Samstag, 20. April 2024

Archiv

Polizeigewerkschaft zum Einsatz in München
"Ich bin sehr stolz auf die Kollegen"

Der Einsatz der Sicherheitskräfte in München sei sehr koordiniert abgelaufen, sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, im DLF. Er sei stolz auf die Kollegen, die gute Arbeit geleistet hätten.

Rainer Wendt im Gespräch mit Martin Zagatta | 23.07.2016
    Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft
    Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. (Picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Wendt betonte, man habe es geschafft, in kurzer Zeit Tausende Einsatzkräfte zusammenzubringen. Auch die Öffentlichkeitsarbeit sei sehr professionell abgelaufen und habe Panik in der Bevölkerung verhindern können. Insgesamt könne man also von einem "gelungenen Einsatz" sprechen. Wenn es notwendig sei, dann sei man auch in der Lage zu reagieren.
    Wendt sagte weiter, nun schlage die Stunde der Ermittler. Die Hintergründe der Tat müssten aufgedeckt werden. Insofern stimme er mit dem Münchner Polizeipräsidenten überein, der gesagt habe, dass man die Tat erst dann klassifizieren könne, wenn man auch die Motive kenne.

    Das Interview in voller Länge:
    Martin Zagatta: Im Moment sieht so aus, als ob ein junger Mann – ein Deutsch-Iraner heißt es – neun Menschen erschossen hat in einem Einkaufszentrum am Olympiagelände und sich dann anschließend selbst getötet hat. Wir lassen uns gleich wieder aus München informieren und sprechen dann mit Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft und mit dem CSU-Politiker Hans-Peter Uhl. Mitgehört hat Rainer Wendt, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Guten Morgen, Herr Wendt!
    Rainer Wendt: Guten Morgen! Ich bin der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, aber das lassen wir so.
    Zagatta: Genau, der Deutschen Polizeigewerkschaft. 2.300 Polizisten, Herr Wendt, waren gestern da im Einsatz, die GSG 9 war mit vor Ort, haben Sie solch einen Einsatz, etwas Vergleichbares, in Deutschland schon einmal erlebt?
    Wendt: In dieser Komplexität glücklicherweise noch nicht, aber die gute Nachricht daran ist, dass es gelungen ist, in kurzer Zeit Tausende Einsatzkräfte zusammenzubringen und diesen Einsatz sehr koordiniert ablaufen zu lassen, einschließlich einer sehr professionellen Öffentlichkeitsarbeit, die verhindert hat unter anderem, dass Panik in der Bevölkerung ausbricht. Ich bin da schon sehr stolz auf die Kolleginnen und Kollegen, die da eine gute Arbeit geleistet haben. Man sieht, dass selbst, wenn Sie Informationen, die ja am Anfang auf einen terroristischen Anschlag hindeuteten, sich dann glücklicherweise nicht bestätigt haben, dass die Polizei in der Lage ist, eine solche Situation zu beherrschen.
    Zagatta: Hundertschaften der Polizei vor Ort, das haben wir ganz schnell gehört, jetzt heißt es 2.300 Polizisten. Heißt das im Gegenzug aber auch, Herr Wendt, dass man vonseiten der Sicherheitskräfte doch relativ gut vorbereitet ist auf solche Vorfälle, dass die deutsche Polizei trotz aller Klagen immer doch vielleicht ganz gut aufgestellt ist?
    Wendt: Die Klagen führen wir ja nicht über unsere Fähigkeiten, sondern über unsere Kapazitäten, was die …
    Nicht der richtige Zeitpunktm für eine Personaldiskussion
    Zagatta: Die scheinen aber da gewesen zu sein.
    Wendt: Was die Fähigkeiten und auch die Kapazitäten angeht, in dieser Situation konnte man damit zufrieden sein. Andere Länder haben selbstverständlich auch mitgeholfen, Spezialeinheiten waren vor Ort, und das hat funktioniert in dieser Situation, und deshalb kann man von einem gelungenen Einsatz sprechen. Es ist jetzt auch sicherlich nicht der richtige Zeitpunkt, über die Personalsituation der Polizei zu diskutieren, aber es ist schon wichtig festzuhalten, wenn es notwendig ist, sind wir in der Lage, solche komplexen Einsätze auch zu bewältigen. Wenn man sich vorstellt, dass möglicherweise mehrere Terroristen in einer großen Stadt unterwegs sind mit Tötungsabsichten, dann ist natürlich klar, dass überall, in allen Ländern, alle Kolleginnen und Kollegen alle Kräfte darauf konzentrieren, eine solche Einsatzsituation zu bestehen.
    Zagatta: Und ist das dann auch das Vorgehen, das dann geplant ist, dass dann auch sofort auch die GSG 9 da eingeflogen wird? Wie ist das mit Antiterrorkräften vor Ort – die reichen in so einem Fall nicht aus.
    Wendt: Doch, die Einsatzkräfte, die vor Ort waren, die sind ja auch eingesetzt gewesen. Also die GSG 9 ist nur eine von vielen Spezialeinheiten, die SEK in den Ländern sind durchaus in gleichwertiger Weise auf eine solche Einsatzsituation vorbereitet, aber dass Spezialeinheiten zusammengezogen werden, auch aus anderen Ländern, das ist sozusagen der Normalfall, aber die GSG 9 hat natürlich den schillerndsten Namen, und deshalb deutet das immer auf etwas Besonderes hin. Die Spezialeinsatzkräfte der Länder, die sind genauso wichtig und genauso befähigt.
    Streifenpolizisten müssen hohe Eigengefährdung in Kauf nehmen
    Zagatta: Sie haben das schon gesagt, gestern Abend war das Szenario für uns alle, für die Polizei ja auch, dass es mindestens drei Täter gegeben haben soll, oder die Befürchtung war da, die eventuell bewaffnet in der Stadt unterwegs waren. Hat sich das gezeigt, dass die Sicherheitskräfte auch für diesen Einsatz, für solch einen Fall voll und ganz ausgerüstet und bereit gewesen wären?
    Wendt: Ja, wer die Fernsehbilder gesehen hat, der hat natürlich gesehen, dass dort Einsatzkräfte im Einsatz waren, die eher in leichter Schutzbekleidung, nicht mit schusssicheren Helmen ausgerüstet waren, das wird aber in einer Anfangsphase eines solchen Einsatzes immer so sein. Das ist bei Amoklagen übrigens auch so. Da sind die einfachen Streifenpolizisten gehalten, unter Inkaufnahme einer hohen Eigengefährdung auf den Täter zuzugehen und auf ihn einzuwirken. Damit wird die Polizei leben müssen. Wir werden nicht alle Einsatzkräfte, die in einer solchen Situation in den ersten Minuten oder ersten halben Stunde am Einsatzort sind, immer so ausstatten können, dass sie in einem Antiterrorkampf bestehen können. Da tut auch die bayrische Staatsregierung ihr Möglichstes, aber die Ausrüstung nachzubessern ist auch ein komplexes Vorhaben, das scheitert da bestimmt nicht am Geld, sondern auch daran, die Dinge zu beschaffen. Da sind wir schon auf einem guten Weg. In einzelnen Ländern gibt's da noch Nachholbedarf, aber gerade die Bayern haben da die Nase vorn.
    Ermittlungen der Polizei abwarten
    Zagatta: Herr Wendt, Sie haben eingangs gesagt, zum Glück war das offenbar kein Terroranschlag, ein Amoklauf nennen Sie das jetzt. Kann man das jetzt schon mit Sicherheit so sagen?
    Wendt: Nein, die Münchner Polizei hält sich da ja auch noch sehr zurück. Der Polizeipräsident hat richtigerweise gesagt, wenn wir die genaue Motivation des Täters kennen, dann können wir es auch genau klassifizieren. Und so ist das auch richtig, denn im Moment wissen wir nur von den Toten, wir wissen von dem, was abgelaufen ist, aber die Hintergründe des Täters, das ist jetzt die Stunde der Ermittler, zu erkunden, woher kommt es. Ist es ein psychisch gestörter Mensch, der da nur ausgerastet ist und diese schreckliche Spur der Gewalt gezogen hat, oder ist es tatsächlich eine Motivation, die irgendwie begründet ist. Das wird jetzt alles die Ermittlungsarbeit zu ergeben haben, und deshalb kann man es weder so noch so klassifizieren.
    Zagatta: Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft. Herr Wendt, danke für dieses Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.