expandierte das Unternehmen auf Pump. Ex-Telekom-Chef Ron Sommer nahm viel und vor allem fremdes Geld in die Hand, baute das lukrative Mobilfunkgeschäft in den USA auf und forcierte die Viersäulenstrategie mit den eigenständigen Geschäftssparten
T-Com, T-Mobile, T-Online und T-Systems.
Nachfolger Kai Uwe Ricke avancierte hingegen zum Reparatur-Manager, tilgte die Schulden seines Vorgängers und holte die Internettochter T-Online wieder unter das Dach der Muttergesellschaft.
Letztlich wurde Ricke aber vom scharfen Preiswettbewerb in die Enge getrieben. Die Folge: Zwei Warnungen vor sinkenden Gewinnen, ein dramatischer Kundenverlust im Festnetz und schließlich die Demontage fast des kompletten Topmanagements im November 2006. Ricke verlor das Vertrauen der Kapitalgeber. Zwischenzeitlich klopfte der russische Mischkonzern Sistema an die Tür. Das Unternehmen versuchte das Führungschaos in Bonn auszunutzen und brachte sich als strategischen Investor ins Spiel. Doch der Bunde lehnte ab.
Auch wenn die Bundesregierung sich offiziell nicht zu unternehmensinternen Angelegenheiten äußert - mit 30 Prozent ist der Bund immer noch maßgeblicher Großaktionär und hält im Hintergrund die Fäden in der Hand. Im Sinne der geforderten Haushaltskonsolidierung dürfte Finanzminister Peer Steinbrück nicht nur an einem Verkauf, sondern auch an einem guten Preis und damit an einem möglichst hohen Aktienkurs interessiert sein. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Konzern profitabel arbeitet. Deswegen lautet die Vorgabe aus Berlin: Erst Sanieren, dann kassieren. Nur mit Rückendeckung von Aufsichtsrats-Chef Klaus Zumwinkel und den Großaktionären Blackstone und dem Bund konnte Rene Obermann die Auslagerung von 50 Tausend Mitarbeitern - zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen - in Angriff nehmen.
Allein - es fehlte der richtige Mann für die harten Verhandlungen. Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick führte nach dem Rückzug von Personalchef Heinz Klinkhammer die Geschäfte nur noch kommissarisch. Im Mai, einen Tag vor der Hauptversammlung in Köln, berief der Telekom-Aufsichtsrat Thomas Sattelberger als neuen Personalvorstand und Arbeitsdirektor . Die Gewerkschaft Verdi wurde regelrecht überrumpelt. Mit seiner langjährigen Berufserfahrung bei DaimlerChrysler, Lufthansa und Continental eilte Sattelberger der Ruf als harter Sanierer voraus. Eine klare Kampfansage an die Gewerkschaft - Streikleiter Ado Wilhelm
""Ja natürlich sind wir da heftig sauer. Üblicherweise wird so etwas mit der zuständigen Gewerkschaft diskutiert. Das ist gegen die Gewerkschaft und der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat geschehen."
Der Aufsichtsrat war gespalten, das Konsensmodell mit den Arbeitnehmern offenkundig gescheitert. Selten waren Arbeitgeber und Gewerkschaft so auf Konfrontationskurs gegangen. Verdi reagierte mit Streiks, Personalchef Sattelberger drohte indirekt mit Kündigung bei Arbeitsverweigerung in der neuen Service-Gesellschaft. Der Betriebsübergang der 50.000 Mitarbeiter zum 1. Juli war für die Telekom nicht verhandelbar. Unverständnis zeigte die Geschäftsführung über die Taktik der Gewerkschaft Verdi. Telekom-Chef Rene Obermann auf der Hauptversammlung in Köln
"Bemerkenswert finde ich allerdings, dass Verdi bei uns im Festnetz-Services auf Besitzstandswahrung besteht und mit Wettbewerbern zu erheblich niedrigren Bedingungen gleichartige Tarifverträge abgeschlossen hat [Pfiffe], bei gleichzeitig längeren Arbeitszeiten und flexibleren Arbeitsbedingungen [Pfiffe] Na ja, die Fakten sind wie sie sind."
Die Verhandlungsposition der Gewerkschaft Verdi war trotz der hohen Streikbereitschaft der Beschäftigten alles andere als gut. 12.800 Mitarbeiter sind immer noch in der in der Beschäftigungsgesellschaft Vivento ausgelagert - deren Zukunft ist ungewiss. Bis 2008 sollen weitere 32.000 Arbeitnehmer den Konzern verlassen. Sozialverträglich betont die Telekom und greift tief in die Unternehmenskasse. Das personalpolitische Bündel enthält Abfindungen, Altersteilzeit und Frühpensionierungen.
Ein Zugeständnis an die Arbeitnehmer. Auf der anderen Seite verspielte die Telekom mit ihrer umstrittenen Dividendenpolitik ihre Glaubwürdigkeit. Einerseits forderte die Telekom Sparmaßnahmen von den Beschäftigten, andererseits wurde der gesamte Konzerngewinn von über drei Milliarden Euro in diesem Jahr an die Aktionäre ausgeschüttet. Ein Drittel an den Bund. Richard Schmitz von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz
"Ich glaube, dieses Signal war nicht das richtige, um das mal ganz klar zu sagen. Die Dividende ist nur zum einen Teil verdient. Im Grunde ist das eine Kapitalrückzahlung. Das hätte man auch ehrlich so kommunizieren müssen. Ich habe ja auch nichts dagegen, wenn der Vorstand hingeht und den Aktionären sagt; wenn ihr schon so einen miesen Kursverlauf habt, dann sollt ihre wenigstens eine entsprechende Verzinsung darauf bekommen. Das ist nicht das Thema. Aber das Problem ist aber, dass man hingeht und sagt. Wir sind operativ so stark, dass wir die Dividende zahlen können."
Angesichts des scharfen Wettbewerbs half der Deutschen Telekom nur die Flucht aus dem alten Tarifvertrag
Oder die Flucht nach vorn!
Vor allem Innovationen sollen das nötige Gewinnwachstum bringen. Auf dieses Modell haben sich die Tarifpartner schließlich geeinigt. Lohnkürzung gegen Erfolgsbeteiligung! Wenn die Geschäfte gut laufen, geht es auch den Mitarbeitern gut. Große Hoffnungen setzt die Telekom dabei auf das schnelle Glasfasernetz. Gut drei Milliarden Euro dürfte der Bonner Konzern in seine VDSL- Technik investieren und verspricht sich davon kräftige Wachstumsimpulse.
Mit dem modernen Glasfasernetz bietet der Marktführer nicht nur Internet und Telefon aus einer Hand an, sondern auch den exklusiven Zugang zum hochauflösenden Fernsehen - eine Schlüsseltechnologie und entscheidend für die Zukunft der Branche. Die Telekom könnte damit zum führenden Medienanbieter aufsteigen. Die Wettbewerber blieben auf der Strecke. Peer Knauer vom Bundesverband Breitbandkommunikation will dem nicht tatenlos zusehen. Entweder erhalten die Konkurrenten Zugang zum VDSL-Netz der Telekom oder sie bauen eine eigene Infrastruktur auf.
"Es sind nach wie vor viele Fragen ungeklärt. Kommen wir auf das VDSL-Netz der Deutschen Telekom, kommen wir in den Kabelverzweiger an das Netz heran. Zum anderen überlegen einige unserer Unternehmen, ob Sie direkt mit Glasfaser in die Gebäude hineingehen. Und insbesondere die Carrier, die über Netze in den Städten verfügen, sind hier ganz gut positioniert"
Die Telekom erhält mit ihrer Ausgrenzungsstrategie Rückendeckung aus Berlin. Mit dem Telekommunikationsgesetz hat die Bundesregierung das VDSL- Netz einfach aus der Regulierung genommen, hält ein letztes Mal schützend die Hand über den ehemaligen Staatskonzern - sehr zum Ärger von Brüssel. Nach Ansicht der Europäischen Kommission ist die Deutsche Telekom damit weitgehend konkurrenzlos. Die Kommission hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet.
Der Streit dürfte vor dem Europäischen Gerichtshof ausgetragen werden. Doch die Pläne der Kommission reichen viel weiter. Mit dem für Sommer angekündigten Entwurf der neuen EU-Telekommunikationsrichtlinie soll die Vormachtstellung der Ex-Monopolisten endgültig gebrochen werden.
Noch liegen diese Pläne im Giftschrank der Kommission. Der Druck auf die europäischen Telefonriesen nimmt aber angesichts der Digitalisierung der Netze ohnehin zu. 11 Jahre nach dem Börsengang steht die Deutsche Telekom vor einer ihrer größten Herausforderungen. Die Transformation des Ex-Monopolisten geht in die letzte Runde.
Zunächst werden die Kosten reduziert, später wird voraussichtlich die Belegschaft verkleinert. Der Kündigungsschutz geht nämlich nur bis zum Jahr 2012. Bis dahin will die Telekom technisch auf dem neusten Stand sein Dann braucht sie angesichts der Modernisierung erwartungsgemäß weniger Monteure und Servicetechniker. Telekom-Chef Rene Obermann nannte es auf der Hauptversammlung Sparen für Service
"Ein wesentlicher Punkt dieses Programms ist die Umstellung unserer Netztechnik auf eine einzige konzernweite Produktionsplattform auf Internetprotokollbasis. Wir arbeiten derzeit mit mehreren und verschiednen Produktions- und Transportnetzen. Der Übergang auf nur noch ein modernes netz wird im Endausbau in den nächsten Jahren Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro bringen."
Und wieder ist es der Wettbewerb, das schillernde Wesen der Marktwirtschaft, das die Deutsche Telekom zu neuen Effizienzsteigerungen antreibt. Im Kampf um Marktanteile versucht der rosa Riese ein letztes Mal die alte Strategie des integrierten Telekommunikationskonzerns. Alles aus einer Hand und eben nur von der Telekom, so lautet die Marschrichtung. "Wir werden nie der billigste sein", urteilte jüngst Telekom-Festnetz-Chef Timotheus Höttges. Aber man könne mit der neuen Service Strategie Kunden halten und hinzugewinnen, glaubt der Spitzenmanager. Der Kunde entscheidet letzlich über die Zunkunft der Deutschen Telekom, bislang gab es nur ein Kriterium und das war der Preis.
Für die Mitarbeiter dürfte der Rationalisierungsdruck steigen. Politisch ist der Weg vorgezeichnet. Wolfgang Bötsch, ehemaliger Postminister war kein Visionär. Doch die Zukunft der Telekom hatte er bereits klar vor Augen.
"Sie muss ihre Effizienz verbessern. Und für die Verbesserung ist der Wettbewerb geradezu die richtige Voraussetzung."
Dabei darf es keinen Verlierer geben, das verlangt ein guter Kompromiss. Das Ergebnis haben die beiden Verhandlungsführer auf 70 Seiten niedergeschrieben. Bis zum Schluss wurde über Sätze und einzelne Wörter gestritten. An zahlreichen Stellschrauben haben die Verhandlungsführer gedreht. Eine ist die Arbeitszeit.
Die Wochenarbeitszeit steigt auf 38 Stunden. Vier Stunden mehr und unbezahlt, dafür geht eine halbe Stunde in die Qualifizierung. Im Kern muss Verdi aber eine bittere Pille schlucken und eine Lohnkürzung von 6,5 Prozent ab dem 1.Juli akzeptieren. Was sich die beiden Verhandlungsführer ausgedacht haben, könnte vielleicht in die Tarifgeschichte eingehen: Eine Lohnkürzung, die man nicht im Portemonnaie spürt und trotzdem die Bilanz des Unternehmens aufhübscht - eine Art modifizierter Sozialplan mit Leistungskomponenten. Lothar Schröder von Verdi nennt es das Rucksackmodell. Es läuft bis 2012 und besteht aus zwei Elementen: Einem Finanz-Obolus der Arbeitgeber und der "Aktiven Lohnpolitik" der Gewerkschaft.
"Das ist ein Mechanismus, bei dem die Deutsche Telekom in die Rückversicherung geht und einen Beitrag leistet. Wir nennen es Rucksack. Eine Formulierung, die sich in den Verhandlungen eingebürgert. Beim Schritt in die neuen Gesellschaften wird den Beschäftigten etwas mitgegeben. Dieses Element sinkt im Laufe der Zeit bis wir in der Lage sind aktive Tarifpolitik zu betreiben und diese aktive Tarifpolitik dann zu Teilen gegengerechnet wird. So dass man mittelfristig und langfristig damit rechnen kann, dass das Einkommen geradeaus läuft"
Soll heißen: Nullrunde! Unterm Strich bleiben die Einkommen stabil zumindest bis 2012. Ein Erfolg für Verdi. Dafür wird an anderer Stelle gespart. Die Einstiegsgehälter für neue Mitarbeiter werden drastisch - um bis zu 25 Prozent - gesenkt. Dafür stellt die Telekom bis zu 4000 neue Jobs in Aussicht.
Die Mitarbeiter müssen sich in Zukunft mehr anstrengen. Bis zu 15 Prozent des Gehalts können erfolgsabhängig ausgezahlt werden. Gemessen werden der individuelle Erfolg, der des Unternehmens und die Kundenzufriedenheit. Der Samstag ist nun ein Arbeits- und damit ein Kundentag.
Auf der anderen Seite garantiert die Telekom einen Kündigungsschutz bis 2012 und will kräftig in die Qualifizierung der Mitarbeiter investieren. Personalvorstand Thomas Sattelberger ist zufrieden.
"Wir haben eine Lösung, mit der das Telekom Verhandlungsteam, aber auch von Verdi, sich nicht verstecken müssen. Wir haben 50.000 Arbeitsplätze im Konzern gesichert. Die Basis für tausende Neueinstellungen geschaffen. Und als Schwabe ist mir das immer sehr wichtig. Denn ich weiß, im Norden wird das Kaufmannstum auch hochgehalten. Wir haben den finanziellen Zielkorridor unseres Sparprogramms ordentlich getroffen."
Eine konkrete Zahl vermied Sattelberger, um seinen Verhandlungspartner nicht öffentlich bloßzustellen. Auch das gehört zum Ritual. Immerhin will die Telekom die Kosten um 500 bis 900 Millionen Euro pro Jahr drücken. So breit ist der selbstgesteckte Zielkorridor. Auch in der anschließenden Pressemitteilung wird nur nebulös von Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich gesprochen.
Was sich auf den ersten Blick wie ein fairer Kompromiss darstellt, ist bei genauerer Betrachtung ein Tarifergebnis zu Lasten Dritter. Zwar konnte die Gewerkschaft Verdi ihr Tarifgebiet bei der Telekom verteidigen und für die langjährigen Mitarbeiter sogar einen Bestands- und Einkommensschutz aushandeln. Doch die jungen, neuen Mitarbeiter verdienen deutlich weniger. Das wird in der Belegschaft für Unmut sorgen. Noch härter wird es die Subunternehmer treffen, die bereits für die Telekom zu deutlich schlechteren Konditionen arbeiten. Sie könnten ihren Job verlieren.
"Das tarifpolitische Konzept, das wir jetzt erarbeitet haben, ist ein unternehmerisches Konzept. Denn es hilft, das Wachstum dieser Firma zu fördern und es führt Arbeit, die bislang fremd vergeben worden ist, wieder zurück. Das heißt, wir vertrauen auf die Kräfte, auf die Stärke unseres Unternehmens."
In dieses unternehmerische Konzept ist nun die Gewerkschaft Verdi eingebunden. Für die nächsten Jahre sind - angesichts der angekündigten Nullrunden - die tarifpolitischen Verteilungsspielräume ausgeschöpft. Der Sozialpartner trägt künftig unweigerlich die Wachstums- und Servicestrategie der Telekom mit. Laufen die Geschäfte schlecht, spüren das die Mitarbeiter im Portemonnaie. Es wird sich also zeigen, wie Verdi den Verbund klassischer Tarifpolitik mit modernen Erfolgsbeteiligungsmodellen aus der Unternehmensführung mitträgt oder ertragen kann.
Der Kompromiss ist Lothar Schröder, Mitglied im Ver.di-Bundesvorstand, nicht leicht gefallen. Doch ohne Streiks hätte es aber gar keinen Kompromiß gegeben.
"Ich hoffe, dass bei diesem Weg die Deutsche Telekom über die Auseinandersetzung auch eins verinnerlicht hat. Ein guter Service geht nur mit Menschen. Und die Menschen, die im Service tätig sind, haben mit ihrer Arbeitsniederlegung unterstrichen, wie wichtig das ist. Ohne Sie wäre dieser Kompromiss nicht möglich gewesen."
Mit dieser Lösung geht nun der sechswöchige Streik einem Ende entgegen. Mehrere Tausend Mitarbeiter beteiligten sich nahezu täglich am Arbeitskampf - ein Novum in der bislang jungen Geschichte der Deutschen Telekom. Neu ist auch, dass es bei diesem Streik nicht nur um Arbeitsplatz- und Wohlstandsicherung ging - also um die klassische Verteilungsfrage zwischen den Sozialpartnern. Der Arbeitskampf war auch das Ergebnis staatlicher Regulierungspolitik. Der ehemalige Staatskonzern wurde bislang von der Bundesnetzagentur an den Wettbewerb herangeführt und langsam dem Kostendruck ausgesetzt. Ein Prozess, der politisch gewollt und entsprechend auch gestaltet wurde. Wirtschaftsprofessor Arnold Picot von der Universität München.
"Wenn man einen solchen Markt in den freien Wettbewerb entlassen würde, ohne ihn zu begleiten durch eine Regulierungsbehörde oder eine Bundesnetzagentur, dann würde natürlich der bisherige Monopolist sich so verhalten wie ein Monopolist sich verhält: Also seine Monopolstellung in seinem Interesse ausnutzen ? Das wäre normal, das würde jeder so machen."
Für die Deutsche Telekom, aber auch für die Gewerkschaft Verdi, war die Bundesnetzagentur in Bonn lange Zeit der Sündenbock. Jedes Jahr musste die Telekom nach eigenen Angaben durchschnittlich 10.000 Stellen abbauen. Wirtschaftlicher arbeitete das Unternehmen deswegen nicht. Im europäischen Vergleich ehemaliger Staatsunternehmen ist die Lohnquote der Telekom hoch. Ein Viertel des Umsatzes beanspruchen immer noch die Personalkosten. Bei der France Télécom sind es gerade mal 18 Prozent, bei der spanischen Telefónica 15 Prozent und die holländische KPN schafft es mit 12 Prozent. Die europäischen Konkurrenten setzen Standards, haben ihre Personalkosten besser im Griff.
Der Wettlauf um die niedrigsten Personal- und Arbeitskosten entwickelt dabei eine Eigendynamik. Denn die zuständige Bundesnetzagentur prüft nicht nur hierzulande die Kosten der Deutschen Telekom, sondern blickt auch über die Landesgrenzen auf die europäischen Wettbewerber. Mit entsprechenden Folgen für den deutschen Marktführer. Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur
"Dann können wir uns angucken: was machen die anderen in Europa, das sind so genannte Vergleichsmärkte. Da sagt man: wenn der das kann für den Preis, warum will dann der andere das Doppelte? Also da gibt es irgendwo Maßstäbe, die aus Vergleichen kommen."
Lange Zeit traute sich die Geschäftführung nicht an die alten Personal-Strukturen heran. Stattdessen expandierte das Unternehmen auf Pump. Ex-Telekom-Chef Ron Sommer nahm viel und vor allem fremdes Geld in die Hand, baute das lukrative Mobilfunkgeschäft in den USA auf und forcierte die Viersäulenstrategie mit den eigenständigen Geschäftssparten
T-Com, T-Mobile, T-Online und T-Systems.
Nachfolger Kai Uwe Ricke avancierte hingegen zum Reparatur-Manager, tilgte die Schulden seines Vorgängers und holte die Internettochter T-Online wieder unter das Dach der Muttergesellschaft.
Letztlich wurde Ricke aber vom scharfen Preiswettbewerb in die Enge getrieben. Die Folge: Zwei Warnungen vor sinkenden Gewinnen, ein dramatischer Kundenverlust im Festnetz und schließlich die Demontage fast des kompletten Topmanagements im November 2006. Ricke verlor das Vertrauen der Kapitalgeber. Zwischenzeitlich klopfte der russische Mischkonzern Sistema an die Tür. Das Unternehmen versuchte das Führungschaos in Bonn auszunutzen und brachte sich als strategischen Investor ins Spiel. Doch der Bunde lehnte ab.
Auch wenn die Bundesregierung sich offiziell nicht zu unternehmensinternen Angelegenheiten äußert - mit 30 Prozent ist der Bund immer noch maßgeblicher Großaktionär und hält im Hintergrund die Fäden in der Hand. Im Sinne der geforderten Haushaltskonsolidierung dürfte Finanzminister Peer Steinbrück nicht nur an einem Verkauf, sondern auch an einem guten Preis und damit an einem möglichst hohen Aktienkurs interessiert sein. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Konzern profitabel arbeitet. Deswegen lautet die Vorgabe aus Berlin: Erst Sanieren, dann kassieren. Nur mit Rückendeckung von Aufsichtsrats-Chef Klaus Zumwinkel und den Großaktionären Blackstone und dem Bund konnte Rene Obermann die Auslagerung von 50 Tausend Mitarbeitern - zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen - in Angriff nehmen.
Allein - es fehlte der richtige Mann für die harten Verhandlungen. Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick führte nach dem Rückzug von Personalchef Heinz Klinkhammer die Geschäfte nur noch kommissarisch. Im Mai, einen Tag vor der Hauptversammlung in Köln, berief der Telekom-Aufsichtsrat Thomas Sattelberger als neuen Personalvorstand und Arbeitsdirektor . Die Gewerkschaft Verdi wurde regelrecht überrumpelt. Mit seiner langjährigen Berufserfahrung bei DaimlerChrysler, Lufthansa und Continental eilte Sattelberger der Ruf als harter Sanierer voraus. Eine klare Kampfansage an die Gewerkschaft - Streikleiter Ado Wilhelm
""Ja natürlich sind wir da heftig sauer. Üblicherweise wird so etwas mit der zuständigen Gewerkschaft diskutiert. Das ist gegen die Gewerkschaft und der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat geschehen."
Der Aufsichtsrat war gespalten, das Konsensmodell mit den Arbeitnehmern offenkundig gescheitert. Selten waren Arbeitgeber und Gewerkschaft so auf Konfrontationskurs gegangen. Verdi reagierte mit Streiks, Personalchef Sattelberger drohte indirekt mit Kündigung bei Arbeitsverweigerung in der neuen Service-Gesellschaft. Der Betriebsübergang der 50.000 Mitarbeiter zum 1. Juli war für die Telekom nicht verhandelbar. Unverständnis zeigte die Geschäftsführung über die Taktik der Gewerkschaft Verdi. Telekom-Chef Rene Obermann auf der Hauptversammlung in Köln
"Bemerkenswert finde ich allerdings, dass Verdi bei uns im Festnetz-Services auf Besitzstandswahrung besteht und mit Wettbewerbern zu erheblich niedrigren Bedingungen gleichartige Tarifverträge abgeschlossen hat [Pfiffe], bei gleichzeitig längeren Arbeitszeiten und flexibleren Arbeitsbedingungen [Pfiffe] Na ja, die Fakten sind wie sie sind."
Die Verhandlungsposition der Gewerkschaft Verdi war trotz der hohen Streikbereitschaft der Beschäftigten alles andere als gut. 12.800 Mitarbeiter sind immer noch in der in der Beschäftigungsgesellschaft Vivento ausgelagert - deren Zukunft ist ungewiss. Bis 2008 sollen weitere 32.000 Arbeitnehmer den Konzern verlassen. Sozialverträglich betont die Telekom und greift tief in die Unternehmenskasse. Das personalpolitische Bündel enthält Abfindungen, Altersteilzeit und Frühpensionierungen.
Ein Zugeständnis an die Arbeitnehmer. Auf der anderen Seite verspielte die Telekom mit ihrer umstrittenen Dividendenpolitik ihre Glaubwürdigkeit. Einerseits forderte die Telekom Sparmaßnahmen von den Beschäftigten, andererseits wurde der gesamte Konzerngewinn von über drei Milliarden Euro in diesem Jahr an die Aktionäre ausgeschüttet. Ein Drittel an den Bund. Richard Schmitz von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz
"Ich glaube, dieses Signal war nicht das richtige, um das mal ganz klar zu sagen. Die Dividende ist nur zum einen Teil verdient. Im Grunde ist das eine Kapitalrückzahlung. Das hätte man auch ehrlich so kommunizieren müssen. Ich habe ja auch nichts dagegen, wenn der Vorstand hingeht und den Aktionären sagt; wenn ihr schon so einen miesen Kursverlauf habt, dann sollt ihre wenigstens eine entsprechende Verzinsung darauf bekommen. Das ist nicht das Thema. Aber das Problem ist aber, dass man hingeht und sagt. Wir sind operativ so stark, dass wir die Dividende zahlen können."
Angesichts des scharfen Wettbewerbs half der Deutschen Telekom nur die Flucht aus dem alten Tarifvertrag
Oder die Flucht nach vorn!
Vor allem Innovationen sollen das nötige Gewinnwachstum bringen. Auf dieses Modell haben sich die Tarifpartner schließlich geeinigt. Lohnkürzung gegen Erfolgsbeteiligung! Wenn die Geschäfte gut laufen, geht es auch den Mitarbeitern gut. Große Hoffnungen setzt die Telekom dabei auf das schnelle Glasfasernetz. Gut drei Milliarden Euro dürfte der Bonner Konzern in seine VDSL- Technik investieren und verspricht sich davon kräftige Wachstumsimpulse.
Mit dem modernen Glasfasernetz bietet der Marktführer nicht nur Internet und Telefon aus einer Hand an, sondern auch den exklusiven Zugang zum hochauflösenden Fernsehen - eine Schlüsseltechnologie und entscheidend für die Zukunft der Branche. Die Telekom könnte damit zum führenden Medienanbieter aufsteigen. Die Wettbewerber blieben auf der Strecke. Peer Knauer vom Bundesverband Breitbandkommunikation will dem nicht tatenlos zusehen. Entweder erhalten die Konkurrenten Zugang zum VDSL-Netz der Telekom oder sie bauen eine eigene Infrastruktur auf.
"Es sind nach wie vor viele Fragen ungeklärt. Kommen wir auf das VDSL-Netz der Deutschen Telekom, kommen wir in den Kabelverzweiger an das Netz heran. Zum anderen überlegen einige unserer Unternehmen, ob Sie direkt mit Glasfaser in die Gebäude hineingehen. Und insbesondere die Carrier, die über Netze in den Städten verfügen, sind hier ganz gut positioniert"
Die Telekom erhält mit ihrer Ausgrenzungsstrategie Rückendeckung aus Berlin. Mit dem Telekommunikationsgesetz hat die Bundesregierung das VDSL- Netz einfach aus der Regulierung genommen, hält ein letztes Mal schützend die Hand über den ehemaligen Staatskonzern - sehr zum Ärger von Brüssel. Nach Ansicht der Europäischen Kommission ist die Deutsche Telekom damit weitgehend konkurrenzlos. Die Kommission hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet.
Der Streit dürfte vor dem Europäischen Gerichtshof ausgetragen werden. Doch die Pläne der Kommission reichen viel weiter. Mit dem für Sommer angekündigten Entwurf der neuen EU-Telekommunikationsrichtlinie soll die Vormachtstellung der Ex-Monopolisten endgültig gebrochen werden.
Noch liegen diese Pläne im Giftschrank der Kommission. Der Druck auf die europäischen Telefonriesen nimmt aber angesichts der Digitalisierung der Netze ohnehin zu. 11 Jahre nach dem Börsengang steht die Deutsche Telekom vor einer ihrer größten Herausforderungen. Die Transformation des Ex-Monopolisten geht in die letzte Runde.
Zunächst werden die Kosten reduziert, später wird voraussichtlich die Belegschaft verkleinert. Der Kündigungsschutz geht nämlich nur bis zum Jahr 2012. Bis dahin will die Telekom technisch auf dem neusten Stand sein Dann braucht sie angesichts der Modernisierung erwartungsgemäß weniger Monteure und Servicetechniker. Telekom-Chef Rene Obermann nannte es auf der Hauptversammlung Sparen für Service
"Ein wesentlicher Punkt dieses Programms ist die Umstellung unserer Netztechnik auf eine einzige konzernweite Produktionsplattform auf Internetprotokollbasis. Wir arbeiten derzeit mit mehreren und verschiednen Produktions- und Transportnetzen. Der Übergang auf nur noch ein modernes netz wird im Endausbau in den nächsten Jahren Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro bringen."
Und wieder ist es der Wettbewerb, das schillernde Wesen der Marktwirtschaft, das die Deutsche Telekom zu neuen Effizienzsteigerungen antreibt. Im Kampf um Marktanteile versucht der rosa Riese ein letztes Mal die alte Strategie des integrierten Telekommunikationskonzerns. Alles aus einer Hand und eben nur von der Telekom, so lautet die Marschrichtung. "Wir werden nie der billigste sein", urteilte jüngst Telekom-Festnetz-Chef Timotheus Höttges. Aber man könne mit der neuen Service Strategie Kunden halten und hinzugewinnen, glaubt der Spitzenmanager. Der Kunde entscheidet letzlich über die Zunkunft der Deutschen Telekom, bislang gab es nur ein Kriterium und das war der Preis.
Für die Mitarbeiter dürfte der Rationalisierungsdruck steigen. Politisch ist der Weg vorgezeichnet. Wolfgang Bötsch, ehemaliger Postminister war kein Visionär. Doch die Zukunft der Telekom hatte er bereits klar vor Augen.
"Sie muss ihre Effizienz verbessern. Und für die Verbesserung ist der Wettbewerb geradezu die richtige Voraussetzung."