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Politische Umweltprobleme

Er wurde "Muttis Klügster" genannt, nun muss Norbert Röttgen nicht nur bundespolitisch, sondern auch auf NRW-Ebene seine Klugheit unter handfesten Beweis stellen. Röttgen findet als neuer NRW-CDU-Vorsitzender eine grabenkämpfende Partei vor - während er auf Bundesebene die Umwelt retten muss.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    "Danke, dass Sie so zahlreich zu unserer in der Tat letzten Regionalkonferenz gekommen sind ..."

    Gestern Abend mitten im Ruhrgebiet: Die Bundes-CDU trifft sich in Essen zur Regionalkonferenz, auch die Kanzlerin ist gekommen. Ausnahmsweise in diesen Tagen gibt es etwas zu feiern bei den Christdemokraten, gerade hat der Landesverband NRW Norbert Röttgen zum neuen Vorsitzenden nominiert:

    "Und ich möchte beiden Kandidaten ganz herzlich danken, sowohl Armin Laschet als auch Norbert Röttgen ..."

    Ein Strahlen zieht über das jungenhafte Gesicht des früh ergrauten Bundesumweltministers. Armin Laschet ist hingegen schon wieder der Pechvogel. Steckengeblieben im Stau eilt er schnurstracks durch die Messehalle, als Angela Merkel schon am Rednerpult steht:

    "Es lohnt sich ja doch noch mal, wenn man nach einem ruft, dann kommt er auch schon um die Ecke ..."

    Zu allen Niederlagen nun auch noch eine Prise Spott für Laschet. Tapfer lächelnd nimmt er in der ersten Reihe Platz und muss von da aus aufschauen zum Podium, wo die versammelte Bundesspitze sitzt, mittendrin Norbert Röttgen. Mit der Kanzlerin zu seiner Rechten plaudert der Umweltminister wenig. Schließlich sieht man sich fast täglich in Berlin und beide wissen: Als neuer Chef der NRW-CDU wird "Muttis Klügster" – so Röttgens Spitzname – ab sofort auch einer von "Muttis Mächtigsten" in der Hauptstadt. In Düsseldorf sieht die Lage für Röttgen ganz anders aus. Kaum ist die Mitgliederbefragung zum Landesvorsitz gelaufen, brechen bei den Christdemokraten schon wieder Grabenkämpfe aus. Zahlreiche Spitzenämter müssen in diesen Tagen neu besetzt werden. Eine Herkules-Aufgabe, zumal Röttgen ständig zwischen Berlin und Düsseldorf pendelt. Allen Fragen, wie viel Zeit er künftig in der Landeshauptstadt verbringen wolle, weicht er hartnäckig aus:

    "Ich bin von diesem Modell sehr überzeugt und werde mir nun alle Mühe geben und alle Kraft einsetzen, alle Energie einsetzen, das auch zum Erfolg zu bringen."

    Die Pendelei zwischen Bund und Land ist das eine, doch viel schwerer wiegt noch, dass Röttgen am Rhein bisher keine Hausmacht hat. Sechs von acht Bezirksverbänden hatten sich für Armin Laschet als Landesvorsitzenden ausgesprochen, und auch in der Landtagsfraktion waren längst nicht alle für Röttgen. Nur einer trommelte wochenlang für den Mann aus Meckenheim und soll dafür jetzt mit dem Posten des Generalsekretärs belohnt werden. Oliver Wittke, früherer Landesverkehrsminister. 2009 flog er aus dem Amt, weil er mit 109 Km/h durch eine geschlossene Ortschaft gefahren war. Jetzt will der "rasende Olli", wie er in Parteikreisen genannt wird, die CDU auf Vordermann bringen. Schwerwiegende Probleme habe die Partei allerdings nicht:

    "Also erst einmal will ich widersprechen, die CDU ist in einem guten Zustand ..."

    Er sei einer, der manchmal erst rede und dann nachdenke, ätzen Parteifreunde über Wittke. Sollte er beim Landesparteitag am Samstag ein schlechtes Wahlergebnis einfahren, wäre das der erste Dämpfer für Norbert Röttgen. Doch mit Andreas Krautscheid, dem Noch-Generalsekretär, hat Röttgen es sich schon vor langer Zeit verscherzt, und so wird der scharfzüngige Krautscheid, bisher eine Art Allzweckwaffe der CDU, sich von allen politischen Ämtern zurückziehen. Berauscht von seinen neuen Karriereaussichten platzt Oliver Wittke derweil vor Euphorie. Zumal er und der Norbert ja dicke Freunde seien:

    "Wir kennen uns seit vielen, vielen Jahren, haben damals in der Jungen Union politisch laufen gelernt, ticken auch gleich, haben gleiche Charaktereigenschaften. Dazu gehört sicherlich Offenheit, sicherlich auch eine Geradlinigkeit, und vor allem eine Verlässlichkeit."

    Von Röttgen heißt es hingegen, er sei mit der Personalie Wittke längst nicht mehr so glücklich. Denn er weiß: Einige Christdemokraten murren jetzt schon, dass der 45-Jährige als früherer Landesminister nicht gerade für den viel beschworenen Neuanfang steht. Umstritten auch die anstehende Neubesetzung des Landesvorstands: Unter den Kandidaten tummeln sich zahlreiche Protagonisten aus dem sogenannten System Rüttgers. Gleiches gilt für jene Köpfe, die Röttgen zu seinen Stellvertretern ernennen will, neben Armin Laschet sind gleich zwei weitere Ex-Minister vorgesehen. Doch der neue Hausherr hat keine Wahl. Frische, unverbrauchte Gesichter sind in der NRW-CDU nicht in Sicht. So fällt in diesen Tagen auf, dass Röttgen das Wort Neuanfang – anders als vor seiner Wahl – kaum noch verwendet. Und wenn, dann nur bei den inhaltlichen Fragen. Röttgen will deutliche Kurskorrekturen in der Schul- und kommunalen Finanzpolitik. Nach wochenlanger Lähmung durch die parteiinternen Wahlen soll die CDU endlich als Oppositionspartei in Erscheinung treten. Mit Kampfansagen an Rot-Grün spart Röttgen nicht, die Einladung der Minderheits-Regierung zur Zusammenarbeit wischt er selbstbewusst beiseite:

    "Das kann jetzt nicht durch Runde Tische aufgelöst werden. Also entweder beansprucht diese Regierung zu sein, dann muss sie auch Regierungsfähigkeit zeigen. Oder sie sagt, wir können nicht regieren, dann soll sie abtreten. An der Alternative gibt es auch keinen dritten Weg."

    Doch die markigen Worte täuschen nicht darüber hinweg, dass die CDU derzeit nichts mehr fürchtet als Neuwahlen. Die Demoskopen sehen in NRW Rot-Grün, oder besser Grün-Rot, im Aufwind. Und zusätzlich sind die Regierungsparteien in Düsseldorf nun beglückt, dass die Wahl der CDU-Basis auf Norbert Röttgen gefallen ist, schließlich wird der neue Oppositionschef die meiste Zeit abwesend sein. Hinzu kommt, dass Röttgen ohne Landtagsmandat im Plenarsaal kein Rederecht hat. Genauso geht es dem designierten Generalsekretär Oliver Wittke, der qua Amt eigentlich der neue Wadenbeißer der Landesregierung werden müsste. So bleiben im Landtag ein als Redner nur mittelmäßig begabter Fraktionschef Karl-Josef-Laumann und sein Vize Armin Laschet, verfolgt vom Image des Verlierers. Nur einer scheint sich allmählich mit seiner Niederlage abzufinden. Auf der Essener Regionalkonferenz brilliert Jürgen Rüttgers wieder einmal als unterhaltsamer Moderator und darf selbst der Kanzlerin noch einmal sagen, wo es langgeht:

    "Nee, Du bist noch nicht dran, ich habe Dich noch nicht aufgerufen ... .also ich habe nämlich auf meinem Zettel stehen, ich soll erst dem Herrmann danken für seine Rede, was ich hiermit tue. Jetzt hat die Kanzlerin das Wort, Angela ..."

    Vorbei die Zeit der Affären und Wahlniederlagen. Jürgen Rüttgers verteilt nur noch nette Worte und wird vielleicht mit dem Ehrenvorsitz der NRW-CDU belohnt. Ausmisten und aufräumen müssen in Düsseldorf jetzt andere, unter Führung eines neuen Parteichefs, von dem kaum einer weiß, ob es ihm wirklich um die Macht am Rhein oder die in Berlin geht.