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Popsongs und Filmmusik

"Analogies" heißt das neue Album der 36jährigen Musikerin aus Berlin. Masha Qrella versammelt darauf Lieder, die in über sechs Jahren Leben und Schaffen entstanden sind. Zu hören gibt es Musik für Filme, Theaterprojekte oder fürs Leben.

Von Dirk Schneider |
    Nimm mich mit raus! Zeig mir die Welt, das Leben: "Take Me Out", das erste Stück auf Masha Qrellas neuem Album "Analogies", scheint den typischen Jugendtraum zu beschwören. Doch wie meistens bei der Berliner Musikerin hat auch dieses Lied einen doppelten Boden:

    "Da bin ich gefragt worden für einen Dokumentarfilm, über zwei Frauen im Knast, einen Abspannsong zu schreiben. Also der Film heißt "Meine Freiheit. Deine Freiheit". (...) Und die Abschlussszene, wo der Song halt gerade anfängt, da wird eine der beiden Frauen gezeigt, wie sie aus dem Knast rauskommt, und mit ihrer Freiheit eigentlich nichts anfangen kann. (...) Also der Wunsch, eigentlich teilhaben zu können, aber gar nicht zu können."

    Masha Qrella sitzt in der Küche ihres Berliner Plattenlabels Morr Music. Vor wenigen Tagen noch war sie mit der Performancegruppe Gob Squad in Schweden unterwegs. Die 36-Jährige macht viel Theatermusik. Im September wird sie in Frankfurt in einer "Faust"-Inszenierung von Stefan Pucher musizieren. Ihr neues Album ist für sie also gar nicht das größte Ereignis. Es ist eher nebenbei entstanden.

    "Ich dachte, ich könnte schon 2007 ein Album rausbringen. (...) Ich hab's eigentlich fast fertig gehabt, mochte die Sachen aber gar nicht. Und dann hab ich noch ein paar Jahre verstreichen lassen und hab so ein paar Songs von damals genommen und dann noch ein paar neue geschrieben."

    "Fishing Buddies" ist einer dieser neuen Songs, aber auch er stammt aus einer von Masha Qrellas Theatergeschichten: Mit ihrer Freundin, der Schauspielerin Tilla Kratochwil, liest sie die Kurzgeschichte "Brokeback Mountain" von Annie Proulx und singt Lieder dazu.

    "Ich meine, alle kennen ja den Film, und der ist ja auch sehr schön. Aber der ist viel kitschiger und romantischer, und die Geschichte ist eigentlich ziemlich herb."

    Da ist sie wieder, Masha Qrellas Vorliebe für das Bittersüße. Besonders schön ist diese auf ihrer letzten Platte zum Vorschein gekommen: "Speak Low", 2009 erschienen, versammelte Coverversionen von Liedern, die Kurt Weill und Frederick Loewe für Broadwaymusicals geschrieben haben.

    Diese gelassene Schwermut, getragen von warmen Klängen, findet man auf ihrem neuen Werk "Analogies" seltener. Die Stücke klingen gerader, distanzierter, ja, anonymer.

    "Ich wollte genauso eine Intimität nicht, da hatte ich irgendwie keinen Bock mehr drauf. Zumindest für die Platte. Sind vielleicht zwei Liebeslieder drauf. Das sind irgendwelche anderen Geschichten, die erzählt werden."

    Zum Beispiel im Stück "Crooked Dreams":

    Darin geht es um die Zeit der Jahrtausendwende, als die heute 36-Jährige noch mit ihrer Band Mina spielte und noch einen anderen Blick auf die Welt hatte:

    ""Ende der 90er, 2000, wo halt alles noch offen war, in welche Richtung das alles geht, und wir entsprechend verträumt noch unsere Zukunft gesehen haben."

    Masha Qrella hat zwei kleine Kinder, als Musikerin ist sie etabliert. Ihre Gedanken sind weniger von Sehnsucht als von der Gegenwart bestimmt. Auch davon handelt der Song "Crooked Dreams":

    "Und dann so ne gewisse Ernüchterung, aber so schlecht haben wir es gar nicht gemacht, es ist halt anders, als wir es uns erträumt haben, aber so anders eigentlich nicht."

    Und ähnlich ist es auch mit Masha Qrellas neuem Album "Analogies": Man kann die Wärme und Intimität früherer Alben vermissen. Man kann sich aber auch über ein paar gelungene Popsongs freuen und feststellen, dass ihre Musik ein bisschen anders geworden ist - aber so anders eigentlich nicht.

    Masha Qrella : "Analogies", Morr Music, LC 10387