An der Eröffnung der Ausstellung "Pollock Matters" im McMullen Museum of Art des Boston College waren Pauken und Trompeten auffällig abwesend. Und eher zufällig anwesend schienen 25 der über 170 Exponate zu sein, die in einem separaten Raum im Untergeschoss gezeigt wurden. Dabei hätte sich um sie doch alles drehen sollen. Denn bei diesen 25 mehrheitlich kleinformatigen Arbeiten auf Pappe und Papier handelt es sich um bisher unbekannte Drippings von Jackson Pollock. Oder eben nicht. Das ist das Problem.
Vor zwei Jahren war bekannt geworden, dass in einem Lagerraum auf Long Island ein Paket mit Werken aufgetaucht sei, die offenbar von dem wohl am meisten mystifizierten amerikanischen Künstler des 20. Jahrhunderts stammten. Dafür sprach nicht nur, was auf ihnen zu sehen war - nämlich Farbgesprenkel eben jener Sorte, an dem heute jedes Kind einen Pollock zu erkennen glaubt -, sondern auch ihre Provenienz. Die Eltern des Schatzfinders Alex Matter, der Fotograf und Grafiker Herbert und die Künstlerin Mercedes Matter, waren Pollock und seiner Frau Lee Krasner in den 40er Jahren freundschaftlich verbunden.
Perfekt. Zu perfekt, wie schon bald vor allem die Hüter des Pollock'schen Nachlasses der Pollock-Krasner-Stiftung meinten. Es wurden Untersuchungen in Auftrag gegeben, Forensiker, Physiker und Mathematiker hinzugezogen, um herauszufinden: Hat hier tatsächlich Pollock getropft? Wer das seither andauernde Gezänk verfolgt, kann nur den Kopf schütteln angesichts der Blüten, die der Kult um die künstlerische Handschrift bisweilen treibt. Fraktalgeometrie und Kohäsionsprozesse, Spritz-Winkel, Schweißtropfen und Fingerabdrücke - als sei jeder von Pollock berührte Fetzen ein Grabtuch Christi und sage auch nur das geringste über die wirkliche Leistung dieses Künstlers aus.
Die Frage, wessen Tropfexperimente Alex Matter ausgegraben hat, ist in kunsthistorischer Hinsicht ziemlich belanglos. Selbst wenn die Arbeiten von Pollock stammen - und das Ergebnis der diversen Tests spricht nicht dafür -, eröffnen sie keine neuen Aspekte von Pollocks Werk. Man weiß, welchen Bildern Pollock seine Bedeutung verdankt, und damit hat es sich.
Etwas anderes ist natürlich die finanzielle Seite der Causa Matter. Immerhin wechselte erst letztes Jahr ein Pollock-Bild für 140 Millionen Dollar den Besitzer. Alex Matter ist also entweder ein Multimillionär oder bleibt weiterhin ein mäßig begüterter New Yorker Filmemacher im Pensionsalter.
Außerdem stehen gewisse Renommees auf dem Spiel. So hat etwa die namhafte Pollock-Expertin Ellen Landau ihr ganzes akademisches Gewicht in die Waagschale geworfen, als sie die Matter-Funde, verfrüht, wie sich herausstellte, für echt erklärte.
Landau ist Ko-Kuratorin der Ausstellung im McMullen Museum. Von ihrem ursprünglichen Authentizitäts-Enthusiasmus hat sie sich freilich deutlich distanziert. Jedenfalls ist "Pollock Matters" keineswegs die Sensationsschau, die 25 neu entdeckte echte Pollocks zweifellos abgeben würden. Stattdessen wird in den Räumlichkeiten des Museums anhand von Fotos, Briefen und zweitrangigen Kunstwerken angestrengt die Geschichte der Freundschaft zwischen den Matters und Pollock rekonstruiert.
Rührend, aber letztlich uninteressant. Es sei denn, und da wird die Ausstellung ärgerlich, man lasse sich von der These überzeugen, wonach Pollock zu seinen Drip Paintings von Herbert Matters fotografischen Experimenten inspiriert worden sei. Im Stil von: Ach, diese Lichtschlenker, die Du da hingekriegt hast, sehen lustig aus. Das probiere ich auch mal mit Farbe auf Leinwand.
Heiligenverehrung, akademischer Ehrgeiz und lockende Gewinne auf einem boomendem Kunstmarkt bilden eine ungute Mischung. Pauken und trompeten werden wir, wenn wir davon ein für allemal verschont bleiben.
Vor zwei Jahren war bekannt geworden, dass in einem Lagerraum auf Long Island ein Paket mit Werken aufgetaucht sei, die offenbar von dem wohl am meisten mystifizierten amerikanischen Künstler des 20. Jahrhunderts stammten. Dafür sprach nicht nur, was auf ihnen zu sehen war - nämlich Farbgesprenkel eben jener Sorte, an dem heute jedes Kind einen Pollock zu erkennen glaubt -, sondern auch ihre Provenienz. Die Eltern des Schatzfinders Alex Matter, der Fotograf und Grafiker Herbert und die Künstlerin Mercedes Matter, waren Pollock und seiner Frau Lee Krasner in den 40er Jahren freundschaftlich verbunden.
Perfekt. Zu perfekt, wie schon bald vor allem die Hüter des Pollock'schen Nachlasses der Pollock-Krasner-Stiftung meinten. Es wurden Untersuchungen in Auftrag gegeben, Forensiker, Physiker und Mathematiker hinzugezogen, um herauszufinden: Hat hier tatsächlich Pollock getropft? Wer das seither andauernde Gezänk verfolgt, kann nur den Kopf schütteln angesichts der Blüten, die der Kult um die künstlerische Handschrift bisweilen treibt. Fraktalgeometrie und Kohäsionsprozesse, Spritz-Winkel, Schweißtropfen und Fingerabdrücke - als sei jeder von Pollock berührte Fetzen ein Grabtuch Christi und sage auch nur das geringste über die wirkliche Leistung dieses Künstlers aus.
Die Frage, wessen Tropfexperimente Alex Matter ausgegraben hat, ist in kunsthistorischer Hinsicht ziemlich belanglos. Selbst wenn die Arbeiten von Pollock stammen - und das Ergebnis der diversen Tests spricht nicht dafür -, eröffnen sie keine neuen Aspekte von Pollocks Werk. Man weiß, welchen Bildern Pollock seine Bedeutung verdankt, und damit hat es sich.
Etwas anderes ist natürlich die finanzielle Seite der Causa Matter. Immerhin wechselte erst letztes Jahr ein Pollock-Bild für 140 Millionen Dollar den Besitzer. Alex Matter ist also entweder ein Multimillionär oder bleibt weiterhin ein mäßig begüterter New Yorker Filmemacher im Pensionsalter.
Außerdem stehen gewisse Renommees auf dem Spiel. So hat etwa die namhafte Pollock-Expertin Ellen Landau ihr ganzes akademisches Gewicht in die Waagschale geworfen, als sie die Matter-Funde, verfrüht, wie sich herausstellte, für echt erklärte.
Landau ist Ko-Kuratorin der Ausstellung im McMullen Museum. Von ihrem ursprünglichen Authentizitäts-Enthusiasmus hat sie sich freilich deutlich distanziert. Jedenfalls ist "Pollock Matters" keineswegs die Sensationsschau, die 25 neu entdeckte echte Pollocks zweifellos abgeben würden. Stattdessen wird in den Räumlichkeiten des Museums anhand von Fotos, Briefen und zweitrangigen Kunstwerken angestrengt die Geschichte der Freundschaft zwischen den Matters und Pollock rekonstruiert.
Rührend, aber letztlich uninteressant. Es sei denn, und da wird die Ausstellung ärgerlich, man lasse sich von der These überzeugen, wonach Pollock zu seinen Drip Paintings von Herbert Matters fotografischen Experimenten inspiriert worden sei. Im Stil von: Ach, diese Lichtschlenker, die Du da hingekriegt hast, sehen lustig aus. Das probiere ich auch mal mit Farbe auf Leinwand.
Heiligenverehrung, akademischer Ehrgeiz und lockende Gewinne auf einem boomendem Kunstmarkt bilden eine ungute Mischung. Pauken und trompeten werden wir, wenn wir davon ein für allemal verschont bleiben.