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Porträt Luis Figo

Luis Filipe Madeira Caeiro Figo ist einer der eigenwilligsten Helden, die der Sport derzeit zu bieten hat. Sein überragendes Talent hat ihn zum Star von Barcelona, Real Madrid und der portugiesischen Nationalmannschaft werden lassen - und ihm 2001 die Wahl zum Weltfußballer eingetragen.

Von Marco Bertolaso | 08.06.2004
    Figo ist eine globale Marke geworden, mit der seine Werbepartner - und er - auf allen fünf Kontinenten Millionen verdienen. Aber der 31-jährige ist auch ein introvertierter Mann, der nicht viele Worte macht und der die Showeinlagen verweigert.

    Wem das nicht mediengerecht genug ist, oder wer ihn gar arrogant nennt, für den hat Figo eine einfache Antwort: hätte er das Zeug zum Clown, sagt er, dann wäre er zum Zirkus gegangen.

    Oft deutet Luis Figo an, dass er Psychologe geworden wäre, hätte er die Schule nicht nach der 11. Klasse für den Sport aufgegeben. Und er macht klar, dass er seine Zukunft nach dem Karriereende weder auf der Trainerbank sieht noch irgendwo sonst im Fußball.

    Schweigsam ist Figo aber nicht um jeden Preis. Wenn ihm etwas wichtig ist, dann legt er sich auch mit Trainern an und selbst mit dem portugiesischen Verband.

    Vor dem Spiel bekreuzigt sich der Katholik Figo, und dem lässt er außerhalb des grünen Rasens Taten folgen. Er ist nicht nur UNICEF-Botschafter. Vor gut einem Jahr hat er die "Luis-Figo-Stiftung" gegründet, die benachteiligte Kinder fördert.

    In einfachen Verhältnissen ist auch er aufgewachsen: im Lissabonner Vorort Almada. Dort entdeckte Sporting Lissabon den jungen Straßenfußballer. Schon mit 19 Jahren trug Figo das Nationaltrikot.

    Vier Jahre später hatte man bei den großen Clubs in Europa von ihm gehört. Zwei italienische Vereine, Juventus und Parma, glaubten, sie hätten Figo unter Vertrag. Die UEFA musste schlichten - und Barcelona war der lachende Dritte. Bei den Katalanen wurde Figo zum Weltstar.

    Bis heute haben die Fans in Barcelona ihm nicht verziehen, dass er im Jahr 2000 gegangen ist, und das ausgerechnet zu Real Madrid. Beim ersten Auftritt mit Real im Nou Camp machten sie dem "Verräter" das Stadion zur Hölle.

    "Eigentlich müsste ich im Guiness-Buch stehen," sagt Luis Figo heute zu diesem markantesten Punkt seiner Profi-Karriere. "Denn ich bin wohl der einzige Fußballer, der jemals gegen gleich 100-tausend beinahe hass erfüllte Zuschauer gespielt hat."

    Er ist wegen des Geldes zum "Galaktischen" bei Real geworden. Aber es sei auch verletzter Stolz gewesen, lässt er durchblicken. Noch heute versteht Figo nicht, dass Barcelona nicht versucht hat, ihn zu halten und sich stattdessen 60 Millionen Euro aus Madrid überweisen ließ. Das war damals die höchste Ablösesumme überhaupt.

    In die EM geht Figo mit einer schlechte Saison in Madrid im Rücken, und das ausgerechnet unter Carlos Queiroz, den er so gut kennt, wie keinen zweiten Trainer. Der inzwischen bei Real entlassene Queiroz war Ende der 80er Jahre der Vater des Jugendfußball-Wunders in Portugal. Er machte Figo bei den Junioren zur Leitfigur der "goldenen Generation", die Welt- und Europameister wurde. Und Queiroz war es auch, der die ersten Schritte Figos bei Sporting Lissabon und in der Nationalelf begleitete.

    Ein anderer Trainer, der ihn geprägt habe, sei Johann Cruyff gewesen, bei Barcelona, sagt Figo. Mit Cruyff hat er bisher eines gemeinsam: beide gehören zu den großen Fußballern, die nie Welt- oder Europameister waren.

    Bei der EM vor vier Jahren war Figo einer der überragenden Spieler. Für Portugal war erst in der Verlängerung des Halbfinales gegen Frankreich Endstation. Nun soll der Titel im eigenen Land her. Nach der Europameisterschaft will Luis Figo, der bisher 102 Länderspiele absolviert hat seine Nationalmannschaftskarriere beenden. Das hat er mehrfach angekündigt, sich zuletzt aber auch ein Hintertürchen offen gelassen.

    In Portugal lastet ein großer Erwartungsdruck auf der Nationalmannschaft. Aber, auch falls es wieder nichts wird, Luis Figo hat seinen Platz im Pantheon der Heimat schon sicher.

    Er gilt als der größte Fußballer seines Landes seit Eusébio, der ihn seinen legitimen Nachfolger nennt. Die Portugiesen sind auch stolz, dass es einer der ihren im Ausland zu etwas gebracht hat.

    So stolz, dass Figo daheim mit Ehrungen überhäuft wird. Der Großintellektuelle Manuel Alegre, Politiker und einer der wichtigsten Gegenwartslyriker, hat sogar ein Gedicht über den Fußballer geschrieben. Luis Figo, erklärt Alegre, sei im Augenblick das wichtigste Band, das Portugal mit den Millionen in alle Welt ausgewanderter Landsleute verbinde. Es kann gut sein, dass er Recht hat.