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Pollenflug-Warnung zu jeder vollen Stunde

Medizin. - Wann der Pollenflug besonders stark ist, teilen Warnmeldungen des Deutschen Polleninformationsdienstes nur einmal täglich mit. Viel zu selten für Allergiker. Ein Freiburger Forscherteam entwickelt nun einen automatischen Pollenmessapparat, der schneller und genauer Daten liefern soll.

Von Anne Johann |
    Pollen aus der Luft sammeln, unter dem Mikroskop bestimmen und den Gehalt in der Luft berechnen. So ermitteln bisher Mitarbeiter des Deutschen Polleninformationsdienstes einmal täglich die Pollenkonzentration - per Hand an 55 Orten in Deutschland. Aus diesen spärlichen Informationen wird dann bundesweit die Belastung für den nächsten Tag vorhergesagt. Um den Pollenflug genauer und schneller zu bestimmen, will ein interdisziplinäres Team in Freiburg den Menschen durch ein Messgerät ablösen, das die Pollenkonzentration automatisch überwacht. Eckart Schultz vom Deutschen Wetterdienst erklärt, was der "Pollenmonitor" den Allergikern bringen soll:

    " Wir wollen mit der Entwicklung dieses Gerätes den Allergikern auch eine aktuelle Information zur Verfügung stellen, und das auf stündlicher Basis. Das ist schon ein gewaltiger Fortschritt und aufbauend auf diesen stündlichen Daten dann eine Kurzfristvorhersage für den Tag selbst noch erstellen und natürlich wie bisher eine Vorhersage für die nächsten Tage."

    Sechs Pollenarten sind bei den meisten Allergikern für laufende Nasen und gerötete Augen verantwortlich: Hasel, Erle, Birke, Gräser, Roggen und Beifuß. Um deren aktuelle Konzentration in der Luft vollautomatisch zu erfassen, saugt der Pollenmonitor zunächst eine Stunde lang Luft an. Alle festen Teilchen werden auf einer Oberfläche gesammelt und sollen dort identifiziert werden, sagt Schultz:

    " Ein großes Problem war, dass man die Pollen, so wie sie in der Luft herumfliegen, nicht erkennen kann oder nur mit ganz großen Schwierigkeiten."

    Das menschliche Immunsystem kann einen Pollen an Eiweißen erkennen. Diese lösen die allergische Reaktion aus. Der Pollenmonitor braucht hingegen die Gestalt des Pollenkorns, um es zu bestimmen. Wenn die Körner in das Messgerät kommen, sind sie dafür zu verschrumpelt. Sie werden deshalb in ein wasserhaltiges Gelee eingebettet, in dem sie aufquellen. Die kleinen, durchsichtigen Kugeln kommen unter ein Mikroskop. Dieses arbeitet auch mit Fluoreszenzlicht. Bei diesem Licht fangen Pollen zu leuchten an und lassen sich so gut von Staubteilchen unterscheiden. Das Mikroskop ist direkt mit einer digitalen Kamera verbunden, die Pollenfotos macht. Eine Aufnahme pro Korn reicht allerdings nicht aus, wie Olaf Ronneberger vom Freiburger Institut für Informatik erklärt:

    " Das Wesentliche ist, dass Pollen dreidimensionale Objekte sind und dass auch ein Mensch nicht in der Lage ist, von einem einfachen Foto einen Pollen zweifelsfrei zu identifizieren."

    Deshalb nimmt die Kamera pro Pollenkorn einen Stapel von 40 Bildern auf, angefangen auf der Südpolebene des Pollens über den Äquator bis zum Nordpol. Pro Korn kommen so mehrere Megabyte an Daten zusammen. Das große Problem dabei: Diese Datenmenge muss erst auf das Wesentliche reduziert werden, um die Art des Pollens automatisch und schnell mit einem Computer zu bestimmen. Ronneberger:

    " Was sich da eigentlich schon seit langer Zeit gezeigt hat, ist, dass man hier mit herkömmlichen Pollenbestimmungsbüchern, die man probiert, in Computerprogramme zu übersetzen, überhaupt nicht weiterkommt, da solche Pollen-Bestimmungsbücher eigentlich für Menschen gemacht sind. Was wir brauchen, ist ein Verfahren, was für die Fähigkeiten eines Computers optimiert ist. Was wir also berechnen, ist eine Art mathematischer Fingerabdruck. Und dieser Fingerabdruck, der ist immer gleich, egal unter welcher Orientierung dieser Pollen jetzt auf der Probe liegt."

    Der Fingerabdruck des Pollens wird mit den Abdrücken in einer Datenbank verglichen und der Pollen so identifiziert. Der Prototyp des Monitors ordnet momentan neun von zehn Pollenkörnern aus der Freiburger Stadtluft richtig zu. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert die Entwicklung des Pollenmonitors noch bis Mitte 2006. Dann soll das Messgerät soweit sein, dass es in Serie produziert wird. Die Entwickler hoffen, dass auch Luftkurorte und Apotheken einen Monitor anschaffen. Denn je mehr Messgeräte es in Deutschland gibt, desto genauer wird die Pollenflug-Vorhersage.