Doris Schäfer-Noske: Frage an Gérard Goodrow, den Direktor der Art Cologne in Köln: Wie wurde denn, Herr Goodrow, aus diesem jungen Tom Wesselmann der Pop-Art-Künstler, der er ja eigentlich selbst nie sein wollte?
Gérard Goodrow: Das hat viel mit der damaligen Zeit zu tun in New York. Im gleichen Jahr, wo Tom Wesselmann seine erste Einzelausstellung hatte, 1961, gab es auch im Museum of Modern Art eine große Präsentation von den Cut-Outs von Matisse, so dass Tom Wesselmann viel mehr von Matisse und Picasso beeinflusst wurde als von seinen eigenen Kollegen. Deswegen sagt er auch, ich bin eigentlich kein Pop-Art-Künstler sondern ein Künstler, der sich auf die Kunstgeschichte bezieht.
Schäfer-Noske: Es ist ja auch so, dass er im Unterschied zu anderen Pop-Art-Künstlern wie Andy Warhol oder Roy Lichtenstein nie so sehr die Konsumwelt einbezogen hat. Also nicht diese Dosen gemacht hat, die da wie am Fließband stehen. Was unterscheidet denn sonst noch das Werk von Tom Wesselmann von dem anderer Pop-Art-Künstler?
Goodrow: Ich denke, die Motive, die da erscheinen, die nackten Frauen, das ist ein altes Thema in der Kunstgeschichte. Man denkt an die Odalisken, an Vanitas-Motive und da kommen dann auch die Stilleben zur Geltung bei Tom Wesselmann. Auch wenn er eine Popästhetik hat, es bezieht sich alles in seiner Arbeit letztendlich um eine Art von Stilleben, um zu zeigen, dass alles nutzlos ist, so wie bei Vanitas-Motiven. So auch nach dem Krieg, nach der Gegenstandslosigkeit der Kunst der 50er Jahre, eine Rückbesinnung auf Traditionen. Er ist eigentlich ein sehr traditioneller Künstler gewesen.
Schäfer-Noske: Trotzdem wird er ja von den Kunstkritikern zu den Pop-Art-Künstlern gerechnet. Wie war das denn damals, kannten sich diese Künstler auch persönlich?
Goodrow: Ja, es war auch eine interessante Szene damals, die Künstler kannten sich, die haben sich gegenseitig auch sogar geholfen, Galerien zu finden. Sie haben sich schon gegenseitig befruchtet.
Schäfer-Noske: Nun hat es aber Wesselmann im Gegensatz zu den anderen ja nie ganz in die erste Reihe geschafft. Warum?
Goodrow: Ich denke, dass hat viel mit der Persönlichkeit des Künstlers zu tun. Andy Warhol liebte auch sehr früh dieses Stardasein, hat sich selbst in den Mittelpunkt gestellt. Tom Wesselmann war ein sehr leiser Mensch, hat sich sehr mit sich selbst, mit seiner Kunst befasst, war zwar nicht unbedingt publikumsscheu, aber war viel lieber im Atelier als vor der Kamera oder auf einer Cocktailparty.
Schäfer-Noske: Trotzdem hat er ja wohl in den 60er Jahren mit seinen Arbeiten provoziert?
Goodrow: Die Bilder sind auf jeden Fall provokativ. Es ist immer wieder erwähnt worden, dass die Frauen kein Gesicht haben. Ich denke nicht deshalb, wie oft kritisiert wurde, um die Frau als Sexobjekt darzustellen, sondern die Frau als jede Frau darzustellen. Auch die Betonung auf die Brüste und die Lippen, diese primären Merkmale von Weiblichkeit. Ich denke, das hat bei Wesselmann vielmehr mit der Formgebung zu tun. Brüste im Vergleich zu Orangen oder Äpfel. Die Lippen mit Bezug auf Blumen. Er war ein sehr formalbezogener Künstler. Die Formgebung und die Farben haben eine viel größere Rolle gespielt als bei den anderen Künstlern.
Schäfer-Noske: Welche Werke finden Sie denn aus Ihrer Sicht sind die bedeutendsten von ihm? Sind das tatsächlich diese "Great American Nudes", die man kennt.
Goodrow: Ich denke auf jeden Fall, es sind die "Great American Nudes". Wobei vor allem nicht die flachen Gemälde, davon gibt es auch viele, aber die Gemälde, die dreidimensional sind. Er war einer von den ersten Künstlern, die parallel mit Jasper Jones oder Rauschenberg die Bedeutung eines Bildes transformiert haben, dass ein Bild dreidimensional sein kann. Man denkt an die große Arbeit im Museum Ludwig, die so bühnenmäßig aufgebaut wird. Das hat etwas in Gang gesetzt innerhalb der Kunstgeschichte, dass ein Bild nicht mehr flach sein muss, auch nicht mehr ein Fenster sondern eine Welt ist, eine Bühne, wo man agieren kann. Er hat die reale Welt miteinbezogen, um zu wissen, wie bedeutend beispielsweise auch in Deutschland Fluxus war, um das Leben in die Kunst miteinzubeziehen. Ich denke, solche Bewegungen wären undenkbar ohne solche Künstler wie Westermann, Rauschenberg oder Jones.
Schäfer-Noske: Gérard Goodrow war das, Direktor der Art Cologne zum Tode des Pop-Art-Künstlers Tom Wesselmann.
Gérard Goodrow: Das hat viel mit der damaligen Zeit zu tun in New York. Im gleichen Jahr, wo Tom Wesselmann seine erste Einzelausstellung hatte, 1961, gab es auch im Museum of Modern Art eine große Präsentation von den Cut-Outs von Matisse, so dass Tom Wesselmann viel mehr von Matisse und Picasso beeinflusst wurde als von seinen eigenen Kollegen. Deswegen sagt er auch, ich bin eigentlich kein Pop-Art-Künstler sondern ein Künstler, der sich auf die Kunstgeschichte bezieht.
Schäfer-Noske: Es ist ja auch so, dass er im Unterschied zu anderen Pop-Art-Künstlern wie Andy Warhol oder Roy Lichtenstein nie so sehr die Konsumwelt einbezogen hat. Also nicht diese Dosen gemacht hat, die da wie am Fließband stehen. Was unterscheidet denn sonst noch das Werk von Tom Wesselmann von dem anderer Pop-Art-Künstler?
Goodrow: Ich denke, die Motive, die da erscheinen, die nackten Frauen, das ist ein altes Thema in der Kunstgeschichte. Man denkt an die Odalisken, an Vanitas-Motive und da kommen dann auch die Stilleben zur Geltung bei Tom Wesselmann. Auch wenn er eine Popästhetik hat, es bezieht sich alles in seiner Arbeit letztendlich um eine Art von Stilleben, um zu zeigen, dass alles nutzlos ist, so wie bei Vanitas-Motiven. So auch nach dem Krieg, nach der Gegenstandslosigkeit der Kunst der 50er Jahre, eine Rückbesinnung auf Traditionen. Er ist eigentlich ein sehr traditioneller Künstler gewesen.
Schäfer-Noske: Trotzdem wird er ja von den Kunstkritikern zu den Pop-Art-Künstlern gerechnet. Wie war das denn damals, kannten sich diese Künstler auch persönlich?
Goodrow: Ja, es war auch eine interessante Szene damals, die Künstler kannten sich, die haben sich gegenseitig auch sogar geholfen, Galerien zu finden. Sie haben sich schon gegenseitig befruchtet.
Schäfer-Noske: Nun hat es aber Wesselmann im Gegensatz zu den anderen ja nie ganz in die erste Reihe geschafft. Warum?
Goodrow: Ich denke, dass hat viel mit der Persönlichkeit des Künstlers zu tun. Andy Warhol liebte auch sehr früh dieses Stardasein, hat sich selbst in den Mittelpunkt gestellt. Tom Wesselmann war ein sehr leiser Mensch, hat sich sehr mit sich selbst, mit seiner Kunst befasst, war zwar nicht unbedingt publikumsscheu, aber war viel lieber im Atelier als vor der Kamera oder auf einer Cocktailparty.
Schäfer-Noske: Trotzdem hat er ja wohl in den 60er Jahren mit seinen Arbeiten provoziert?
Goodrow: Die Bilder sind auf jeden Fall provokativ. Es ist immer wieder erwähnt worden, dass die Frauen kein Gesicht haben. Ich denke nicht deshalb, wie oft kritisiert wurde, um die Frau als Sexobjekt darzustellen, sondern die Frau als jede Frau darzustellen. Auch die Betonung auf die Brüste und die Lippen, diese primären Merkmale von Weiblichkeit. Ich denke, das hat bei Wesselmann vielmehr mit der Formgebung zu tun. Brüste im Vergleich zu Orangen oder Äpfel. Die Lippen mit Bezug auf Blumen. Er war ein sehr formalbezogener Künstler. Die Formgebung und die Farben haben eine viel größere Rolle gespielt als bei den anderen Künstlern.
Schäfer-Noske: Welche Werke finden Sie denn aus Ihrer Sicht sind die bedeutendsten von ihm? Sind das tatsächlich diese "Great American Nudes", die man kennt.
Goodrow: Ich denke auf jeden Fall, es sind die "Great American Nudes". Wobei vor allem nicht die flachen Gemälde, davon gibt es auch viele, aber die Gemälde, die dreidimensional sind. Er war einer von den ersten Künstlern, die parallel mit Jasper Jones oder Rauschenberg die Bedeutung eines Bildes transformiert haben, dass ein Bild dreidimensional sein kann. Man denkt an die große Arbeit im Museum Ludwig, die so bühnenmäßig aufgebaut wird. Das hat etwas in Gang gesetzt innerhalb der Kunstgeschichte, dass ein Bild nicht mehr flach sein muss, auch nicht mehr ein Fenster sondern eine Welt ist, eine Bühne, wo man agieren kann. Er hat die reale Welt miteinbezogen, um zu wissen, wie bedeutend beispielsweise auch in Deutschland Fluxus war, um das Leben in die Kunst miteinzubeziehen. Ich denke, solche Bewegungen wären undenkbar ohne solche Künstler wie Westermann, Rauschenberg oder Jones.
Schäfer-Noske: Gérard Goodrow war das, Direktor der Art Cologne zum Tode des Pop-Art-Künstlers Tom Wesselmann.