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Politische Serien
Das Fernsehen und die echte Politik

Politik ist auch immer Unterhaltung, gerade in den USA. Kein Wunder, dass im boomenden Genre der TV-Polit-Serien Washington zurzeit die Nase vorne hat. Medienwissenschaftler stellen fest, dass bestimmte Themen damit auf die öffentliche Tagesordnung kommen.

Von Christoph Sterz | 05.03.2016
    "For those of us climbing to the top of the food chain, there can be no mercy. There is but one rule: Hunt or be hunted.”
    Aber egal wie viele Frank Underwoods über unsere Bildschirme laufen: Zuschauer denken deswegen noch lange nicht, dass auch die echten Volksvertreter zur Not über Leichen gehen. Serien können aber trotzdem einen gewissen Einfluss haben auf unsere persönlichen Ansichten, meint der Medienwissenschaftler Andreas Dörner:
    "Es gibt mittlerweile ein paar Studien, die aussagen: Ja, insbesondere wenn Formate über längere Zeiträume rezipiert werden, gibt es durchaus Effekte, zum Beispiel auf der Ebene der Vorstellungen. Also was sind zum Beispiel wichtige Themen, die die Politik bestimmen, wie funktioniert Politik überhaupt, da gibt es Effekte. Und man hat sogar bei einer Untersuchung über Rezipienten der Lindenstraße festgestellt, dass sich in den politischen Handlungsbereitschaften, zum Beispiel eine bestimmte Partei zu wählen, durchaus messbare Effekte finden ließen. Also, nach mehrfacher Sichtung der Lindenstraße waren einige Nutzer eher bereit, die Partei der Linken zu wählen, was ein ganz interessanter Effekt ist eigentlich. Aber vermutlich auch den Intentionen des Machers ganz entgegenkommt."
    Das heißt aber nach Ansicht des Medienwissenschaftlers noch lange nicht, dass Serien die politischen Ansichten dauerhaft und tiefgehend verändern. Welcher Effekt sich dagegen eindeutig feststellen lässt bei politischen Fernsehserien, ist laut Andreas Dörner das sogenannte Agenda-Setting.
    "Serien bringen bestimmte Themen auf die öffentliche Tagesordnung, sorgen dafür, dass bestimmte Aspekte des Politischen zum Gesprächsstoff werden. Und das wiederum wird dann gerne von politischen Akteuren ihrerseits wieder genutzt. Also Themen setzen, Gesprächsstoff setzen, Anlässe für öffentliche Diskussionen geben, das können fiktionale Serien sehr wohl."
    Diese Beobachtung hat auch der Politikberater Julius van de Laar gemacht; vor allem, als er vor einigen Jahren hauptamtlicher Wahlkämpfer für den damaligen US-Präsidentschaftskandidaten Barack Obama war. Damals habe zum Beispiel die Politserie "The West Wing" dazu beigetragen, dass ein "Yes we can"-Politiker-Typ wie Obama von vielen herbeigesehnt und unterstützt wurde. Nach Meinung von van de Laar eignet sich das politische System der USA im Vergleich zum deutschen ohnehin viel eher als Hintergrund für eine Serie.
    "Die amerikanische Politik ist, glaube ich, deutlich facettenreicher, zumindest was die Inszenierung angeht. Es ist deutlich mehr Geld in der amerikanischen Politik. Wenn man sich den letzten 2012er-Wahlkampf anschaut, dann hat die Obama-Kampagne alleine über eine Milliarde Dollar ausgegeben. Wenn man das mit den deutschen Parteien vergleicht, dann ist man bei der CDU, SPD bei etwa 25, 27, 28 Millionen Euro. Insofern, die Inszenierung in den USA ist eine ganz andere. Dementsprechend sind da auch unheimlich viele Storylines und Narrative, die natürlich auch in Medien und vor allem natürlich auch in Serien aufgegriffen werden können."
    Wobei der reale Washington-Betrieb dann doch ein bisschen weniger spektakulär ist als der fiktive. Darauf legt zumindest einer wert, der als "House of Cards"-Fan einerseits und als noch amtierender US-Präsident andererseits beide Welten kennt, Barack Obama.
    "Das Leben in Washington ist viel langweiliger als im Fernsehen. Wenn Sie mir an einem ganz normalen Tag folgen würden, würden Sie mich erleben, wie ich in einem Raum sitze und Menschen in grauen Anzügen zuhöre. Und diese Menschen sprechen auch noch über Themen, die für spannendes Fernsehen nicht wirklich geeignet sind."