Dienstag, 16. April 2024

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Porches mit "Ricky Music"
"Ich bin einfach so zerbrochen"

Aaron Maine hat bereits unter vielen Pseudonymen Musik gemacht. Als „Porches“ veröffentlicht er nun sein fünftes Album. Darauf lässt der Produzent sein Leben der vergangenen zwei Jahre Revue passieren. Eine aufwühlende Zeit, die er in Synth-Pop-Stücken zwischen Kitsch und Experiment verarbeitet.

Von Dennis Kastrup | 14.03.2020
Aaron Maine blickt ernst in die Kamera. Er trägt eine rote Baseballcap
Der US-amerikanische Musiker Aaron Maine von Porches (Dennis Kastrup)
"Wir sitzen im 'Famous Cozy Soup ‘n‘ Burger', einer meiner Lieblingsläden in New York. Ich bin hier ungefähr sechs Mal die Woche gewesen, als ich in der Gegend gewohnt habe."
Und zwar im Greenwich Village, nur ein paar Blöcke von dem berühmten 24-Stunden-Restaurant entfernt. Vor sieben Jahren ist Aaron Maine aus dem Hause seiner Mutter in Westchester, einer Kleinstadt nördlich vom Big Apple, nach New York City gezogen. Er teilte sich eine Wohnung mit seiner damaligen Freundin. Als die Beziehung vor zwei Jahren in die Brüche ging, mietete er sich ein neues Apartment in Chinatown, einen Fußmarsch vom Diner entfernt.
Zwischen chinesischen Supermärkten und Imbissen öffnet Maine eine kleine Tür, hinter der es zwei Etagen nach oben geht. Es ist eine sparsam eingerichtete Wohnung, die sich der US-Amerikaner mit einem Mitbewohner teilt. Die zwei Zimmer werden durch Küche und ein winziges Bad verbunden. Wir begeben uns in seinen Teil. Dahin, wo die Ideen für das neue Album "Ricky Music" entstanden sind.
"Wir sind jetzt in meinem Schlafzimmer-Studio in der Eldridge Street. Hier gibt es einen Stuhl und ein Bett, auf dem die Gäste sitzen. Dann gibt es noch den Tisch für die Musik, meinen Kleiderschrank, und das ist es schon. Das nennt man wohl 'New York Living'. Hier tüftle ich alles aus."
Die Leiden eines Endzwanzigers
Die vielen Synthesizer, die Gitarre, der Bass und der Computer nehmen beinahe den gesamten Raum ein. Viel Platz hat man nicht. Die Vorstellung, dass Maine hier fast täglich mehr als neun Stunden Musik gemacht hat, ist ein wenig bedrückend. Diesen Eindruck verstärkt auch das Album. Die Songs erzählen von den Leiden eines Endzwanzigers, der sich nach Liebe sehnt.
"Seitdem ich hier wohne, bin ich fast die gesamten zwei Jahre mit jemandem ausgegangen. Diese Beziehung war also ein großer Teil der Wohnung. Wir haben uns dann während des Schreibens am Album getrennt. Die Songs erzählen von den Problemen dieser Beziehung und ihrem Ende. Darum geht es nicht auf dem gesamten Album, aber größtenteils."
Rund 100 Stücke sind aus diesen Erlebnissen entstanden, die Maine auf seinem Laptop in einem Ordner namens "Eldridge Street" speicherte, der Ort, an dem ein neues Kapitel in seinem Leben begann.
"Meine Gefühle wirbeln meistens so wild durcheinander, dass ein physischer Ort zur Neusortierung meiner Gedanken wichtig ist. So kann ich all das durchleben, aber eben in der beschützten Umgebung meines Zimmers. Da sich alles andere um mich herum so schnell bewegt, ist es schön, an einem Ort zu sein und das Erlebte einzufangen."
Songs über ein gebrochenes Herz
Neben Gitarre und Bass bestimmen vor allem Synthesizer wie der Roland Juno-106 den Sound von "Ricky Music". Auch der Yamaha DX7 ist auf dem Album dabei. Das Instrument prägte unter anderem den 80er-Jahre-Klang von a-ha, Phil Colins oder Whitney Houston. Die Brücke ins Hier und Jetzt baut Maine mit seinem Gesang. Oft verwandelt er seine Stimme mit dem Auto-Tune-Effekt, der in aktuellen Pop-Produktionen geradezu inflationär benutzt wird. Die Intensität passt sich dabei der Stimmung der Songs an: In dem ruhigen Stück "Hair" zum Beispiel ist der Auto-Tune-Effekt nur schwer herauszuhören.
"Hair" ist ein Song über ein gebrochenes Herz. Das ist gar kein Versuch, sich besser zu fühlen. Ich bin einfach so zerbrochen! Das sind Momente im Leben, wo man sich diesen Emotionen voll hingeben muss. Man will gar keine Ratschläge hören, wie man sich besser fühlt. Man will sich nur darin suhlen."
Die Musik von Porches bildet den Soundtrack zu Maines Herzschmerz. In überzogenes Leiden driftet sie aber nicht ab. Ein Grund dafür sind unter anderem die Synthesizer. Ihr Sound erinnert stark an den Dream Pop der 80er-Jahre. Die Melodien klingen dabei so überzogen harmonisch, dass es fast schon kitschig wirkt. Die Texte hat Maine aber schlicht und direkt gehalten. Es sind größtenteils einfache Geschichten über die Liebe. So finden wohl die meisten Hörer mindestens einen Song, mit dem sie sich identifizieren und anfreunden können.
"Ich habe meine Emotionen vorher noch nie so offen gezeigt, ob nun gute oder schlechte. Das ist auch das, was ich geben kann. Meine Musik ist wie ein Fenster in meine Welt und zeigt das, was ich mit Leuten teilen möchte. Es ist fast so, als würden nur Freunde zuhören und mit mir eine seltsame Unterhaltung führen."