Freitag, 19. April 2024

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PopCamp Abschlusskonzert 2016
Meisterkurs mit Mehrwert

Sie haben gefeilt, arrangiert, gesungen und getrommelt. Sie heißen Flooot, Lenna, Lucas Newman, William's Orbit und: Wir bringen kalten Kaffee mit. Das sind die jungen Musiker, die 2016 für das Bandcoaching-Projekt PopCamp ausgewählt wurden. Corso berichtet über die konzentrierten Proben und das finale Konzert in Berlin.

07.01.2017
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    Der PopCamp-Jahrgang 2016 beim Abschlusskonzert am 25. November 2016 in Berlin (Deutscher Musikrat/Sandra Ludewig)
    "Wir versuchen mit dem PopCamp, die Bands, die Teilnehmer des Jahres quasi, auf dem Schritt ins Profilager zu unterstützen. Und das Ziel liegt darin, dass sie vom Musikmachen leben können."
    Das sagt Michael Teilkemeier, der Projektleiter des PopCamps, dem "Meisterkurs für Populäre Musik", wie ihn der Veranstalter, der Deutsche Musikrat, bezeichnet. Bei Bands wie Max Prosa, Jupiter Jones oder der Alin-Coen-Band – um nur mal drei zu nennen – ist das ja auch Konzept aufgegangen: Alle drei Acts haben an dem Förderprogramm teilgenommen und sind heute etablierte Künstler.
    Jedes Jahr machen fünf Bands beim PopCamp mit, bekommen Coachings rund ums Songwriting, um Bühnenpräsenz und Marketing. Ende November hat der aktuelle, der 12. Jahrgang, sein Abschlusskonzert in Berlin gegeben. Und Corso war dabei und hat die Gruppen auch bei den Vorbereitungen begleitet.
    Wir bringen kalten Kaffee mit
    Los geht es mit 'Wir bringen kalten Kaffee mit' aus Kassel. Das ist eine der Bands des aktuellen Jahrgangs, bei der Geld immer wieder in den Texten vorkommt. Zum Beispiel im Song "Günther".
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    Die Band 'Wir bringen kalten Kaffee mit' beim Abschlusskonzert am 25. November 2016 in Berlin (Deutscher Musikrat/Sandra Ludewig)
    Die Band 'Wir bringen kalten Kaffee mit' beim Abschlusskonzert in Berlin am 25. November. Zu dem Zeitpunkt lag schon eine arbeitsintensive Woche hinter den PopCamp-Gruppen. Und die hatten sie in Sondershausen verbracht, genauer: in der Landesmusikakademie von Thüringen. Ein Musikzentrum, das vor allem von Musikern aus dem Klassikbereich genutzt wird und so gut wie keine Wünsche offen lässt: Das Areal ist riesig, die Akademie ist im renovierten Marstallgebäude des Residenzschlosses untergebracht. Es gibt allein neun Konzertflügel, angeschlossen ist ein Gästehaus. Jede Band konnte einen Raum für sich in Beschlag nehmen.
    Lenna
    Unter dem Dach probten die Musiker von Lenna. Drei der fünf Musiker sitzen an ihren Instrumenten. Ein anderer stellt gerade einen Schweinwerfer ab und testet das blaue Licht. Die Band in Szene setzen – auch das lernt man beim PopCamp. Sängerin der Gruppe ist Alenna Rose. Blonde Haare, offener Blick. Chucks an den Füßen. Wobei ich sie gerade störe?
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    Die PopCamp-Band Lenna bei Proben in der Landesmusikakademie Thüringen (Deutscher Musikrat/Sandra Ludewig)
    Alenna Rose: Tatsächlich haben wir gerade so ein bisschen unseren Probenraum umgestellt. Heute Abend ist ja das kleine interne Abschlusskonzert mit allen zusammen, und deswegen haben wir es etwas gemütlicher gemacht. Und werden dann gleich noch mal die neuen Songs ein bisschen proben, vielleicht die alten auch noch mal anspielen. Damit wir morgen auch sicher sein können mit allem.
    Christoph Reimann: Morgen beim großen Abschlusskonzert in Berlin. Lenna machen Deutschpop, eingängig und kraftvoll. Die Bandmitglieder kommen aus der Umgebung von Bremen, keiner ist älter als 20. Wie ernst sie es mit ihrer Gruppe meinen? Ziemlich, sagen die fünf Bandmitglieder. Für die Popkarriere würden sie auch ihr Studium hintenanstellen. Jetzt muss aber erst mal das Programm für morgen stehen. Immerhin sind ja in den vergangenen Tagen noch zwei neue Songs entstanden.
    Rose: Wir hatten zwar so ein paar Ideen vorher schon, aber wir haben jetzt hier bei zwei Songs bei null angefangen und die auch schon fast fertig. Also in den paar Tagen zwei Songs von Anfang bis Ende bearbeitet und erarbeitet.
    Reimann: War das ein Ziel, das ihr euch gesetzt habt, oder kam das von den Dozenten?
    Fynn Lammers: Klar, die Dozenten unterstützen uns bei dem, was wir machen wollen. Wenn wir sagen, wir wollen mehr an alten Songs arbeiten, dann sagen die auch: Ja, dann spielt mal was. Und dann gehen wir das mal gemeinsam durch. Aber jetzt war es halt in der zweiten Arbeitsphase besonders so, dass wir dann wirklich an den neuen Songs gearbeitet haben. Da kam dann einfach was, und, ja, so läuft das dann eigentlich.
    Sagt Fynn Lammers, einer der beiden Gitarristen. Individual-Coaching statt Frontal-Unterricht also beim PopCamp. Und der Song, an dem Lenna da noch tüfteln, ist tatsächlich rechtzeitig fertig geworden für das Abschlusskonzert in Berlin. "Gib auf dich acht".
    Henning Rümenapp, künstlerischer Leiter und Gitarrist der Guano Apes
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    Siegfried Häusler von der PopCamp-Band William's Orbit (l.) und Henning Rümenapp bei Proben in der Landesmusikakademie Thüringen (Deutscher Musikrat/Sandra Ludewig)
    "Ich bin der künstlerische Leiter vom PopCamp, auch schon seit den allerersten Anfangstagen, und bin zuständig für die ganzen inhaltlichen Dinge, sprich das Einladen der Dozenten, auch die inhaltliche Ausgestaltung der Arbeitsphasen, und damit natürlich auch die Arbeit, die wir mit den Bands durchführen."
    Henning Rümenapp. Ein bäriger Typ von mächtiger Statur. Guckt auf Fotos seiner Band Guano Apes am liebsten grimmig, ist im improvisierten PopCamp-Büro in Sondershausen aber das komplette Gegenteil. Wer als Dozent infrage kommt, ist von den Bedürfnissen der Bands abhängig. Dann erst stellt Rümenapp das Team zusammen.
    "Das sind meistens nicht die, die in der allerersten Reihe stehen, sondern die, die vielleicht eine Reihe dahinter stehen und sehr, sehr gute Musiker, Produzenten sind, die einen sehr reflektierten Blick auf die Musik haben."
    Stephan Gade zum Beispiel, Songwriter und Produzent, der etwa mit Udo Lindenberg oder Niels Frevert zusammengearbeitet hat. Christian Neander von der Band Selig. Auch eine Choreographin und eine Kommunikations-Expertin gehören zum Team – und das sind noch nicht alle. Bedarfsgerechte Förderung, so nennt Rümenapp seinen Ansatz. Bands verbringen ja oft auf engem Raum viel Zeit miteinander. Das Potenzial für Konflikte ist da groß. Deshalb geht es auch oft um außermusikalische Ratschläge.
    "Wir hatten schon Umbesetzungen zwischen den Arbeitsphasen, das hatten wir schon öfter in der Tat. Und auch da kann man durchaus klärend und begleitend zur Seite stehen, um noch mal Dinge aufzuarbeiten. Übers Sprechen auch auf die Dinge zu kommen und vielleicht herauszustellen, dass ein Bandkonstrukt so nicht optimal funktioniert. Und da bin ich sehr froh, dass wir beim PopCamp die Möglichkeit haben, in zwei kreativen Arbeitsphasen zu arbeiten – mit zwei Monaten dazwischen. Das heißt wir können hier Dinge anstoßen, die Band kann sich dann in diesen zwei Monaten entwickeln, und wir treffen uns wieder und es sind viele Dinge passiert."
    Lucas Newman
    Während der Arbeitswoche in Sondershausen hatten sich Lucas Newman und seine Mitmusiker ihren Proberaum unten eingerichtet, im Erdgeschoss des alten Marstallgebäudes, wo es für Schlagzeug und E-Gitarren eigentlich viel zu sehr hallt, und wo man von der Band nebenan auch noch die ganze Musik abbekommt. Aber damit hatte die Gruppe nach vier Tagen längst ihren Frieden gemacht. Außerdem waren die Proben ja so intensiv, dass kaum noch etwas ablenken konnte. Am vorletzten Tag waren sie sogar so intensiv, dass die Band vor dem Interview erst mal eine Zigarettenpause einlegen musste. Danach, Lucas Newman saß halbschräg auf dem Bühnenrand, gab es die Erklärung:
    "Wir haben einen neuen Song in der Woche geprobt und erarbeitet, das Ergebnis unserer Arbeit von verschiedenen Coaches drübergucken lassen. Das Ergebnis war ... Ich glaube einfach auch, die Tatsache, dass alle Coaches da so mitgewirkt haben und einfach den Werdegang des Songs erlebt haben, war für uns alle super emotional. Das Endprodukt zu sehen, zu sehen, dass es schön ist, ist cool."
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    Die PopCamp-Band Lucas Newman bei Proben in der Landesmusikakademie Thüringen (Deutscher Musikrat/Sandra Ludewig)
    Als letzte Dozentin war Bettina Habekost bei Newman. Sie ist beim PopCamp zuständig für den Bereich Choreographie und Performance.
    "Die Arbeit mit der Choreographin war hauptsächlich, wie wir auf der Bühne interagieren zusammen. Aber auch, wie wir nach draußen agieren. Bis ins kleinste Detail. Einfach, wie rum ich mich drehe, wo ich gerade hingucke. Und einfach, dass die Spannung erhalten bleibt und man das Publikum nicht verliert. So die kleinen Tipps und Tricks, die einfach am Ende entscheidend sind."
    Lucas Newman studiert an der Hochschule Osnabrück Pop-Gesang. Aus dem Umfeld kommen auch seine Bandmitglieder. Eigentlich müssten die Musiker da doch geschult sein, was Bühnenpräsenz und Co. angeht. Das stimmt auch, meint Newman, aber das PopCamp biete über die beiden Arbeitsphasen einen geschützten Raum, wo es eben mal um nichts anderes als die Band gehe. Und weiter:
    "Auch einfach die geballte Kompetenz, die da so aufeinander trifft, ist etwas, das man im Studium in dieser Intensität nicht hat. Das ist dann da eher verteilt. Das ist so: Die sind hier, um das, was wir haben, geil zu machen, und nur dafür. Und das ist einfach super effektiv."
    Projektleiter Michael Teilkemeier über den Meisterkurs für populäre Musik
    Der Songwriter Max Prosa hat 2010 mit seiner Band am PopCamp teilgenommen. Andere bekannte Absolventen sind OK Kid, Mockemalör oder Jupiter Jones. Der Deutsche Musikrat hat das Projekt 2005 ins Leben gerufen. Ähnliche Förderprogramme für Klassik- und Jazzmusiker haben in Deutschland eine viel längere Tradition. Dass inzwischen auch der popmusikalische Nachwuchs institutionell unterstützt wird, zeigt, was für einen Stellenwert Pop mittlerweile in der deutschen Musiklandschaft hat. Aber auch, dass Plattenfirmen nicht mehr so viel Geld in junge Bands stecken, damit die sich entwickeln können. Wer heute als Musiker erfolgreich sein will, muss sich selbst managen können und schon einiges mitbringen. Nur ist Erfolg nicht unbedingt in Verkaufszahlen zu messen. Projektleiter vom PopCamp ist seit Anfang an Michael Teilkemeier.
    Christoph Reimann: Bei bisher 60 Bands, die das PopCamp absolviert haben und die natürlich nicht alle in den Charts gelandet sind – was macht denn das PopCamp zu einem erfolgreichen Projekt?
    Michael Teilkemeier: Wir evaluieren natürlich auch intern den Erfolg des Projektes. Wir hatten auch im Laufe der Jahre Bands, die nicht mehr aktiv sind, die sich aufgelöst haben. Wir haben einen Teil Bands, die gerade eben schon genannt wurden, die es geschafft haben und gut vom Musikmachen leben können, haben aber auch einen Teil, die sich nicht richtig gut weiterentwickelt haben, würde ich mal sagen, und diesen Schritt nicht geschafft haben, vom Musikmachen leben zu können, die aber weiterhin als Band aktiv sind.
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    Der PopCamp-Jahrgang 2016 vor der Landesmusikakademie Thüringen mit Projektleiter Michael Teilkemeier (vorne, Mitte) (Deutscher Musikrat/Sandra Ludewig)
    Reimann: Vom Musikmachen leben - bedeutet das für Sie, dass man sich an den Musikmarkt anpassen muss, um erfolgreich zu sein? Denn hier nehmen ja auch Bands teil, die eher Nischenmusik machen.
    Teilkemeier: Die Nischenmusik ist wichtig sogar für uns, finde ich. Wir suchen ja gerade Bands, die vielfältig am Start sind. Vom Musikmachen leben bedeutet auf der einen Seite schon, dem Markt gerecht zu werden. Wir hatten zum Beispiel eine Band einmal dabei, die hatte sich geweigert, Online-Präsenzen zu haben und haben alles irgendwann mal abgestellt, weil sie sich dem Markt eben nicht unterwerfen wollten. Aber dann auch relativ schnell gemerkt, dass sie mit ihrer Musik ja auch ein Produkt an den Mann, an die Frau, bringen müssen, und das dafür auch gewisse Wege gegangen werden müssen, ob einem das nun gefällt oder nicht. Das heißt aber nicht, dass sich eine Band verbiegen muss - das auf gar keinen Fall. Sie soll so bleiben, wie sie ist: authentisch und original, eigenständig. Aber bestimmte Wege, die gegangen werden müssen, müssen sie gehen. Wenn man eine Band hat, die nur CDs rausbringen möchte, keine Live-Konzerte spielen will, werden die es voraussichtlich nicht schaffen.
    "Mehrere Hürden zur Bewerbung eingebaut"
    Reimann: Für das PopCamp kann man sich nicht bewerben, stattdessen muss man nominiert werden. Wie funktioniert das überhaupt?
    Teilkemeier: Wir haben damals in der Entstehung des PopCamps tatsächlich mehrere Hürden zur Bewerbung eingebaut. Die erste Hürde ist im Prinzip die, dass man sich eben nicht selbst bewerben kann, sondern man muss vorgeschlagen werden. Man muss jemanden finden, Landesmusikräte sind vorschlagsberechtigt, Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung wie die Popakademie oder Institute an Musikhochschulen, andere Förderprojekte oder Wettbewerbe …
    Reimann: ... es gibt insgesamt circa 200 Nominatoren, habe ich gelesen. Ist das richtig?
    Teilkemeier: Wir suchen ständig neue und die Zahl erweitert sich jährlich um zehn bis zwanzig. Wenn wir dann im Jahr circa 60 bis 70 Vorschläge bekommen, dann wählt eine Jury aus. Jetzt sin wir bei der zweiten Stufe, die es zu bewältigen gilt. Eine Jury wählt aus diesen Vorschlägen eben dann währen einer Sitzung, wo keine Band vor Ort ist, sondern nur von Bandmappen, Bandmaterial - wählen sie acht Bands aus, die dann zu einem Live-Audit eingeladen werden. Dorst ist die Band 20 Minuten auf der Bühne und dreißig Minuten im Gespräch mit der Jury. Und am Ende wird entschieden, welche fünf Bands denn am ehesten und am besten für die Teilnahme am PopCamp geeignet sind und welche drei es dann in dem Jahr nicht geschafft haben.
    Reimann: Was muss denn eine Band zum Live-Auftritt mitbringen, oder was darf ihr noch fehlen, damit sie beim PopCamp mitmachen darf?
    Teilkemeier: Auf der Bühne sind eigentlich alle Bands ziemlich gut. Das kann man nicht anders sagen, weil die ja in Berlin schon von der ersten Jury ausgewählt worden sind. Aber im Gespräch versuchen wir dann abzuklopfen, wie sehr denn die Band auch als Gruppe funktioniert. Ob es eine Aufgabenverteilung gibt oder welche Motivationen die Band hat, welche Ziele sie verfolgt. Wo sie sich selbst in zwei Jahren sehen und was sie dafür bereit sind zu tun. Welche Ideen sie verfolgen. Und daran kann man schon ganz gut auswählen, welche Band eher geeignet ist und welche nicht. und vor allen Dingen versuchen wir herauszufinden, ob eine Band auch den Fördergedanken in sich trägt und nicht schon von Vornherein meint, dass sie fertig ist, dass sie nicht nur noch ein bisschen PR braucht, um dann durchzustarten, sondern wir suchen ja Bands, mit denen man auch arbeiten kann, die auch offen sind für Arbeit mit ihrem Produkt, mit ihrer Musik.
    Reimann: Spielt das Musikgenre auch eine Rolle? Denn zum Beispiel, Musiker, die aus einer härteren Richtung kommen, die habe ich jetzt noch nicht gefunden unter den Teilnehmern.
    Teilkemeier: Also im Prinzip spielt es keine Rolle, das Genre. Wir haben extra Rock, Pop, Jazz bei uns auf die Fahne geschrieben. Wir erreichen aber nicht alle. Ich glaube schon, dass es tatsächlich Genres gibt, die sich eher an dem Logo der Bundesregierung, da wir ja BKM-gefördert sind, stören vielleicht, und nicht an einem Förderprojekt teilnehmen wollen, sondern es selbst auf freier Wildbahn schaffen wollen als Band. Da werden wir sicherlich bestimmte Musiker oder Genres nicht erreichen, die auch gar nicht Willens sind, an einem solchen Projekt auch teilzunehmen. Das ist völlig richtig. Deswegen wird man bestimmte Gattungen nicht antreffen.
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    Die PopCamp-Bands des Jahrgangs 2016 bei Bewegungsübungen in der Landesmusikakademie Thürigen (Deutscher Musikrat/Sandra Ludewig)
    Reimann: Vielfalt statt Mainstream - das ist ein Motto des PopCamps. Geht es da nur um die Genres oder auch um die Zusammensetzungen der Bands? Denn was mir aufgefallen ist: In diesem Jahr ist nur eine Frau unter den Teilnehmern dabei. Im vergangenen Jahr waren es, glaube ich, zwei. Davor auch nur wieder eine. Wie kommt das denn zustande?
    Teilkemeier: Wir versuchen bei der Auswahl der Bands, die ja quasi mit dem Nominierungsverfahren beginnt, dass wir möglichst auch Nominatorinnen und Nominativen ansprechen, dass auch reine Frauenbands vielleicht auch vorgeschlagen werden. Wir hatten auch 2005 und 206 reine Frauenbands dabei, die allerdings beide schon sich aufgelöst haben als Bands. Dann wurde es in den Jahren tatsächlich immer weniger. Mittlerweile sind Frauen fast nur noch als Sängerinnen plus Instrument da. Frauen, die nur Instrumente spielen, hatten wir relativ selten. Wir stehen dem aber völlig offen gegenüber und versuchen auch, Nominatoren anzuhalten, und Bands mit hohem weiblichen Anteil vorzuschlagen und zu nominieren.
    Reimann: Mehr als die Hälfte der Teilnehmer in diesem Jahr sind Musikstudierende. Warum brauchen die überhaupt noch das PopCamp?
    Teilkemeier: Die Künstlerpersönlichkeit als solche ist wichtig, aber das Bandgefüge als Ganzes, das hat ja dann doch wieder eine andere Ausrichtung. Und wir versuchen ja beim PopCamp als Bandförderung die Band als Einheit zu betrachten, aber auch die einzelnen Künstlerpersönlichkeiten. Und letztendlich ist es für die Band, glaube ich, nicht so entscheidend, ob er sein Instrument studiert hat oder ob er sein Instrument aus Leidenschaft gelernt hat, privat und nebenher vielleicht eine Bäckerausbildung macht oder im Betrieb irgendwo arbeitet - das ist für die Band nicht entscheidend.
    Reimann: Jetzt gibt es ja hier auch noch GEMA-Seminare. Das müssten diese Leute ja eigentlich auch an der Uni lernen, oder nicht?
    Teilkemeier: Ja, wir haben durchaus Bands dabei, die zum Beispiel auch an der Popakademie studieren, oder auch an anderen Instituten für Musik. Hochschulen. Und da sind schon Überschneidungen dabei. Wir haben Bands tatsächlich, die schon durch andere Fördereinrichtungen oder Ausbildungen mit rechtlichen Themen wie Urheberrecht, Vertragsrecht und Medienrecht, auch mit GEMA- GVL-Themen schon mal in Berührung gekommen sind. Aber wir haben circa die Hälfte immer dabei, die noch kaum was von den Themen gehört hat. Deshalb bieten wir es an. Und die Dozenten, die wir hier haben, sind auch immer noch Stunden später für einzelne Fragen bereit dazu. Was natürlich auch wichtig ist für die Band, noch einmal in Ruhe einen Experten ansprechen zu können, was ihre eigene Situation gerade eben betrifft.
    William’s Orbit
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    Siegfried Häusler von der PopCamp-Band William's Orbit beim Abschlusskonzert am 25. November 2016 in Berlin (Deutscher Musikrat/Sandra Ludewig)
    Am Tag vor dem Abschlusskonzert sitzen die vier Mitglieder von William‘s Orbit mit zwei Dozenten in ihrem Proberaum in Sondershausen. Zeit für finales Feedback und letzte Tipps. Stärken und Schwächen der Band erkennen und mit ihnen umgehen – das ist das Wichtigste, das William’s Orbit aus dem PopCamp mitnehmen, erklärt im Anschluss Gitarrist Michael Siegel.
    "Es ging vor allem darum, dass wir vor einiger Zeit Demos selber aufgenommen haben, die für sich vielleicht alle gut funktionieren, aber uns teilweise die Gemeinsamkeiten oder die genaue Richtung nicht ganz klar war. Und da haben die Dozenten geholfen, dass wir da die Richtung erkennen, dadurch, dass wir wissen, wo sind die Stärken unserer Musik."
    Am nächsten Tag machen sich die Bands dann früh auf den Weg nach Berlin. Die langen Tage und die kurzen Nächte stehen den Musikern ins Gesicht geschrieben. Gestern, nach dem camp-internen Konzert, haben die Bands noch bis spät in die Nacht miteinander gefeiert – und dann noch brav und ordentlich ihr Equipment abgebaut. Jetzt sind sie alle pünktlich abfahrbereit.
    Flooot
    Manchmal, da fehlt ein bisschen der Rock’n’Roll beim PopCamp. Vielleicht liegt es daran, weil die meisten Musiker durch ihre Bachelor- und Masterstudiengänge ohnehin auf Effizienz und Disziplin getrimmt sind. Vielleicht aber auch daran, weil ein Förderprogramm wie das PopCamp vor allem Teilnehmer anzieht, die sowieso sehr leistungsbereit sind. Wirklich wild sind die Musiker jedenfalls nur auf der Bühne. Flooot zum Beispiel, die beim Konzert passend zu ihrem Song "Dr. Evil" einen kleinen Zombie-Tanz aufführen. Flooot schreibt sich übrigens mit drei o. In einem Bistro in Berlin, zwischen Soundcheck und Konzertauftritt, erklärt Bandmitglied Philipp Holländer, warum.
    "Wir wollen natürlich irgendwie die Energie transportieren. Wir wollen die Leute auch überraschen mit den Blasinstrumenten und dem Rap-Gesang. Und so sind wir dann zu diesem Flut-Motiv gekommen. Und dann hatte, ich glaube, Niko, unser Bassist, die Idee, das könnte man ja auch einfach mit drei Os schreiben, dann sehen die so aus wie die Trichter von den Instrumenten."
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    Die PopCamp-Band Flooot beim Abschlusskonzert am 25. November in Berlin (Deutscher Musikrat/Sandra Ludewig)
    Zwei Posaunen und eine Trompete. Gespielt von den drei Frontmännern der Göttinger Band, die auch noch alle rappen. Blech-Blas-Rap, so nennen Floot passenderweise ihren Stil. Insgesamt hat die Gruppe sieben Mitglieder. Beim Berliner Abschlusskonzert treten sie als letzte Formation auf. Aber damit ist das PopCamp für die teilnehmenden Bands noch nicht vorbei. Es gibt noch eine weitere Arbeitsphase, in der ganz individuell mit jeder Band ein Portfolio erstellt wird. Im Fall von Flooot ein Video zum neuen Song "Meine Bude". Was darin zu sehen sein wird, ist noch nicht ganz klar. Fest steht für die Mitglieder von Flooot aber, dass "Meine Bude" der aktuelle Lieblingssong der Gruppe ist. Die Idee zum Stück hatte Sänger und Bläser Janos Löber:
    "Ich bin ein häuslicher Typ so ein bisschen. Ich habe eine schöne Kaffeemaschine zu Hause. Und da verbringe ich einfach gerne Zeit, koche gern und so weiter. Und daran im Prinzip eine kleine Hommage zu schreiben, das war mir irgendwie so ein Anliegen."
    Auch wenn an diesem Abend nicht jeder Text und jeder Ton perfekt sitzt, die Bands haben großen Spaß daran, ihre Songs zu präsentieren, und das Publikum feiert gerne mit. Ob aus einer dieser Gruppen der nächste große Pop-Act hervorgeht, ist schwer zu sagen. Das Potenzial jedenfalls ist da. Nur gerecht ging es im Popbetrieb noch nie zu. Was aber bei allen Bands deutlich erkennbar: der Ehrgeiz und die Entschlossenheit, gemeinsam gute Popmusik zu machen.
    Programmtipp: DRadio Wissen sendet das Konzert am Sonntag (08.01.2017) von 20 bis 22 Uhr in der Sendung "Festival".