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Politologe: Merkel hat Ministerpräsidenten unterschätzt

Nach Ansicht des Politologen Gerd Langguth hat der Streit um die Gesundheitsreform Bundeskanzlerin Angela Merkel im Lager der Union geschwächt. Sie habe es versäumt, sich der Unterstützung der Ministerpräsidenten zu versichern, sagte der Wissenschaftler von der Universität Bonn. "Die Machtfrage stellt sich für Frau Merkel vielleicht schneller, als sie gedacht hat", sagte Langguth voraus.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Am Telefon bin ich nun verbunden mit Gerd Langguth, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn, selbst einmal für die Union im Deutschen Bundestag. Guten Tag, Herr Langguth.

    Gerd Langguth: Guten Tag, Herr Breker.

    Breker: Die Unionsministerpräsidenten haben es geschafft: Der Gesundheitsfonds kommt erst 2009, nachdem also in Bayern, Hessen und Niedersachsen und Hamburg gewählt wurde. Dieser Zusammenhang, Herr Langguth, der ist offensichtlich?

    Langguth: Ja sicher ist der Zusammenhang offensichtlich. Vielleicht ist es sogar ein gewisser Abschied von dieser unpopulären Reform in Richtung eines Gesundheitsfonds. Wie auch immer, die Ministerpräsidenten haben hier eine sehr tragende Rolle gespielt, eine sehr tragende. Und die Machtfrage stellt sich für Frau Merkel vielleicht schneller, als sie gedacht hat. Denn man muss ja eines sehen, was bisher ja in den ganzen Diskussionen nicht bedacht wurde, ist: Wir haben ja den nächsten Bundesparteitag der Union am 27. November in Dresden, da werden alle Positionen neu gewählt, da wird auch die Vorsitzende neu gewählt - und da werden übrigens auch neu alle Stellvertreter gewählt: Koch, Wulff und Rüttgers. Also das wird ein spannender Parteitag vor dem Hintergrund der Diskussion der letzten Wochen, denn noch nie war in diesen Deutschlandtrends die Union so schlecht dagestanden. Und auch noch nie ist die Politikkommentierung, wo auch immer man liest, in welchen Zeitungen oder in welchen Hörfunksendern, so negativ für Frau Merkel und die Union wie gerade jetzt.

    Breker: Und die Unionsministerpräsidenten, die haben halt einfach was zu verlieren 2008: Sie haben überall die Mehrheit.

    Langguth: Ja. Nun, das hat ja vielleicht auch Frau Merkel unterschätzt. Und ich will jetzt noch mal darauf hinweisen: Von den 16 Ministerpräsidenten, die es in Deutschland gibt, werden ja 11 von der Union gestellt. Und bei den restlichen fünf sind ja sogar noch an drei Landesregierungen auch noch die Union - wenn man Mecklenburg-Vorpommern hinzurechnet - mit dabei. Also, und die Ministerpräsidenten sind natürlich alles wortgewaltige Leute und Frau Merkel hat es versäumt ein Stück weit, sich der Unterstützung der Ministerpräsidenten zu versichern. Es ist ja so: Wenn zum Schluss nur noch der thüringische Ministerpräsident Althaus mehr, aber auch fast nur noch getragen, weil er ein bisschen solidarisch sein wollte, sich hinter die Gesundheitsreform stellte, aber auch er sogar anmahnte, hier müsse die Kritik berücksichtigt werden, dann hat Frau Merkel einfach die Front der Ministerpräsidenten unterschätzt.

    Breker: Und die hängen in dem Dilemma, dass sie einerseits eine erfolgreiche Große Koalition in Berlin brauchen, andererseits aber sich eben von dieser Großen Koalition auch absetzen müssen?

    Langguth: Ja. Nur, es ist ein Dilemma natürlich auch für erfahrene Politiker einer Partei, die natürlich wissen: Je mehr sie sich von einer Bundesregierung absetzen, umso mehr schlägt das negativ letztlich zurück. Es gibt auch Erfahrungen aus früheren Wahlkämpfen, zum Beispiel als Lothar Späth Ministerpräsident in Baden-Württemberg war, da hat seine ganze Profilierung, sich gegen die Regierung Kohl auszusprechen - und das auch mit heftigen Worten -, überhaupt nichts genutzt. Also man muss einfach sehen: Die Bevölkerung nimmt dann doch die Union als in einem Boot sitzend wahr, egal ob jetzt jemand im Steuerschiff in Berlin ist oder vielleicht im Beiboot da und dort im Saarland vielleicht oder, sondern die wollen eben, die Bevölkerung, wollen eine geschlossene Union. Und das - eine der Hauptgründe für die miserable Meinungsumfragen bestehen ja in der Tatsache der Zerrissenheit. Wobei ich sagen muss, ich kann ja sogar auch verstehen, dass Ministerpräsidenten ja nicht nur an die Partei, der sie angehören, zu denken haben, sondern auch an das Wohl und Wehe der jeweiligen Länder.

    Aber der Parteitag, den ich eben angesprochen habe, dürfte insofern auch interessant werden, weil sich dann die Frage stellt, mit welchem Stimmenergebnis wird Frau Merkel wiedergewählt, wie sieht es mit der Wahl des Generalsekretärs aus? Und dann wird es besonders interessant, weil es ja um die Wahl auch der stellvertretenden Parteivorsitzenden geht. Und diesmal werden Koch, Wulff und Rüttgers gemeinsam antreten, und dann wird man auch sehen, wie dann die Abstimmungen sind - sozusagen eine Art politischer Schönheitswettbewerb innerhalb der Union -, wer von diesen Politikern die größte Unterstützung hat. Und das wird auch ein Stück weit auch diese Politiker zwingen, mit Frau Merkel also nicht völlig auf Konfrontationskurs zu gehen, obwohl man natürlich sagen muss: Man weiß nicht, was die nächsten Wochen bringen.

    Breker: Einer, der sich auf dem Parteitag nicht zur Wahl stellen muss, ist Edmund Stoiber. Er hat bei den Beratungen zugestimmt, aber in gewisser Weise unter Vorbehalt. Das kann man doch auch nehmen als Misstrauensvotum gegen Angela Merkel?

    Langguth: Herr Stoiber macht ja inzwischen die Dinge immer unter Vorbehalt. Man muss ja sehen: Es ist ja eigentlich grotesk, dass er sich an diesem Eckpunktepapier beteiligte und dann später die ganze Last auf die Landesgruppe der CSU abwarf und sagte, die sollen sich jetzt mal darum kümmern, dass die Gesundheitspolitik in vernünftigere Bahnen läuft. Also auch Stoiber muss sich übrigens mal selber die Meinungsumfragen, die zu seiner Person in Bayern sind, anschauen, dann wird er vielleicht auch zu Ergebnissen kommen.

    Breker: Nun sollte, Herr Langguth, ja die Gesundheitsreform das Prestigeobjekt der Großen Koalition werden. Auf jeden Fall ist dies nur ein Anfang. Es folgt ja noch die Unternehmenssteuerreform, und auch die Änderungen bei Hartz IV stehen noch an. Aber angesichts dieser Prozedur, kann man da zuversichtlich sein?

    Langguth: Ja, man muss natürlich sehen, ich bin natürlich auch nicht so wahnsinnig optimistisch, was die Dinge, die Sie jetzt angesprochen haben - also da kommt ja noch Föderalismusreform II dazu, da kommen die ganzen Fragen Kernenergie, Endlagerung, Finanzierung der Ruhrkohle und so weiter hinzu -, also es gibt noch viele, viele Themen, wo sich theoretisch und praktisch diese große Koalition zerstreiten kann. Nur muss ich doch sagen, die Gesundheitsreform ist natürlich das allergrößte und das allerschwierigste Projekt. Etwa drei Millionen Menschen arbeiten im Gesundheitswesen, das allein zeigt schon, wenn man sieht, dass etwa 250 Milliarden Euro jedes Jahr im deutschen Gesundheitswesen ausgegeben werden, und so weiter, dann muss man einfach sehen, dass diese Baustelle natürlich auch die schwierigste ist und wo vielleicht auch am kontroversesten zwischen den beiden großen Parteiformationen die Dinge in der Regierung diskutiert werden.

    Aber Sie haben natürlich Recht, nur wissen natürlich auch beide Partner, wenn sie weiter so machen, dann werden sie abstürzen. Sie müssen ja sehen, auch die SPD hat jetzt trotz der guten Umfrageergebnisse im Moment ja auch kein Interesse beispielsweise an vorgezogenen Wahlen, denn das würde wahrscheinlich zur Stärkung der kleineren Parteien führen. Und ein Stück weit sind beide Parteien auch darauf angewiesen, dass sie Erfolge abliefern. Und ich hoffe auch, dass die dann auch eintreten. Und vor allem muss man eines sehen, was man immer wieder dieser Koalition ins Stammbuch schreiben muss: Sie muss dafür sorgen, dass Rahmenbedingungen für neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist das A und O der Wiederwahl auch zum Beispiel von Frau Merkel. Nur wenn es gelingt, hier auch Hoffnungen zu vermitteln, dass der Aufschwung, den es ja jetzt durchaus gibt, dass der also dann auch zu neuen Arbeitsplätzen führt, nur dann hat sie auch eine Chance, wiedergewählt zu werden.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Gerd Langguth, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn. Herr Langguth, Danke für dieses Gespräch.

    Langguth: Danke auch.