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Politisch unabhängig und humorvoll

Der polnische Schriftsteller Radek Knapp hat den verstorbenen Autor Stanislaw Lem als einen sehr humorvollen Mensch gewürdigt. Einzigartig an ihm sei seine politische Unabhängigkeit gewesen. Aders als zum Beispiel in Deutschland oder in Frankreich sei es in Polen ein "Riesen-Kunststück", sich nicht von politischen Strömungen vereinnahmen zu lassen. Dadurch wüssten die Polen nun, "was sie wirklich an ihm verloren haben", so Knapp.

Moderation: Beatrix Novy |
    Novy: Stanislaw Lem ist gestorben. Er war 85 Jahre alt und hat mit seinen wissenschaftlichen Zukunftsromanen und technikphilosophischen Abhandlungen das zwanzigste Jahrhundert begleitet, mit den Augen vieler. Lassen wir zunächst einen jungen polnischen Schriftsteller zu Wort kommen, der mit Stanislaw Lem befreundet war, Radek Knapp. Ich habe ihn zunächst gefragt, wie Lems Laufbahn eigentlich begonnen hat.

    Knapp: Also Lem, wie er mir selber erzählt hat, hat ein paar Monate in Lemberg praktiziert als Gynäkologe, aber dann, wie er mit eigenen Worten es gesagt hatte, war er doch zu sensibel für diesen Beruf und er hat sich auf den des Autors, des Schriftstellers, verlegt.

    Novy: Worin lag seine Faszination für dieses Genre des Science-Fiction-Romans, des wissenschaftlichen Zukunftsromans, kann man in diesem Fall sagen?

    Knapp: Jaja. Es gibt zwei Gründe, erstens weil Stanislav Lem, ein Mann der sich sehr für die Technik, für die Physik und so weiter interessiert hatte, zweitens lebte er in einem Land, in einem Land wo das totalitäre System herrschte und der einfach nicht eins zu eins das sagen konnte, was er wollte. Also er ist durch eine Metapher ein bisschen in den Kosmos oder fremde Sterne ausgewichen, wo er eigentlich das frei sagen konnte, was normalerweise nicht erlaubt worden wäre.

    Novy: Was war denn seine Botschaft, die da hinter den Zeilen stand?

    Knapp: Also es gibt natürlich viele Botschaften, aber die Botschaft, die ich immer am meisten mitbekommen habe, als ich mit ihm gesprochen habe, war die, dass der Mensch ein arrogantes und überhebliches Wesen ist und man nie genug Mühe aufwenden kann, dem Menschen zu zeigen, was er wirklich ist, denn nur so kann er besser werden.

    Novy: Wie hat sich denn seine Sicht auf die Technikentwicklung, denn die hat ja seine Vision teilweise überholt, geändert und entwickelt im Laufe dieser vielen Jahre, die er das noch erlebt hat?

    Knapp: Das stimmt. Ich glaube aber, in generellen und wichtigen Dingen hat er doch Recht behalten. Lassen Sie mich noch was Persönliches sagen.

    Novy: Gerne.

    Knapp: Ich bin ihm zum ersten Mal vor zwanzig Jahren begegnet, da war ich selber zwanzig, und ich sagte damals, ich schreibe auch und da fing er mir an, mit seinem Finger zu drohen und sagte, schreiben ist eine brotlose Kunst daran wirst du noch des Hungers sterben. Und ich sagte, wenn ich schon an etwas sterben werde, dann möchte ich mir das schon aussuchen wollen. Und er sagte, aha, dann komm zu uns, wir haben gerade ein tolles Mittagessen. Und seit dem bin ich ungefähr seit den letzten zwanzig Jahren ... sind wir wirklich sehr eng geblieben und ich, als er also noch in Wien war, habe ich mindestens zehn Jahre, wo er noch in Wien gelebt hatte, war ich eigentlich regelmäßig am Sonntag, jeden Sonntag bei denen, bei den Lems zu Gast.

    Novy: Was war er für ein Mensch?

    Knapp: Naja, er war vor allem sein sehr humorvoller Mensch. Und er war, und das ist wirklich etwas Einzigartiges für einen polnischen Schriftsteller, überhaupt nicht kontaminiert von diesen politischen Einflüssen, was in einem Land wie Polen wirklich ein Riesen-Kunststück ist. Das kann man in Deutschland oder in Frankreich viel leichter zu Wege bringen. Aber in Polen sich einfach nur darauf konzentrieren, was einen interessiert, ist wirklich ein großes Kunststück und das hat er perfekt zu Wege gebracht und dadurch wissen jetzt die Polen, jetzt wo er tot ist, was sie wirklich an ihm verloren haben.

    Novy: Das war der polnische Schriftsteller Radek Knapp über Stanislaw Lem.