Bronislaw Linke gehört zweifellos zu den bedeutendsten polnischen Malern und Zeichnern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Trotzdem ist sein Werk heute nahezu vergessen – vermutlich weil es nie in die jeweils herrschenden politischen Doktrinen seit den Dreißiger Jahren passte. Denn Linke, 1906 in Tartu geboren, das heute zu Estland gehört, wurde schon seit seiner Jugend Zeuge extremer Gewalttaten, zuerst während der Oktoberrevolution 1917 und des folgenden estnischen Unabhängigkeitskrieges, dann im Zweiten Weltkrieg.
Er floh vor den Deutschen nach Russland, kehrte 1946 in das völlig zerstörte Warschau zurück, schuf dort eine seiner eindringlichsten Werkserien, den "Schrei der Steine", der das Trümmerfeld der Stadt in ein Szenario surrealistisch verfremdeter Alpträume verwandelt. Sein brillant-drastischer Realismus scherte sich schon in der Vorkriegszeit nicht um offizielle Kunstdoktrinen, und auch nach 1945 fand Linke wenig Rückhalt. Warschaus Trümmer wurden unmittelbar nach dem Krieg von offizieller Seite eher heroisiert. Fotografen zeigen sie in antikisierenden Helldunkel-Aufnahmen, die nicht von ungefähr an die pittoresken Gemälde römischer Ruinen im frühen 19. Jahrhundert erinnern. Warschaus 1945 sollte mit der ewigen Stadt Rom gleichgesetzt werden. Emotional aufgeladene Bilder des Leids und der Gewalt störten da nur.
Die Ausstellung "Just After The War" in der Warschauer Nationalgalerie versammelt viele solcher bis heute oft vergessener Zeugnisse der Nachkriegszeit in Polen nebeneinander – Zeugnisse der offiziellen wie der verdrängten Bilderwelt, und beides erscheint gleichermaßen entlarvend für das kollektive Gedächtnis des heutigen Polens. Man sieht einen offenen Bilderstreit zwischen abstrakter und figürlicher Kunst, sieht die Monumente früher sozialistischer Heldenverehrung neben den epochalen Zeichnungen von Marek Wlodarski,die Hinrichtungen und Folter in den Konzentrationslagern zeigen oder neben den Gemälden von Wladyslaw Strzeminski,der mit einer rätselhaft abstrakten Formensprache an die jüdischen Künstlerfreunde erinnert, die im Ghetto von Lodz ermordet wurden.
Oder man sieht an der russischen Avantgarde geschulte Fotoexperimente vom Warschauer Wiederaufbau neben den verdrängten Bildzeugnissen antisemitischer Pogrome in Kielce von der kaum bekannten Fotografin Julia Pirotta. Die beiden Kuratorinnen haben bewusst einen sehr engen Zeitraum von nur fünf Jahren für die Ausstellung gewählt, zwischen 1944 und 1949. Denn hier wurde am meisten um eine neue Orientierung gerungen, hier gab es die größte Vielfalt an politischen und künstlerischen Positionen, hier zeigen sich die Widersprüche am deutlichsten.
Zu den widersprüchlichsten Positionen gehört die von Andrzej Wrobelewski, der sich noch in der Nachkriegszeit auf die abstrakte Moderne bezog, ab 1949 aber figürlich nach der sozialistischen Formdoktrin zu malen begann. Sozialistische Karrieren wie diejenige Wrobelewskis gehören in Polen auch zu den historischen Tabus der Nachkriegszeit. Denn nach der Wende von 1989 wurde lange so getan, als müsse man den Sozialismus abschütteln wie ein fremdes Joch und als sei man zuerst von den Deutschen und anschließend von den Russen besetzt worden. Erst jetzt macht sich eine nachrückende Generation von Künstlern und Historikern daran zu zeigen, dass durchaus viele Polen in der Nachkriegszeit aktiv am Aufbau der sozialistischen Ordnung mitgewirkt haben.
Diese Ausstellung gehört in diesen Kontext. Sie widmet sich in einer Sektion auch der Ablehnung des westlichen Lebensstils durch polnische Nationalisten, deren Parteigänger gerade aus dieser Ablehnung heraus einem Sozialismus als "slawischer" Lebensform zuneigten – eine Allianz, die man heute im konservativen Polen mit seiner Ausrichtung an den USA kaum wahrhaben will.