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Polnische Baubranche verhebt sich an der EM

Eigentlich sollte die Fußball-EM der Baubranche in Polen gewaltige Gewinne bescheren. Das Gegenteil ist aber der Fall. Immer mehr Firmen melden Insolvenz an. Vor allem im Straßenbau tätige Unternehmen haben sich an der EM schlicht verhoben.

Von Henryk Jarczyk | 10.08.2012
    Ob in Danzig, Posen, Breslau oder Warschau – es ist überall das gleiche Bild. Kräne, Bulldozer, Planierraupen suggerieren einen ungebrochenen positiven Wirtschaftstrend. Doch der Schein trügt, sagt Marek Buczak, Direktor der Investmentgesellschaft Quercus:

    "Wir haben es hier mit einer regelrechten Krise zu tun. Die einzelnen Firmen sind im erheblichen Maß verschuldet. Der Anstieg der Materialpreise hat die geplanten Gewinne in vielen Fällen nahezu ganz aufgebracht."

    Der Grund für diese Entwicklung, sagt der Wirtschaftsexperte, sei ziemlich einfach. Der Konkurrenzdruck vor allem aus dem Ausland sei viel zu stark gewesen. Viele polnische Firmen hätten sich daher bei den zahlreichen Bauprojekten für die Fußballeuropameisterschaft schlicht übernommen. Mit entsprechenden Konsequenzen für die Umsatzrentabilität. Leidtragende sind nun vor allem Subunternehmer:

    "Die Situation ist für uns dramatisch. Obwohl wir von unseren Auftraggebern kein Geld erhalten, müssen wir laufende Kosten tragen. Wir müssen Sozialversicherung und Steuern zahlen. Um konkurrenzfähig zu sein, haben wir Kredite aufgenommen. Bald werden wir schon 50 Mitarbeiter entlassen müssen."

    Vor allem die auf Straßenbau spezialisierten Firmen verzeichnen seit Monaten einen Negativtrend. Bereits im März lag die durchschnittliche Gewinnmarge bei minus 6,2 Prozent. Die Folge: Im ersten Quartal 2012 – sagen Analysten – hätten über 50 Prozent der Baufirmen im Infrastruktursektor rote Zahlen geschrieben. Marktliberale Wirtschaftsexperten wie Robert Gwiazdowski, vom Warschauer Adam-Smith Forschungsinstitut, betrachten den Trend dennoch als völlig normal:

    "Wenn eine Baufirma Pleite geht, dann wird sie eben von einer anderen ersetzt. Wozu sollten wir unseriöse Firmen retten, die bei der Auftragsannahme unrealistische Preise angeboten haben?"

    Rund 100 polnische Baufirmen sind mittlerweile zahlungsunfähig. Die Aussicht auf lukrative Großaufträge - vor und nach der EM - scheint die betroffenen Unternehmen viel zu oft dazu verleitet zu haben, besonders günstige Angebote zu machen. Was jetzt vor allem mittelständische Betriebe in die Knie zwingt. Aber nicht nur sie. Geldsorgen plagen selbst die großen der Baubranche. Darunter den Marktführer PBG. Nach Ansicht des Wirtschaftsexperten Marek Buczak eine besorgniserregende Entwicklung:

    "Langfristig können die Baufirmen ihre Zulieferer in Bedrängnis bringen. Als Nächstes betroffen wären dann Banken und Versicherungsgesellschaften. Wir sprechen hier über Verluste von mehreren Milliarden Zlotys."

    Dabei kommt die Krise der polnischen Baubranche keineswegs überraschend. Seit 2008 wächst die Zahl der Insolvenzen hier kontinuierlich. Was sich entsprechend negativ auch auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Ende des ersten Quartals waren hier noch insgesamt mehr als eine halbe Million Menschen beschäftigt. Sollte sich die Krise ausweiten, dann rechnen Analysten mit über 100 Tausend Entlassungen. Eine besonders düstere Perspektive vor allem angesichts wachsender Wirtschaftsprobleme innerhalb der EU insgesamt.