"Es war ja wohl das, was man einen Coup nennt? Eine Gelegenheit, ein Kapital von, sagen wir einmal, 40.000 Kurantmark ganz einfach - und ein wenig übertrieben ausgedrückt - zu verdoppeln. Ja, es war ein Fingerzeig, ein Wink, sich zu erheben!"
Das wohl berühmteste Beispiel der deutschen Literatur über das Scheitern einer Familie sind "Die Buddenbrooks". Den "Verfall einer Familie" - wie es schon im Titel des Romans unheilvoll heißt - zeigt Thomas Mann darin nicht nur am individuellen Niedergang der Familienmitglieder. Auch an konkreten unternehmerischen Fehlentscheidungen lässt sich der Abstieg der Kaufmannsdynastie ablesen: wie am Entschluss des Sohnes Thomas, die Pöppenrader Ernte zu kaufen.
Der Coup aber, den Thomas Buddenbrook plant, sollte nicht gelingen: Die Pöppenrader Ernte wird durch ein Gewitter zerstört, der Untergang des Familienunternehmens beschleunigt sich. An Thomas Manns großen Roman kann man sich in diesen Wochen und Monaten erinnert fühlen. Denn auch Wendelin Wiedeking hatte hoch gepokert: Der letzte Nacht entlassene Porsche-Chef hatte im vorigen Jahr bei der Bilanzvorlage die damals noch geplante vollständige Übernahme von VW mit einem Schachspiel verglichen:
"Das Schachspiel, was wir uns vorgestellt haben: Jeder Zug war wohlüberlegt, war nie von Zeitdruck getrieben. Wir haben immer bestimmte Rahmenbedingungen in unsere Planungen miteinbezogen."
Wiedeking und der ehemalige Finanzvorstand von Porsche, Holger Härter, haben aber doch nicht alle Variablen des Schachspiels berücksichtigt: nicht die Politik, die über das Land Niedersachsen eben doch noch Einfluss bei VW behalten hat; nicht die Finanzkrise, die die Verhandlungen mit den Banken zur Aufnahme oder Umschuldung von Krediten erschwert hat; und auch nicht die Beharrlichkeit des Familienzweigs der Piechs gegen den der Porsches.
Beinahe täglich hatten diese beiden Familienstämme in den letzten Wochen versucht, eine Wende zu ihrem jeweiligen Vorteil herbeizuführen. Wiedeking und Härter haben nun also verloren, zwar nicht finanziell, schließlich erhalten beide großzügige Abfindungen, aber die Macht mussten sie abgeben: Die Geschicke des Sportwagenbauers liegen nicht mehr in ihren Händen. Ohnehin hatten sie auch dem Emirat von Katar gegenüber weniger Einfluss als gedacht, denn als familienfremde Manager galten sie dem arabisch-konservativ denkenden Emir nicht als ernst zu nehmende Gesprächspartner. Christoph Stürmer vom Analysehaus Global Insight glaubt zudem, dass das Interesse des Emirats weniger Porsche, sondern immer schon eher Volkswagen - als einem der größten Autohersteller der Welt - gegolten habe:
"Deswegen war es klar, dass das Emirat im Zuge der Anbahnung der Übernahme von VW ausschließlich mit Porsche gesprochen hat. Deshalb ist es evident, dass jemand, der 51 Prozent an einer Firma besitzt, der Eigentümer ist und der deswegen der richtige Ansprechpartner ist."
Die Ereignisse um Porsche hatten also geradezu den Unterhaltungswert einer Seifenoper und lassen an Maria-Elisabeth Schaeffler denken, die den Gang zur IG Metall im Büßerhemd antrat - in diesem Fall ein roter Schal zum eleganten schwarzen Kostüm. Die hohe Schuldenlast, die sich der Automobilzulieferer aus Herzogenaurach wegen der Continental-Übernahme aufgebürdet hatte, kann er wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht mehr bedienen. Das zwang die Familie im Februar dieses Jahres zu ungewöhnlichen Schritten. Maria-Elisabeth Schaeffler damals:
"Deswegen treten mein Sohn und ich für die zukünftige Einführung der Mitbestimmung ein, wie wir es in dem Dokument festgelegt haben. Wir werden unseren Gesellschafteranteil reduzieren, um damit einen Beitrag zum Abbau der Schulden zu leisten."
Für Tom Rüsen, Geschäftsführender Direktor des
Wittener Instituts für Familienunternehmen an der Universität Witten-Herdecke, ist dieser Schritt in Richtung Gewerkschaften ein Zeichen, wie weit Familienunternehmer gehen, um ihre Firma zu retten:
"Auch wenn man jahrzehntelang mit den Gewerkschaften nicht zusammengearbeitet hat, hat man gesagt: 'Ok, im Dienste des Unternehmens tue ich das. Und auch gehe ich, den Gang nach Canossa - in Anführungsstrichen - und bitte die Politik um Hilfe', obwohl man das jahrzehntelang nicht gemacht hat. Und das ist das dominante Modell, was wir immer wieder in unseren Krisenstudien sehen: Die Mitglieder der Unternehmerfamilie sind in der Regel bereit, zum Erhalt des transgenerationalen Familienerbes weite Schritte zu unternehmen - im persönlichen Bereich, im finanziellen Bereich. Und das kann man hier eigentlich für den Schaeffler-Fall auch feststellen."
Tragisch hingegen endete der Kampf des schwäbischen Milliardärs Adolf Merckle um seine Unternehmensgruppe, zu der sowohl der Pharmahersteller Ratiopharm wie auch die Heidelberger Zement gehörten: Sein Freitod zu Beginn dieses Jahres offenbarte das Ausmaß seiner Verzweiflung. Auch Merckle hatte zu hoch gepokert, hatte sich mit VW-Aktien verspekuliert und gleichzeitig einen Wertverlust der Beteiligung Heidelberg Zement hinnehmen müssen. Tom Rüsen:
"Wenn es ihm nicht gelingt, diese Familienkrise zu beherrschen und einzudämmen, dann geht meistens das Unternehmen unter - und es gibt fürchterliche Entwicklungen in der Gesellschafterfamilie. Hier an diesem Fall zeigt sich sehr deutlich, dass dann eben eine schillernde Persönlichkeit, die über Jahrzehnte in seiner Region eine strahlende Vorbildfunktion ist, dass hier die psychischen Auswirkungen dieser Hilflosigkeit, in die man sich gebracht hat, sozusagen überhandgenommen haben."
Merckle hatte schon einige Monate zuvor seinen Sohn als Ratiopharm-Chef entlassen. Die Verbindlichkeiten seiner Unternehmensgruppe konnte er nicht mehr tragen, das Erbe für die kommenden Generationen so nicht mehr bewahren.
Das Erbe verspielt hat auch Madeleine Schickedanz: Die Großaktionärin des Warenhaus- und Versandkonzerns Arcandor konnte oder wollte das Erbe ihrer Eltern nicht mehr halten und ließ stattdessen die Firma in die Insolvenz gehen. Ihr wiederum werden unternehmerische Fehlentscheidungen bei der Besetzung der Geschäftsführung und mangelnde strategische Weitsicht nachgesagt.
Ist die Krise dieser großen Dynastien damit auch eine Krise der Familienunternehmen überhaupt? Zumindest schaden die großen Familiendynastien, deren Probleme ständig in den Medien präsent sind, dem Ruf der vielen kleinen und mittelständischen Familienbetriebe, meint Tom Rüsen von der Universität Witten-Herdecke:
"Diese Beispiele, die sind sozusagen momentan in aller Munde und werfen ein etwas verzerrtes Licht auf Familienunternehmen insgesamt. Weil: Hier gibt es ein paar Beispiele, wo in der Tat eine Geschäftspolitik verfolgt worden ist, die eigentlich sehr untypisch für Familienunternehmen ist. Typischerweise machen Familienunternehmen Übernahmen oder riskante Geschäfte unter der Prämisse, dass diese auch schief gehen können. Und wenn diese schief gehen, reißt es nicht das gesamte Unternehmen in den Abgrund, so wie es sich bei dem einen angesprochenen Fall zu entwickeln scheint."
Doch viele Familienunternehmer sehen das anders, so etwa Friedhelm Loh. Er führt die Friedhelm-Loh-Group - eine Unternehmensgruppe der Elektrotechnikindustrie aus Hessen, zu der auch die Rittal GmbH & Co KG gehört. Sowohl Schaeffler als auch Porsche hätten ja ihre Übernahmeentscheidungen in ganz anderen Zeiten gefällt, meint Loh:
"Ich glaube nicht, dass deswegen der Familienunternehmer per se in ein schlechtes Licht geraten ist. Sie haben in den Großkonzernen, bei den Banken, Vorstände, die nicht funktionieren, mindestens optisch nach außen nicht funktionieren, und Sie haben das auch bei Familienunternehmen."
Auch Jan-Udo Kreyenborg, dessen gleichnamiges Unternehmen in Münster Kunststoffmaschinen herstellt, sieht die Eskapaden der Großen gelassen:
"Tatsache ist, einige machen immer Fehler. Eine alte Wahrheit ist: Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er auf das Glatteis. Daraus eine allgemeine Gültigkeit abzuleiten, wäre falsch."
Frank Heinricht, Vorsitzender der Geschäftsführung
des Edelmetall- und Technologieunternehmens Heraeus Holding, bemerkt keine Konsequenzen für den Ruf der Familienunternehmen insgesamt:
"Es finden sich genauso Beispiele in die andere Richtung. Da sind Unternehmen, denen es nicht so gut geht, die in finanziellen Problemen stecken, da spüren wir keinerlei Auswirkungen."
Es komme bei der Beurteilung der Unternehmensqualität eben nicht auf die Größe an, meinen die meisten Unternehmer. Ja, es hänge noch nicht einmal unbedingt von der Gesellschaftsform ab, ist der Privatbankier Friedrich von Metzler überzeugt:
"Ich sehe gar keinen so großen Unterschied zwischen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen. Es kommt immer auf die Geschäftsleitung und auf die Strategie an. Man kann in jeder Art von Unternehmen eine langfristig richtige Strategie formulieren. Man kann sie dann dort leben. Sie muss zur Struktur und zur Größe des Unternehmens passen."
Wirtschaftswissenschaftler jedoch unterscheiden bei den Unternehmen nach der Gesellschaftsform. Zwischen 90 und 95 Prozent der Firmen in Deutschland gelten als Familienunternehmen, je nachdem, ob Kriterium ist, dass die Familie den Betrieb führt oder aber mehr als 50 Prozent der Anteile besitzt. Solchen Unternehmen sagt man eine nachhaltigere Geschäftspolitik nach, da die nächste Generation das Unternehmen schließlich erben soll.
Dadurch bestehe auch eine engere Bindung an die Firma und an die Mitarbeiter. Frank Wallau, Geschäftsführer des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung:
"Familienunternehmen sind ja auch in der Regel gewachsen. Die waren ja, wenn Sie viele Unternehmensgeschichten nehmen, nach dem Krieg, nach der Gründung der Bundesrepublik oft Fünf- oder Zehnmannbetriebe. Wenn Sie zum Beispiel die Geschichte von Reinhard Mohn nehmen, Bertelsmann, das war eine ganz kleine Druckerei. Da besteht natürlich eine gewisse Bindung, die natürlich im Weltkonzern nicht mehr so vorhanden ist. Aber bei Mittelständlern, die dann vielleicht 100, 200 Mitarbeiter haben, diese klassischen Familienunternehmen, da kennt der Chef noch jeden, und da ist die Bindung deutlich stärker ausgeprägt."
Viele dieser Unternehmen haben deshalb einen festgelegten Wertekodex. So auch der Edelmetall- und Technologiekonzern Heraeus, der schon 155 Jahre im Besitz der Familie ist. Frank Heinricht:
"In den Grundwerten, da haben wir die wesentlichsten Punkte des Zusammenlebens im Unternehmen geregelt. Wenn Sie so wollen, sind das Leitplanken, die vorgeben, wie wir miteinander umgehen wollen. Und dort stehen so Themen drin wie Vertrauen, Berechenbarkeit. Wir gehen effizient mit Ressourcen um, also das sind Themen, die wir da ansprechen und regelmäßig mit den Mitarbeitern besprechen, und auch immer wieder fragen, wo stehen wir da eigentlich."
Eine zu enge Bindung an die Mitarbeiter aber kann für ein Unternehmen auch problematisch sein, mahnt Friedhelm Loh:
"Ich glaube, viele Familienunternehmer und Familien kämpfen für ihre Mitarbeiter, aber irgendwann ist auch so ein Kampf verloren, wenn er wirtschaftlich die Grundbasis eines Unternehmens ins Risiko führt. Sie können das eine Zeit machen, aber Sie müssen an irgendeiner Stelle auch den Mut haben und sagen, es geht nicht mehr, sonst gehe ich das Risiko ein, dass ich damit allen schade. Und dann ist das sicherlich ein Abwägungsprozess."
Diesen Fehler, in schwierigen Zeiten zu lange an den Mitarbeitern festzuhalten, machen einige Unternehmer. In der Krise können die Firmen zwar meist auf ihre Familiengesellschafter vertrauen, zumal in finanzieller Hinsicht. Aber auch das kann sich negativ auswirken, meint Tom Rüsen:
"Hier sieht man, dass Familienunternehmen in der Krise bereit sind, weite Teile aus den Finanzmitteln aus der Gesellschafterfamilie zur Rettung des Unternehmens einzusetzen, was an sich ein vorteilhafter oder sehr positiver Aspekt ist. Nur wenn sie es gleichzeitig unterlässt, eine Restrukturierung durchzuführen, wird das Geld eigentlich verbrannt, und drei Jahre später steht man dann vor dem gleichen Problem - und hat dann eben keine neuen Mittel mehr aus der Gesellschafterfamilie heraus."
Ein gesundes Familienunternehmen sollte deshalb langfristig denken, dann sinkt auch das Risiko, dass in der Krise die Mittel knapp werden, ist sich Privatbankier Friedrich von Metzler sicher:
"Wenn wir langfristige Strategien haben - nehmen Sie unser Haus: Wir schütten wenig aus, die Familie ist mit wenig zufrieden, weil sie weiß, langfristig wird sie davon profitieren, wenn die Bank sich gut weiterentwickelt. Obendrein ist das dann auch gut, wenn ihr Vermögen innerhalb der Bank verwaltet wird, und sie sich nicht selbst drum kümmern müssen. Damit sind wir eben sehr gut ausgestattet und können jede Krise meistern aus der eigenen Stärke heraus."
Sich zunächst auf diese Eigenmittel verlassen zu können, ist also beruhigend für die Unternehmen - gerade in Krisenzeiten. Doch viele Unternehmen geraten auch unverschuldet in Schwierigkeiten, wenn die Umsätze wie in der Autoindustrie oder im Maschinenbau massiv wegbrechen.
Und das ist besonders kritisch in Zeiten, in denen die Banken bei der Kreditvergabe knauseriger sind. Insgesamt zeigt das jüngste Mittelstandspanel des Bundesverbands der deutschen Industrie zwar, dass gut die Hälfte der Unternehmen noch keine Verschlechterung in ihrem Verhältnis zur Bank spürt. Aber bei etwa 40 Prozent habe sich die Lage verschlechtert, so Frank Wallau vom Institut für Mittelstandsforschung. Die meisten Mittelständler würden kaum noch Investitionskredite nachfragen.
Die Not scheint also groß, gerade bei den kleinen und mittelständischen Industrieunternehmen, die oft in Familienhand sind. Und so kommt gelegentlich leichter Groll darüber auf, dass die Politik den Großen vergleichsweise schnell beispringt. Etwa bei Jan-Udo Kreyenborg vom Kunststoffmaschinenhersteller Kreyenborg-Gruppe:
"Wenn es um einen kleinen Mittelständler geht, sehen wir uns ganz klar von der Politik verlassen. Was wir mehr bräuchten, wären Ausfuhrbürgschaften. Das ist eine sehr teure Thematik, Finanzierung. Das ist relativer Kleinkram aus Sicht der ganz Großen. Aber wir Mittelständler sind ja das Rückgrat der Industrie und der Wirtschaft und wir erwarten hier auch Hilfe, die wir ehrlich gesagt so nicht bekommen."
Und auch die Unternehmen, die staatliche Hilfe nicht beanspruchen wollen, haben da ihre Vorbehalte, so Frank Heinricht von Heraeus:
"Ich sehe es durchaus kritisch, wenn hier an vielen Stellen staatliche Eingriffe erfolgen, die dann dazu diesen punktuell, wenn Unternehmen nicht so solide aufgestellt sind, finanzielle Hilfen zukommen zu lassen. Das ist zum einen eine Wettbewerbsverzerrung, das ist oft diskutiert worden, zum anderen aber auch im Sinne von Gleichbehandlung und Fairness nicht sauber den Unternehmen gegenüber, die ordentlich an der Stelle gewirtschaftet haben."
Ordentlich gewirtschaftet - das haben viele Familienunternehmen in den letzten, guten Jahren. Wichtig für den Geschäftserfolg ist dabei auch die Transparenz: Die Geschäftsführer, egal, ob sie der Familie angehören oder familienfremd sind, müssen mit den Gesellschaftern in gutem Kontakt bleiben, meint Heinricht, der selbst nicht der Familie Heraeus angehört:
"Ein Erfolgsrezept ist hier sicherlich, dass man sich sehr professionell verhält, also die Schnittstellen zwischen den Gremien, also Aufsichtsrat, Gesellschafterausschuss als dann auch den Organen der Geschäftsführung sehr sauber trennt und formal sauber agiert, sodass es nicht ein Hineinregieren oder Interagieren zwischen den verschiedenen Gremien gibt, und das hat sich in den letzten Jahren sehr gut bei Heraeus bewährt, die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat."
Schwierig aber wird es, wenn die Gesellschafter untereinander uneins sind - das zeigt sich dann oft bei der Frage der Nachfolge in der Geschäftsführung. Das zeigt sich aber auch daran, wie ein Unternehmen sich ausrichtet und wie es auf die Krise reagiert.
Derzeit ist das sehr gut am Fall Porsche-VW zu beobachten, wo die beiden Familienzweige sich einen harten Kampf um die Vorherrschaft in einem gemeinsamen Unternehmen VW-Porsche geliefert haben, wobei sich der Familienzweig der Piechs letztlich durchgesetzt hat.
In Krisensituationen macht sich das Fehlen einer gemeinsamen Strategie und eines Werte- und Verhaltenskodex deutlich bemerkbar, meint Tom Rüsen, geschäftsführender Direktor des Wittener Instituts für Familienunternehmen an der Universität Witten-Herdecke:
"Dieser parallele Krisenprozess, der in der Gesellschafterfamilie stattfindet, der kann einen Untergang provozieren, wenn die Krise zu Gesellschafterkonflikten führt. Und wenn man sagen kann, was kann ein Familienunternehmen tun, dann geht es eigentlich darum, eine Familienstrategie, eine Familiencharta zu entwickeln, mit dem einzigen Sinn und Zweck, Gesellschafterkonflikte in einer Krisensituation einzudämmen oder zu vermeiden, weil die sind der sichere Untergang eines Unternehmens."
Dieses Bewusstsein sei in seinem Hause vorhanden, erklärt Friedrich von Metzler:
"Mein Vater hat mit sehr viel erzählt, wie er das Haus mit seinen damaligen Partnern durch die schweren Jahre zwischen 1914 und 1945 durchgelotst hat. Das ist stark hier vorhanden, dieses Bewusstsein, dass so was immer wieder kommen kann, und dass man darauf vorbereitet sein muss und wie man dann handeln muss. Aber das geht nicht nur mich an, ich glaube, das ist fester Bestandteil in dem Gedanken der meisten, die hier unternehmerisch arbeiten."
Auf das Auf und Ab der Konjunktur und auch auf Krisen immer vorbereitet zu sein, ist auch für Jan-Udo Kreyenborg wichtig. Und er hat eine weitere Lehre aus der Krise gezogen:
"Halte einen vernünftigen Eigenkapitalanteil, achte auf das Cash-Management, achte auf Kosten, siehe zu, dass du in Entwicklungen weitermachst, und halte einen guten Stil im Hause. Wir und die Mitarbeiter verstehen uns als Team. Das sehe ich auch daran, was ich an Feedback bekomme. Wir sind eine große Gemeinschaft. Hier einfach einen guten Stil zu pflegen, ist auch ganz wichtig."
Dieser gute Stil zeigt sich auch in der Kommunikation mit den Mitarbeitern. Denn man müsse sich jetzt schnell an die Krise anpassen, man müsse dies aber den Mitarbeitern gegenüber auch verständlich kommunizieren, meint Friedhelm Loh:
"Ich glaube, das ist für mich jedenfalls einer der wesentlichen Prozesse, wo ich sage, dafür muss ich Zeit nehmen, egal welche positiven oder negativen Entscheidungen - es geht um die Menschen. Die Menschen müssen uns verstehen."
Die Krise ist zwar noch nicht zu Ende, meint Frank Heinricht von Heraeus. Aber die Lektion laute schon jetzt:
"Schalte nie den gesunden Menschenverstand aus. Das hat sich aus meiner Sicht noch deutlich verstärkt: Sich nicht von Hypes, von Wellen mitreißen zu lassen, sondern immer mal wieder zu hinterfragen, ist das vernünftig, was dort gemacht wird, ich glaube, das ist noch mal eindrucksvoll bestärkt worden. Und ich denke, dass all die Unternehmen, die in diesem Sinne gearbeitet haben, dass die jetzt auch relativ solide dastehen, also wenn Sie so wollen, die, die nicht übermütig im Hype geworden sind."
Das wohl berühmteste Beispiel der deutschen Literatur über das Scheitern einer Familie sind "Die Buddenbrooks". Den "Verfall einer Familie" - wie es schon im Titel des Romans unheilvoll heißt - zeigt Thomas Mann darin nicht nur am individuellen Niedergang der Familienmitglieder. Auch an konkreten unternehmerischen Fehlentscheidungen lässt sich der Abstieg der Kaufmannsdynastie ablesen: wie am Entschluss des Sohnes Thomas, die Pöppenrader Ernte zu kaufen.
Der Coup aber, den Thomas Buddenbrook plant, sollte nicht gelingen: Die Pöppenrader Ernte wird durch ein Gewitter zerstört, der Untergang des Familienunternehmens beschleunigt sich. An Thomas Manns großen Roman kann man sich in diesen Wochen und Monaten erinnert fühlen. Denn auch Wendelin Wiedeking hatte hoch gepokert: Der letzte Nacht entlassene Porsche-Chef hatte im vorigen Jahr bei der Bilanzvorlage die damals noch geplante vollständige Übernahme von VW mit einem Schachspiel verglichen:
"Das Schachspiel, was wir uns vorgestellt haben: Jeder Zug war wohlüberlegt, war nie von Zeitdruck getrieben. Wir haben immer bestimmte Rahmenbedingungen in unsere Planungen miteinbezogen."
Wiedeking und der ehemalige Finanzvorstand von Porsche, Holger Härter, haben aber doch nicht alle Variablen des Schachspiels berücksichtigt: nicht die Politik, die über das Land Niedersachsen eben doch noch Einfluss bei VW behalten hat; nicht die Finanzkrise, die die Verhandlungen mit den Banken zur Aufnahme oder Umschuldung von Krediten erschwert hat; und auch nicht die Beharrlichkeit des Familienzweigs der Piechs gegen den der Porsches.
Beinahe täglich hatten diese beiden Familienstämme in den letzten Wochen versucht, eine Wende zu ihrem jeweiligen Vorteil herbeizuführen. Wiedeking und Härter haben nun also verloren, zwar nicht finanziell, schließlich erhalten beide großzügige Abfindungen, aber die Macht mussten sie abgeben: Die Geschicke des Sportwagenbauers liegen nicht mehr in ihren Händen. Ohnehin hatten sie auch dem Emirat von Katar gegenüber weniger Einfluss als gedacht, denn als familienfremde Manager galten sie dem arabisch-konservativ denkenden Emir nicht als ernst zu nehmende Gesprächspartner. Christoph Stürmer vom Analysehaus Global Insight glaubt zudem, dass das Interesse des Emirats weniger Porsche, sondern immer schon eher Volkswagen - als einem der größten Autohersteller der Welt - gegolten habe:
"Deswegen war es klar, dass das Emirat im Zuge der Anbahnung der Übernahme von VW ausschließlich mit Porsche gesprochen hat. Deshalb ist es evident, dass jemand, der 51 Prozent an einer Firma besitzt, der Eigentümer ist und der deswegen der richtige Ansprechpartner ist."
Die Ereignisse um Porsche hatten also geradezu den Unterhaltungswert einer Seifenoper und lassen an Maria-Elisabeth Schaeffler denken, die den Gang zur IG Metall im Büßerhemd antrat - in diesem Fall ein roter Schal zum eleganten schwarzen Kostüm. Die hohe Schuldenlast, die sich der Automobilzulieferer aus Herzogenaurach wegen der Continental-Übernahme aufgebürdet hatte, kann er wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht mehr bedienen. Das zwang die Familie im Februar dieses Jahres zu ungewöhnlichen Schritten. Maria-Elisabeth Schaeffler damals:
"Deswegen treten mein Sohn und ich für die zukünftige Einführung der Mitbestimmung ein, wie wir es in dem Dokument festgelegt haben. Wir werden unseren Gesellschafteranteil reduzieren, um damit einen Beitrag zum Abbau der Schulden zu leisten."
Für Tom Rüsen, Geschäftsführender Direktor des
Wittener Instituts für Familienunternehmen an der Universität Witten-Herdecke, ist dieser Schritt in Richtung Gewerkschaften ein Zeichen, wie weit Familienunternehmer gehen, um ihre Firma zu retten:
"Auch wenn man jahrzehntelang mit den Gewerkschaften nicht zusammengearbeitet hat, hat man gesagt: 'Ok, im Dienste des Unternehmens tue ich das. Und auch gehe ich, den Gang nach Canossa - in Anführungsstrichen - und bitte die Politik um Hilfe', obwohl man das jahrzehntelang nicht gemacht hat. Und das ist das dominante Modell, was wir immer wieder in unseren Krisenstudien sehen: Die Mitglieder der Unternehmerfamilie sind in der Regel bereit, zum Erhalt des transgenerationalen Familienerbes weite Schritte zu unternehmen - im persönlichen Bereich, im finanziellen Bereich. Und das kann man hier eigentlich für den Schaeffler-Fall auch feststellen."
Tragisch hingegen endete der Kampf des schwäbischen Milliardärs Adolf Merckle um seine Unternehmensgruppe, zu der sowohl der Pharmahersteller Ratiopharm wie auch die Heidelberger Zement gehörten: Sein Freitod zu Beginn dieses Jahres offenbarte das Ausmaß seiner Verzweiflung. Auch Merckle hatte zu hoch gepokert, hatte sich mit VW-Aktien verspekuliert und gleichzeitig einen Wertverlust der Beteiligung Heidelberg Zement hinnehmen müssen. Tom Rüsen:
"Wenn es ihm nicht gelingt, diese Familienkrise zu beherrschen und einzudämmen, dann geht meistens das Unternehmen unter - und es gibt fürchterliche Entwicklungen in der Gesellschafterfamilie. Hier an diesem Fall zeigt sich sehr deutlich, dass dann eben eine schillernde Persönlichkeit, die über Jahrzehnte in seiner Region eine strahlende Vorbildfunktion ist, dass hier die psychischen Auswirkungen dieser Hilflosigkeit, in die man sich gebracht hat, sozusagen überhandgenommen haben."
Merckle hatte schon einige Monate zuvor seinen Sohn als Ratiopharm-Chef entlassen. Die Verbindlichkeiten seiner Unternehmensgruppe konnte er nicht mehr tragen, das Erbe für die kommenden Generationen so nicht mehr bewahren.
Das Erbe verspielt hat auch Madeleine Schickedanz: Die Großaktionärin des Warenhaus- und Versandkonzerns Arcandor konnte oder wollte das Erbe ihrer Eltern nicht mehr halten und ließ stattdessen die Firma in die Insolvenz gehen. Ihr wiederum werden unternehmerische Fehlentscheidungen bei der Besetzung der Geschäftsführung und mangelnde strategische Weitsicht nachgesagt.
Ist die Krise dieser großen Dynastien damit auch eine Krise der Familienunternehmen überhaupt? Zumindest schaden die großen Familiendynastien, deren Probleme ständig in den Medien präsent sind, dem Ruf der vielen kleinen und mittelständischen Familienbetriebe, meint Tom Rüsen von der Universität Witten-Herdecke:
"Diese Beispiele, die sind sozusagen momentan in aller Munde und werfen ein etwas verzerrtes Licht auf Familienunternehmen insgesamt. Weil: Hier gibt es ein paar Beispiele, wo in der Tat eine Geschäftspolitik verfolgt worden ist, die eigentlich sehr untypisch für Familienunternehmen ist. Typischerweise machen Familienunternehmen Übernahmen oder riskante Geschäfte unter der Prämisse, dass diese auch schief gehen können. Und wenn diese schief gehen, reißt es nicht das gesamte Unternehmen in den Abgrund, so wie es sich bei dem einen angesprochenen Fall zu entwickeln scheint."
Doch viele Familienunternehmer sehen das anders, so etwa Friedhelm Loh. Er führt die Friedhelm-Loh-Group - eine Unternehmensgruppe der Elektrotechnikindustrie aus Hessen, zu der auch die Rittal GmbH & Co KG gehört. Sowohl Schaeffler als auch Porsche hätten ja ihre Übernahmeentscheidungen in ganz anderen Zeiten gefällt, meint Loh:
"Ich glaube nicht, dass deswegen der Familienunternehmer per se in ein schlechtes Licht geraten ist. Sie haben in den Großkonzernen, bei den Banken, Vorstände, die nicht funktionieren, mindestens optisch nach außen nicht funktionieren, und Sie haben das auch bei Familienunternehmen."
Auch Jan-Udo Kreyenborg, dessen gleichnamiges Unternehmen in Münster Kunststoffmaschinen herstellt, sieht die Eskapaden der Großen gelassen:
"Tatsache ist, einige machen immer Fehler. Eine alte Wahrheit ist: Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er auf das Glatteis. Daraus eine allgemeine Gültigkeit abzuleiten, wäre falsch."
Frank Heinricht, Vorsitzender der Geschäftsführung
des Edelmetall- und Technologieunternehmens Heraeus Holding, bemerkt keine Konsequenzen für den Ruf der Familienunternehmen insgesamt:
"Es finden sich genauso Beispiele in die andere Richtung. Da sind Unternehmen, denen es nicht so gut geht, die in finanziellen Problemen stecken, da spüren wir keinerlei Auswirkungen."
Es komme bei der Beurteilung der Unternehmensqualität eben nicht auf die Größe an, meinen die meisten Unternehmer. Ja, es hänge noch nicht einmal unbedingt von der Gesellschaftsform ab, ist der Privatbankier Friedrich von Metzler überzeugt:
"Ich sehe gar keinen so großen Unterschied zwischen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen. Es kommt immer auf die Geschäftsleitung und auf die Strategie an. Man kann in jeder Art von Unternehmen eine langfristig richtige Strategie formulieren. Man kann sie dann dort leben. Sie muss zur Struktur und zur Größe des Unternehmens passen."
Wirtschaftswissenschaftler jedoch unterscheiden bei den Unternehmen nach der Gesellschaftsform. Zwischen 90 und 95 Prozent der Firmen in Deutschland gelten als Familienunternehmen, je nachdem, ob Kriterium ist, dass die Familie den Betrieb führt oder aber mehr als 50 Prozent der Anteile besitzt. Solchen Unternehmen sagt man eine nachhaltigere Geschäftspolitik nach, da die nächste Generation das Unternehmen schließlich erben soll.
Dadurch bestehe auch eine engere Bindung an die Firma und an die Mitarbeiter. Frank Wallau, Geschäftsführer des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung:
"Familienunternehmen sind ja auch in der Regel gewachsen. Die waren ja, wenn Sie viele Unternehmensgeschichten nehmen, nach dem Krieg, nach der Gründung der Bundesrepublik oft Fünf- oder Zehnmannbetriebe. Wenn Sie zum Beispiel die Geschichte von Reinhard Mohn nehmen, Bertelsmann, das war eine ganz kleine Druckerei. Da besteht natürlich eine gewisse Bindung, die natürlich im Weltkonzern nicht mehr so vorhanden ist. Aber bei Mittelständlern, die dann vielleicht 100, 200 Mitarbeiter haben, diese klassischen Familienunternehmen, da kennt der Chef noch jeden, und da ist die Bindung deutlich stärker ausgeprägt."
Viele dieser Unternehmen haben deshalb einen festgelegten Wertekodex. So auch der Edelmetall- und Technologiekonzern Heraeus, der schon 155 Jahre im Besitz der Familie ist. Frank Heinricht:
"In den Grundwerten, da haben wir die wesentlichsten Punkte des Zusammenlebens im Unternehmen geregelt. Wenn Sie so wollen, sind das Leitplanken, die vorgeben, wie wir miteinander umgehen wollen. Und dort stehen so Themen drin wie Vertrauen, Berechenbarkeit. Wir gehen effizient mit Ressourcen um, also das sind Themen, die wir da ansprechen und regelmäßig mit den Mitarbeitern besprechen, und auch immer wieder fragen, wo stehen wir da eigentlich."
Eine zu enge Bindung an die Mitarbeiter aber kann für ein Unternehmen auch problematisch sein, mahnt Friedhelm Loh:
"Ich glaube, viele Familienunternehmer und Familien kämpfen für ihre Mitarbeiter, aber irgendwann ist auch so ein Kampf verloren, wenn er wirtschaftlich die Grundbasis eines Unternehmens ins Risiko führt. Sie können das eine Zeit machen, aber Sie müssen an irgendeiner Stelle auch den Mut haben und sagen, es geht nicht mehr, sonst gehe ich das Risiko ein, dass ich damit allen schade. Und dann ist das sicherlich ein Abwägungsprozess."
Diesen Fehler, in schwierigen Zeiten zu lange an den Mitarbeitern festzuhalten, machen einige Unternehmer. In der Krise können die Firmen zwar meist auf ihre Familiengesellschafter vertrauen, zumal in finanzieller Hinsicht. Aber auch das kann sich negativ auswirken, meint Tom Rüsen:
"Hier sieht man, dass Familienunternehmen in der Krise bereit sind, weite Teile aus den Finanzmitteln aus der Gesellschafterfamilie zur Rettung des Unternehmens einzusetzen, was an sich ein vorteilhafter oder sehr positiver Aspekt ist. Nur wenn sie es gleichzeitig unterlässt, eine Restrukturierung durchzuführen, wird das Geld eigentlich verbrannt, und drei Jahre später steht man dann vor dem gleichen Problem - und hat dann eben keine neuen Mittel mehr aus der Gesellschafterfamilie heraus."
Ein gesundes Familienunternehmen sollte deshalb langfristig denken, dann sinkt auch das Risiko, dass in der Krise die Mittel knapp werden, ist sich Privatbankier Friedrich von Metzler sicher:
"Wenn wir langfristige Strategien haben - nehmen Sie unser Haus: Wir schütten wenig aus, die Familie ist mit wenig zufrieden, weil sie weiß, langfristig wird sie davon profitieren, wenn die Bank sich gut weiterentwickelt. Obendrein ist das dann auch gut, wenn ihr Vermögen innerhalb der Bank verwaltet wird, und sie sich nicht selbst drum kümmern müssen. Damit sind wir eben sehr gut ausgestattet und können jede Krise meistern aus der eigenen Stärke heraus."
Sich zunächst auf diese Eigenmittel verlassen zu können, ist also beruhigend für die Unternehmen - gerade in Krisenzeiten. Doch viele Unternehmen geraten auch unverschuldet in Schwierigkeiten, wenn die Umsätze wie in der Autoindustrie oder im Maschinenbau massiv wegbrechen.
Und das ist besonders kritisch in Zeiten, in denen die Banken bei der Kreditvergabe knauseriger sind. Insgesamt zeigt das jüngste Mittelstandspanel des Bundesverbands der deutschen Industrie zwar, dass gut die Hälfte der Unternehmen noch keine Verschlechterung in ihrem Verhältnis zur Bank spürt. Aber bei etwa 40 Prozent habe sich die Lage verschlechtert, so Frank Wallau vom Institut für Mittelstandsforschung. Die meisten Mittelständler würden kaum noch Investitionskredite nachfragen.
Die Not scheint also groß, gerade bei den kleinen und mittelständischen Industrieunternehmen, die oft in Familienhand sind. Und so kommt gelegentlich leichter Groll darüber auf, dass die Politik den Großen vergleichsweise schnell beispringt. Etwa bei Jan-Udo Kreyenborg vom Kunststoffmaschinenhersteller Kreyenborg-Gruppe:
"Wenn es um einen kleinen Mittelständler geht, sehen wir uns ganz klar von der Politik verlassen. Was wir mehr bräuchten, wären Ausfuhrbürgschaften. Das ist eine sehr teure Thematik, Finanzierung. Das ist relativer Kleinkram aus Sicht der ganz Großen. Aber wir Mittelständler sind ja das Rückgrat der Industrie und der Wirtschaft und wir erwarten hier auch Hilfe, die wir ehrlich gesagt so nicht bekommen."
Und auch die Unternehmen, die staatliche Hilfe nicht beanspruchen wollen, haben da ihre Vorbehalte, so Frank Heinricht von Heraeus:
"Ich sehe es durchaus kritisch, wenn hier an vielen Stellen staatliche Eingriffe erfolgen, die dann dazu diesen punktuell, wenn Unternehmen nicht so solide aufgestellt sind, finanzielle Hilfen zukommen zu lassen. Das ist zum einen eine Wettbewerbsverzerrung, das ist oft diskutiert worden, zum anderen aber auch im Sinne von Gleichbehandlung und Fairness nicht sauber den Unternehmen gegenüber, die ordentlich an der Stelle gewirtschaftet haben."
Ordentlich gewirtschaftet - das haben viele Familienunternehmen in den letzten, guten Jahren. Wichtig für den Geschäftserfolg ist dabei auch die Transparenz: Die Geschäftsführer, egal, ob sie der Familie angehören oder familienfremd sind, müssen mit den Gesellschaftern in gutem Kontakt bleiben, meint Heinricht, der selbst nicht der Familie Heraeus angehört:
"Ein Erfolgsrezept ist hier sicherlich, dass man sich sehr professionell verhält, also die Schnittstellen zwischen den Gremien, also Aufsichtsrat, Gesellschafterausschuss als dann auch den Organen der Geschäftsführung sehr sauber trennt und formal sauber agiert, sodass es nicht ein Hineinregieren oder Interagieren zwischen den verschiedenen Gremien gibt, und das hat sich in den letzten Jahren sehr gut bei Heraeus bewährt, die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat."
Schwierig aber wird es, wenn die Gesellschafter untereinander uneins sind - das zeigt sich dann oft bei der Frage der Nachfolge in der Geschäftsführung. Das zeigt sich aber auch daran, wie ein Unternehmen sich ausrichtet und wie es auf die Krise reagiert.
Derzeit ist das sehr gut am Fall Porsche-VW zu beobachten, wo die beiden Familienzweige sich einen harten Kampf um die Vorherrschaft in einem gemeinsamen Unternehmen VW-Porsche geliefert haben, wobei sich der Familienzweig der Piechs letztlich durchgesetzt hat.
In Krisensituationen macht sich das Fehlen einer gemeinsamen Strategie und eines Werte- und Verhaltenskodex deutlich bemerkbar, meint Tom Rüsen, geschäftsführender Direktor des Wittener Instituts für Familienunternehmen an der Universität Witten-Herdecke:
"Dieser parallele Krisenprozess, der in der Gesellschafterfamilie stattfindet, der kann einen Untergang provozieren, wenn die Krise zu Gesellschafterkonflikten führt. Und wenn man sagen kann, was kann ein Familienunternehmen tun, dann geht es eigentlich darum, eine Familienstrategie, eine Familiencharta zu entwickeln, mit dem einzigen Sinn und Zweck, Gesellschafterkonflikte in einer Krisensituation einzudämmen oder zu vermeiden, weil die sind der sichere Untergang eines Unternehmens."
Dieses Bewusstsein sei in seinem Hause vorhanden, erklärt Friedrich von Metzler:
"Mein Vater hat mit sehr viel erzählt, wie er das Haus mit seinen damaligen Partnern durch die schweren Jahre zwischen 1914 und 1945 durchgelotst hat. Das ist stark hier vorhanden, dieses Bewusstsein, dass so was immer wieder kommen kann, und dass man darauf vorbereitet sein muss und wie man dann handeln muss. Aber das geht nicht nur mich an, ich glaube, das ist fester Bestandteil in dem Gedanken der meisten, die hier unternehmerisch arbeiten."
Auf das Auf und Ab der Konjunktur und auch auf Krisen immer vorbereitet zu sein, ist auch für Jan-Udo Kreyenborg wichtig. Und er hat eine weitere Lehre aus der Krise gezogen:
"Halte einen vernünftigen Eigenkapitalanteil, achte auf das Cash-Management, achte auf Kosten, siehe zu, dass du in Entwicklungen weitermachst, und halte einen guten Stil im Hause. Wir und die Mitarbeiter verstehen uns als Team. Das sehe ich auch daran, was ich an Feedback bekomme. Wir sind eine große Gemeinschaft. Hier einfach einen guten Stil zu pflegen, ist auch ganz wichtig."
Dieser gute Stil zeigt sich auch in der Kommunikation mit den Mitarbeitern. Denn man müsse sich jetzt schnell an die Krise anpassen, man müsse dies aber den Mitarbeitern gegenüber auch verständlich kommunizieren, meint Friedhelm Loh:
"Ich glaube, das ist für mich jedenfalls einer der wesentlichen Prozesse, wo ich sage, dafür muss ich Zeit nehmen, egal welche positiven oder negativen Entscheidungen - es geht um die Menschen. Die Menschen müssen uns verstehen."
Die Krise ist zwar noch nicht zu Ende, meint Frank Heinricht von Heraeus. Aber die Lektion laute schon jetzt:
"Schalte nie den gesunden Menschenverstand aus. Das hat sich aus meiner Sicht noch deutlich verstärkt: Sich nicht von Hypes, von Wellen mitreißen zu lassen, sondern immer mal wieder zu hinterfragen, ist das vernünftig, was dort gemacht wird, ich glaube, das ist noch mal eindrucksvoll bestärkt worden. Und ich denke, dass all die Unternehmen, die in diesem Sinne gearbeitet haben, dass die jetzt auch relativ solide dastehen, also wenn Sie so wollen, die, die nicht übermütig im Hype geworden sind."