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Porentiefe Reinigung für kostbare Gemälde

Chemie. – Um ihre Werke gegen den nagenden Zahn der Zeit zu wappnen, tünchten die alten Meister die Bilder oftmals mit Firnis. Doch das dabei verwandte Leinöl altert ebenfalls und bedroht die Kunst aus vergangenen Zeiten. Jetzt entwickelten Biochemiker eine Methode, die den Schutzfilm auf schonende Weise entfernt und alten Glanz wieder hervorzaubert, ohne die Farben anzugreifen.

18.08.2003
    Bereits im 17. Jahrhundert mussten sich Restauratoren daran machen, alte Kunstwerke vor Verschmutzung und Verfall zu bewahren. Allerdings gingen sie rustikal zu Werke, wenn alternder Firnis den Blick auf die Gemälde trübte: mit Scheuersand wurde die alternde und eingetrübte Ölverbindung, die den Farben der Gemälde ursprünglich zu mehr Tiefe, Leuchtkraft und Glanz verhelfen sollte, wieder heruntergewaschen. Dass diese Vorgehensweise aber auch mit Verlusten verbunden war, leuchtet ein. Der Grund für die Alterung des Firnis liegt im seinem Hauptbestandteil, dem Leinöl. Es enthält viele mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die unter dem Sauerstoffgehalt der Luft oxidieren und dabei untereinander vernetzen. Dadurch wird der Firnis mit der Zeit milchig und trübe und versteckt das Bild immer mehr unter einem düsteren Schleier. Im vergangenen Jahrhundert versuchten Restauratoren, mit Lösungsmitteln der Ölschicht zu Leibe zurücken, doch sie dringen auch in die Farbschicht ein und greifen sie an.

    US-Biochemiker sannen als erste auf schonendere Methoden, bei denen Enzyme die Schmutzarbeit erledigen sollten, indem sie die Leinöle spalten. "Wir haben das Verfahren nachgekocht und fanden, dass es tatsächlich tat. Bei genauerem Hinsehen stellte sich aber heraus, dass die Entfernung des Firnis auch möglich war, wenn wir das Enzym weggelassen haben.", berichtet Ulrich Weser, Professor für Anorganische Biochemie an der Universität Tübingen. Offenbar war also das Enzym selbst gar nicht an der Tiefenreinigung beteiligt. Vielmehr schien der Puffer, in dem das Eiweiß lag, für den Reinigungseffekt verantwortlich. Dabei handelte es sich um eine schwach basische Ammoniakvariante. Laugen werden auch eingesetzt, um Türen und Fenstern gründlich von Farbresten zu befreien. Allerdings kann diese Methode nicht auf Bilder übertragen werden, weil die aggressive Flüssigkeit durch Ritzen bis in die Farbschicht gelangt und dort mit Farbstoffen wie etwa dem Malachit reagiert. Dabei können Radikale entstehen, die wiederum den Maluntergrund schädigen.

    "Dann kam uns die Idee einer hochmolekularen Lauge, die nicht in die Tiefe eindringen kann und die man durch einfaches Abwischen stoppen kann", schildert der Tübinger Biochemiker. Um eine Lauge aus möglichst großen Molekülen zu erzeugen, betteten Weser und seine Kollegen Rubidiumhydroxid in den polymeren Träger Polyethylenglykol ein. Dabei entsteht ein zähflüssiges, honigartiges Gel, das problemlos mit einem Spatel oder Wattestäbchen auf den Firnis aufgetragen werden kann und ihn langsam abbaut. Jederzeit kann diese chemische Reinigung wieder gestoppt werden. Dazu wird einfach ebenfalls hochmolekulare Polyacrylsäure auf den Firniskiller gegeben. Ist schließlich das Gemälde vom trüben Schleier befreit und strahlen die Farben wieder in alter Pracht, kann die Reinigungsmixtur einfach abgewischt werden. Über solch gute Nachrichten freuen sich geplagte Restauratoren. Experten unterzogen die Methode bereits in Workshops in Köln, Florenz und London praktischer Erprobung und befanden Wesers Gemäldereinigung für tauglich. Dennoch warnt der Chemiker vor überzogenen Erwartungen: "Natürlich ist das nicht der Stein der Weisen. Ich möchte dringend warnen, die Methode jetzt für alle restauratorischen, konservatorischen Aufgaben einzusetzen. Gerade wenn Sie ein Gemälde mit sehr breiten Krakelüren haben, sollte man das nicht anwenden, weil die Masse dann eindringen und nicht mehr entfernt werden kann."

    [Quelle: Susanne Poelchau]