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Politpoker um die Prager Burg

Das neue tschechische Wahlgesetz erlaubt in sechs Wochen zum ersten Mal eine Direktwahl des Präsidenten. Doch schon bei der Aufstellung der Kandidaten gibt es Probleme. Die tschechische Wahlkommission hat mehrere von der Wahl ausgeschlossen - es droht eine Prozesslawine.

Von Stefan Heinlein |
    Tomio Okamura hat große politische Ambitionen. Im kommenden Jahr will der tschechische Geschäftsmann mit japanischen Wurzeln in die Prager Burg einziehen. Doch sein Traum ist vorerst geplatzt. Nur gut die Hälfte der 60.000 Unterschriften für seine Präsidentschaftskandidatur ist gültig. Das Innenministerium hat ihn daraufhin kurzerhand von der Kandidatenliste gestrichen. Ein Skandal – so der nationalkonservative Neupolitiker:

    "Das Ministerium hat total versagt. Ich werde meine Bürgerrechte und die Interessen meiner Wähler beim Obersten Gericht einklagen."

    Auch die beiden anderen Streichkandidaten haben inzwischen angekündigt, sich notfalls durch alle Instanzen bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen zu wollen. Diese drohende Prozesslawine könnte durchaus den für Anfang Januar geplanten Wahltermin gefährden, meint die ehemalige Verfassungsrichterin Eliska Wagnerova:

    "Das Oberste Verwaltungsgericht muss bis Mitte Dezember entscheiden. Das Verfassungsgericht ist jedoch an keine Fristen gebunden. Eine Wahlverschiebung ist deshalb sehr realistisch. Das ist sehr unangenehm und eine Schande für Tschechien."

    Hauptgrund für das mögliche Politchaos in Tschechien ist das in diesem Jahr mit heißer Nadel gestrickte Wahlgesetz. Erst nach langem Streit einigten sich Regierung und Opposition auf die Abschaffung der bisherigen Präsidentenkür durch beide Kammern des Parlamentes. In der Eile wurde aber offenbar das Kleingedruckte für eine ordnungsgemäße Auswahl der Bewerber vernachlässigt, kritisiert der oberste Verfassungsrichter Pavel Rychetsky:

    "Das ging alles furchtbar schnell. Es fehlen viele Details. Die Gerichte müssen nun das ganze Zulassungsverfahren überprüfen."

    Auf dem Papier ist Sache klar. Nur wer aus den Reihen der beiden Parlamentskammern vorgeschlagen wird oder mindestens 50.000 Unterschriften vorweisen kann, darf ins Rennen um die Prager Burg gehen. Doch das Verfahren zur Überprüfung der Unterschriften ist im Gesetz nicht eindeutig geregelt. Für Juristen eine absurde Situation – doch alles halb so schlimm, meint Vaclav Henych vom Prager Innenministerium:

    "Das ist doch kein Problem – es gibt halt unterschiedliche Interpretationen des Gesetzes. Nun müssen die Gerichte entscheiden. Vielleicht können die ausgeschlossenen Kandidaten dann wieder antreten. Diese Direktwahl des Präsidenten gibt es zum ersten Mal. Wir werden aus den Fehlern lernen und es beim nächsten Mal besser machen."

    Vielen Kommentatoren in Tschechien kräuseln sich angesichts dieser demokratischen Lässigkeit die Nackenhaare. Vereinzelt wird nun sogar der Ruf nach einer Rückkehr zum alten Wahlverfahren laut. Doch die Hinterzimmerpolitik mit wochenlangen Mauscheleien bei der Wahl von Vaclav Klaus vor fünf Jahren war der Grund für die Einführung der Volkswahl. Das neuerliche Wirrwarr lässt nun laut Umfragen die ohnehin starke Politikverdrossenheit in Tschechien weiter wachsen.