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Pontifikat
Argentinischer Blick auf den eigenen Papst

Unzählige Argentinier sind in Franziskus' erstem Jahr als Papst nach Rom gepilgert: Durch das Pontifikat Jorge Mario Bergoglios hat die Katholische Kirche in Argentinien wieder mehr Gewicht gewonnen.

Von Victoria Eglau | 12.03.2014
    Papst Franziskus mit erhobener Hand beim traditionellen Segen Urbi et Orbi am ersten Weihnachtsfeiertag in Rom
    Argentinische Politiker pilgern zum Papst nach Rom. (dpa / Ettore Ferrari)
    An der Fassade der Katholischen Kirche Nuestra Senora de Guadalupe in Buenos Aires hängt ein großes Foto von Papst Franziskus – er strahlt über das ganze Gesicht. Viele Argentinier finden, dass ihr Papst sich in Rom verändert habe, dass er glücklicher wirke als früher. Gemeindepfarrer Reynaldo Zbrun:
    "Hier in Buenos Aires, als Erzbischof, hatte er nicht nur Freunde. Er war ziemlich spröde. Warum er sich verändert hat? Die besonders Frommen sagen, das sei der Heilige Geist."
    Doch vielleicht wirke Franziskus auch deshalb glücklich, weil er, wie er sagt, als junger Mann gerne in Japan missioniert hätte. Und nun der erste Missionar seiner Kirche sei, mutmaßt Pater Reynaldo. Hugo Portillo, ein junger Bewohner eines Armenviertels von Buenos Aires, der bald ins Priesterseminar eintreten will, hat seine eigene Erklärung:
    "Er weiß, dass er eine riesige Verantwortung trägt, aber er vertraut darauf, dass Gott und die Jungfrau Maria ihn begleiten, das macht ihn froh. Und er ist glücklich, weil er weiß, dass wir alle für ihn beten. Als wir ihn beim Weltjugendtag in Rio gesehen haben, wirkte er geradezu erleuchtet."
    Der Journalist und Kirchenexperte Washington Uranga interpretiert den Stimmungswandel des Papstes ähnlich:
    "Meiner Meinung nach fühlt er sich in Rom freier als in Argentinien. Franziskus hat einmal gesagt, Papst zu sein bedeute viel mehr Freude, als Erzbischof zu sein. Ich denke, Bergoglio ist dort, wo er hinwollte."
    Washington Uranga kennt den Papst von zahlreichen Treffen in Buenos Aires. Zwar habe sich dessen Auftreten verändert, nicht jedoch seine dogmatischen Überzeugungen.
    "Was Franziskus der Kirche hinterlassen will, ist eine neue Form der Kirchenleitung und ein neues Verhältnis zur Gesellschaft. Die Kirche soll ein freundlicheres Gesicht bekommen und näher an den Menschen sein. Wenn es Veränderungen in der Doktrin geben wird, dann erst nach Franziskus' Pontifikat."
    Auch der Direktor der katholischen Monatszeitschrift "Criterio", José Maria Poirier, erwartet keine wesentlichen Reformen in der Lehre unter Franziskus, wohl aber eine Anpassung der Kirchenpraxis an veränderte gesellschaftliche Realitäten. Die Einberufung einer außerordentlichen Familiensynode für Oktober sei ein erster Schritt, meint der Argentinier:
    "Franziskus ist daran interessiert, dass bestimmte Themen, die mit der Familie zu tun haben, diskutiert werden. Dass er den reformorientierten Kardinal Walter Kasper gelobt hat, sagt etwas über seine eigene Haltung aus. Ich denke, der Papst ist offen dafür, wiederverheiratet Geschiedene zur Kommunion zuzulassen."
    Dagegen glaubt Poirier nicht, dass sich unter Franziskus etwas an der Haltung der katholischen Kirche zur Abtreibung ändern werde. Bei anderen Themen, etwa der Homo-Ehe, hält er den Papst für einen Pragmatiker.
    "Die Kirche wird sie nicht als gleichwertig zur Ehe zwischen Mann und Frau anerkennen. Aber der Papst wirft die Frage auf: Wie können wir den Kindern von homosexuellen Paaren den katholischen Glauben vermitteln? Statt Definitionen sucht Bergoglio Antworten auf Situationen, die bereits existieren. Wenn in einer Gemeinde die Hälfte der Kinder aus Verhältnissen stammt, die nicht dem klassischen katholischen Familienbild entsprechen, muss die Kirche sich neu orientieren."
    José Maria Poirier, der Franziskus im Januar in Rom getroffen hat, lobt die politischen Veränderungen, die dieser im Vatikan auf den Weg gebracht hat: die Kurien-Reform, mit der Errichtung eines Sekretariats für Wirtschaft und Finanzen, und die stärkere Berücksichtigung der Weltkirche bei der kürzlichen Ernennung neuer Kardinäle. Dass das Kardinals-Kollegium internationaler und nicht zuletzt lateinamerikanischer geworden ist, gefällt auch Pfarrer Reynaldo Zbrun aus Buenos Aires.
    "Dass der Papst selber von Italienern abstammt, verleiht ihm mehr Autorität bei seinem Bemühen, die italienische Dominanz in der Kurie zu verringern. Die südliche Hemisphäre hat mehr Einfluss bekommen."
    Unzählige Argentinier sind in Franziskus' erstem Jahr als Papst nach Rom gepilgert: Politiker, Gewerkschafter, katholische Geistliche, Vertreter anderer Religionen, Sportler und viele Gläubige aus den Gemeinden. In Franziskus' Heimat hat die Katholische Kirche wieder mehr an Gewicht gewonnen, sagt der Journalist Washington Uranga:
    "Ohne, dass das ein Verdienst der Bischöfe wäre, ist die Kirche in Argentinien wieder zum Gesprächspartner geworden. Einfach nur, weil ihr Vertreter Jorge Bergoglio Papst in Rom ist."
    Das sieht auch José Maria Poirier von der katholischen Zeitschrift "Criterio" so:
    "Das neue Gewicht der Katholischen Kirche in der argentinischen Gesellschaft ist unbestreitbar. Politiker aller Couleur, vor allem der Regierung, registrieren aufmerksam, was die Kirche zu sagen hat. Die Entscheidungen in Argentiniens Kirche wiederum trifft der Papst. Die argentinischen Bischöfe folgen der Linie, die Franziskus vorgibt.”