Über anderthalb Jahre lang konnten die meisten Europäer kaum einen Unterschied feststellen zwischen dem polnischen Präsidenten und dem Premier: Denn die Ämter wurden von den beiden Zwillingsbrüdern Lech und Jaroslaw Kaczynski bekleidet. Nur im Benehmen unterschieden sich die beiden: Präsident Lech spielte auf internationaler Bühne den Guten, Kompromissbereiten, sein Bruder Jaroslaw den unversöhnlichen Bösewicht.
So beim denkwürdigen EU-Gipfel im Juni 2007 in Brüssel, als der Grundlagenvertrag ausgehandelt wurde, der später Vertrag von Lissabon genannt werden sollte. Am Tagungsort war Lech, der Präsident, erschienen. Regierungschef Jaroslaw blieb in Warschau und erklärte nicht ohne Selbstironie:
"Der Präsident hat große Erfolge in der Außenpolitik und kann viel besser Kontakte knüpfen als ich. Deshalb fährt er zum Gipfel. Das sind wirklich keine Spielchen eines Bruderpaars."
Genau diese Spielchen hatten die Gipfel-Teilnehmer aber bald über beide Ohren satt: Der Präsident machte einen freundlichen Eindruck, griff aber immer wieder zum Telefonhörer. Aus Warschau kamen die Anweisungen von Jaroslaw, die Vorschläge der EU-Partner abzulehnen. Die ganze Nacht über soll Angela Merkel mit Engelszungen auf den polnischen Vertreter eingeredet haben, bis es doch noch zu einem Kompromiss kam.
Seit der Parlamentswahl in Polen im Jahr 2007 hat sich die Konstellation zwar grundlegend geändert. Das Verhältnis zwischen Präsident und Premier bleibt aber ein Kuriosum auf der internationalen Bühne. Denn statt Eintracht herrscht nun öffentliche Zwietracht: Lech Kaczynski und der liberale Regierungschef Donald Tusk misstrauen einander zutiefst.
Wieder brachte ein EU-Gipfel das Verhältnis ans Tageslicht: Im vergangenen Oktober konnten sich die beiden nicht einigen, wer die polnische Delegation anführen sollte.
Premier Donald Tusk erklärte:
"Sowohl die Verfassung als auch die bisherige Praxis sehen vor, dass der Premier unser Land im EU-Rat vertritt, nicht der Präsident. Bei diesen Gipfeltreffen geht es um Fragen, über die ausschließlich die Regierung entscheidet. Die Teilnahme der Regierung ist also keine Prestigeangelegenheit, sondern liegt im ureigenen Interesse unseres Landes."
Außenminister Radoslaw Sikorski erklärte in einem Radiointerview sogar, er bitte den Präsidenten auf Knien, von einem Besuch in Brüssel abzusehen. Die Situation eskalierte, als die Regierung dem Präsidenten kein Flugzeug zur Verfügung stellen wollte. Ein Pilot sei krank geworden, hieß es. Lech Kaczynski ließ kurzerhand eine Maschine chartern. Beobachter berichten, wie sich Premier und Präsident bei der EU-Sitzung angifteten.
Der Streit der beiden dreht sich einerseits um Macht, andererseits gibt es auch inhaltliche Differenzen. Lech Kaczynski hält den versöhnlichen Ton gegenüber Deutschland und Russland, den Donald Tusk anschlägt, für falsch. Das zeigte sich am Beispiel Georgien: Während des dortigen Konflikts mit Russland vor einem Jahr stellte sich Lech Kaczynski eindeutig auf die Seite des georgischen Präsidenten Saakaschwili und flog umgehend nach Tiflis.
Nur langsam scheint sich das Klima an der polnischen Staatsspitze zu normalisieren. Im März hatte Lech Kaczynski nichts dagegen, dass Tusk zum EU-Sondergipfel wegen der globalen Wirtschaftskrise reist.
"Das ist ja kein Gipfel, sondern nur ein informeller Lunch. Und in Finanzfragen hat der Premier den Vortritt. Wir sind hier außerdem völlig einig. Viel lässt sich da sowieso nicht erreichen, weil ja jedes Land in Europa hier seine Interessen hat. Ich wünsche dem Premier den größtmöglichen Erfolg. Ich kenne den Premier schon fast 30 Jahre, wir können uns verständigen."
Trotzdem: Geklärt ist der Konflikt nicht, denn eigentlich handelt es sich ja um ein Problem der Verfassung. Das Verfassungsgericht fällte zwar im Mai ein Urteil, auf Antrag der Regierung. Es ließ die Akteure aber eher ratlos zurück. Regierung und Präsident seien für die Außenpolitik verantwortlich, hieß es. Beide könnten - je nach Thema - ihr Land im EU-Rat vertreten. Entscheiden könnte den Streit also nur das Parlament durch eine Verfassungsänderung, aber darauf können sich die verschiedenen Parteien nicht einigen.
Trotzdem können die Politiker Europas heute aufatmen, wenn Lech Kaczynski den Lissabon-Vertrag doch endlich unterschreibt, wie eine polnische Zeitung meldet. Er sieht nämlich vor, dass Polen - wie alle EU-Länder - ab 2014 nur noch in Ausnahmefällen ein Vetorecht gegen Entscheidungen des EU-Rats hat. So wird nicht mehr ganz so entscheidend sein, wer Polen auf dem internationalen Parkett vertritt: der gemäßigte Premier oder der sperrige Präsident.
So beim denkwürdigen EU-Gipfel im Juni 2007 in Brüssel, als der Grundlagenvertrag ausgehandelt wurde, der später Vertrag von Lissabon genannt werden sollte. Am Tagungsort war Lech, der Präsident, erschienen. Regierungschef Jaroslaw blieb in Warschau und erklärte nicht ohne Selbstironie:
"Der Präsident hat große Erfolge in der Außenpolitik und kann viel besser Kontakte knüpfen als ich. Deshalb fährt er zum Gipfel. Das sind wirklich keine Spielchen eines Bruderpaars."
Genau diese Spielchen hatten die Gipfel-Teilnehmer aber bald über beide Ohren satt: Der Präsident machte einen freundlichen Eindruck, griff aber immer wieder zum Telefonhörer. Aus Warschau kamen die Anweisungen von Jaroslaw, die Vorschläge der EU-Partner abzulehnen. Die ganze Nacht über soll Angela Merkel mit Engelszungen auf den polnischen Vertreter eingeredet haben, bis es doch noch zu einem Kompromiss kam.
Seit der Parlamentswahl in Polen im Jahr 2007 hat sich die Konstellation zwar grundlegend geändert. Das Verhältnis zwischen Präsident und Premier bleibt aber ein Kuriosum auf der internationalen Bühne. Denn statt Eintracht herrscht nun öffentliche Zwietracht: Lech Kaczynski und der liberale Regierungschef Donald Tusk misstrauen einander zutiefst.
Wieder brachte ein EU-Gipfel das Verhältnis ans Tageslicht: Im vergangenen Oktober konnten sich die beiden nicht einigen, wer die polnische Delegation anführen sollte.
Premier Donald Tusk erklärte:
"Sowohl die Verfassung als auch die bisherige Praxis sehen vor, dass der Premier unser Land im EU-Rat vertritt, nicht der Präsident. Bei diesen Gipfeltreffen geht es um Fragen, über die ausschließlich die Regierung entscheidet. Die Teilnahme der Regierung ist also keine Prestigeangelegenheit, sondern liegt im ureigenen Interesse unseres Landes."
Außenminister Radoslaw Sikorski erklärte in einem Radiointerview sogar, er bitte den Präsidenten auf Knien, von einem Besuch in Brüssel abzusehen. Die Situation eskalierte, als die Regierung dem Präsidenten kein Flugzeug zur Verfügung stellen wollte. Ein Pilot sei krank geworden, hieß es. Lech Kaczynski ließ kurzerhand eine Maschine chartern. Beobachter berichten, wie sich Premier und Präsident bei der EU-Sitzung angifteten.
Der Streit der beiden dreht sich einerseits um Macht, andererseits gibt es auch inhaltliche Differenzen. Lech Kaczynski hält den versöhnlichen Ton gegenüber Deutschland und Russland, den Donald Tusk anschlägt, für falsch. Das zeigte sich am Beispiel Georgien: Während des dortigen Konflikts mit Russland vor einem Jahr stellte sich Lech Kaczynski eindeutig auf die Seite des georgischen Präsidenten Saakaschwili und flog umgehend nach Tiflis.
Nur langsam scheint sich das Klima an der polnischen Staatsspitze zu normalisieren. Im März hatte Lech Kaczynski nichts dagegen, dass Tusk zum EU-Sondergipfel wegen der globalen Wirtschaftskrise reist.
"Das ist ja kein Gipfel, sondern nur ein informeller Lunch. Und in Finanzfragen hat der Premier den Vortritt. Wir sind hier außerdem völlig einig. Viel lässt sich da sowieso nicht erreichen, weil ja jedes Land in Europa hier seine Interessen hat. Ich wünsche dem Premier den größtmöglichen Erfolg. Ich kenne den Premier schon fast 30 Jahre, wir können uns verständigen."
Trotzdem: Geklärt ist der Konflikt nicht, denn eigentlich handelt es sich ja um ein Problem der Verfassung. Das Verfassungsgericht fällte zwar im Mai ein Urteil, auf Antrag der Regierung. Es ließ die Akteure aber eher ratlos zurück. Regierung und Präsident seien für die Außenpolitik verantwortlich, hieß es. Beide könnten - je nach Thema - ihr Land im EU-Rat vertreten. Entscheiden könnte den Streit also nur das Parlament durch eine Verfassungsänderung, aber darauf können sich die verschiedenen Parteien nicht einigen.
Trotzdem können die Politiker Europas heute aufatmen, wenn Lech Kaczynski den Lissabon-Vertrag doch endlich unterschreibt, wie eine polnische Zeitung meldet. Er sieht nämlich vor, dass Polen - wie alle EU-Länder - ab 2014 nur noch in Ausnahmefällen ein Vetorecht gegen Entscheidungen des EU-Rats hat. So wird nicht mehr ganz so entscheidend sein, wer Polen auf dem internationalen Parkett vertritt: der gemäßigte Premier oder der sperrige Präsident.