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Porträt mit Tasse

Meißen bei Dresden ist bekannt durch sein Porzellan. Doch auch neben der Manufaktur mit Schauwerkstatt bietet die Stadt allerhand Sehenswertes.

Von Eva Firzlaff | 30.03.2008
    Uns empfängt das Glockenspiel der Kirche am Markt - natürlich Meissener Porzellan. Noch vor 20 Jahren kursierten Handzettel "besuchen sie Meißen, solange es noch steht". Die mittelalterliche Altstadt verfiel. Sicher, es gibt immer noch Häuser, die auf Bauleute warten, doch vieles ist mittlerweile restauriert. Vom Burgberg sehen wir auf die frisch gedeckten Dächer.

    Auf dem die Stadt beherrschenden Burgberg thronen Dom und Schloss hoch über der Elbe. Auf den Grundmauern der früheren Markgrafenburg ließen die beiden Brüder Ernst und Albrecht, die gemeinsam das Kurfürstentum regierten, das erste deutsche Schloss bauen: ab 1470. Keine Burgzinnen mehr, dafür weite Säle mit prächtig gestalteten Decken. Es ist eines der bedeutendsten deutschen Architektur-Denkmäler. Paul Jeran:

    "Der augenscheinlichste Unterschied ist natürlich von außen gesehen diese komplette Fassade des Schlosses mit den weit geöffneten Vorhangbogenfenstern, die unglaublich viel Licht rein ließen im Gegensatz zu den Schießscharten einer trutzigen Burg. Und wenn man hier im Inneren ist, merkt man auch, dass hier alles viel verspielter ist, als es in einer Burg war damals."

    Doch die beiden Kurfürsten sind gar nicht eingezogen. Im Streit teilten sie ihre Länder, keiner blieb in Meißen. Als später nach einer Forschungs- und Produktionsstätte für den Alchimisten Johann Friedrich Böttger gesucht wurde, der Gold herstellen wollte, kam das leerstehende Schloss gerade recht.

    Doch statt Gold wurde es vor 300 Jahren Porzellan, das man bis dahin nur aus Fernost kannte. In die Säle des Schlosses wurden Trennwände eingezogen, und die erste europäische Porzellan-Manufaktur entstand. 150 Jahre lang wurde im Schloss produziert, bis die Manufaktur auf Drängen des Sächsischen Altertumsvereins umzog an den Stadtrand, Schloss Albrechtsburg restauriert und zum Museum wurde.

    "Das, was wir sehen, die Raumstruktur und so weiter, ist in etwa die Struktur, wie sie im 15. Jahrhundert entstehen konnte. Zusätzlich hatte man sich überlegt: Wir möchten etwas aus diesem Schloss machen, was die sächsische Geschichte der Bevölkerung auch näher bringt. Dies verwirklichte man mit einem monumentalen Wandbildprogramm, das sich über sämtliche Räume des Schlosses erstreckte und noch heute zu bestaunen ist."

    In Bildern erzählt wird auch die Geschichte des legendären Prinzenraubs zu Altenburg. Ein Ritter seilt sich mit den beiden Jungs, den späteren Kurfürsten Ernst und Albrecht, ab aus der dortigen Burg. Erst seit vorigen Sommer kann man Schloss Albrechtsburg außen umrunden.

    "Der Weg geht etwa 500 Meter. Vorne an der Hauptzufahrt des Burgbergs kann man eintreten in den Rundweg. Man geht dann entlang der Bebauung des Burgbergs bis zum Amtsgericht. Dort kann man sich entscheiden, ob man wieder auf den Domplatz treten möchte oder runter in die Stadt läuft."

    Der Rundgang führt auch auf eine Art Terrasse am Hang hoch über der Elbe. Hier war kein Garten, sondern der Pferdegöpel der Manufaktur.

    "Im Grunde war das der Motor der kompletten Maschinerie im Schloss, alles was dort zerpocht, zerhämmert wurde, alte Porzellanscherben, die wieder verwendet werden konnten, das geschah mechanisch. Und Antrieb war dieser Pferdegöpel, in dem sich Tag und Nacht vier Pferde im Kreise drehten."

    Wir sind jetzt am Fuße des Burgbergs beim Bäcker Zieger. Hier gibt es die Meißener Fummel. Erfunden wurde sie auf Geheiß des sächsischen Kurfürsten August des Starken.

    "August der Starke, muss man wissen, war ein leidenschaftlicher Porzellan-Liebhaber. Er hatte aus Ostasien unzählige Porzellane importiert, viel Geld ausgegeben, und war natürlich interessiert, noch mehr Gold zu kriegen. Gold wurde es nicht, und er hat erkannt: da entsteht ein neuer Werkstoff, wenn das Porzellan wird. Er hatte ja schon Wissenschaftler daran gesetzt, dieses Geheimnis zu ergründen. Das wäre es natürlich! Porzellan war beliebt, man wollte es haben. Es war auch ein Statussymbol."

    Doch die Kuriere, die dem Kurfürsten von der Porzellanforschung berichten sollten, sprachen gerne dem Meißner Wein zu und kamen betrunken bei ihm in Dresden an. Also mussten die Reiter so eine Fummel mit aufs Pferd nehmen und am Ziel unbeschädigt vorweisen.

    Bäcker: "Die Meißner Fummel ist ein leicht zerbrechliches Gebäck, was hergestellt ist aus Mehl, Wasser und noch verschiedenen Kleinigkeiten."

    Sieht aus wie ein kurzes dickes Weißbrot, ist aber nur eine dünne Schale und innen nichts.

    " Wir sagen immer, es ist wie ein gebackener Luftballon."

    Bäcker Zieger ist der einzige, der noch Fummeln bäckt. Doch wie, das verrät er nicht.

    "Viel Liebe und viel Fummeln."

    Weil sich in der Schauwerkstatt der Porzellan-Manufaktur immer so viele Besucher drängelten, wurde angebaut: ein Besucher-Zentrum mit Restaurant, Cafe und einer zweiten Schauwerkstatt. Dort wird gezeigt, wie aus der Porzellanmasse immer noch per Hand Tassen und Figuren entstehen, wie das berühmte Zwiebelmuster gemalt wird. Allerdings sind die Zwiebeln gar keine, sondern Granatäpfel.

    "Aber da man keine Granatäpfel kannte hier, kam man eben auf die Idee, dass das ja Zwiebeln sein könnten. Das Muster ist ja nicht hier in Meißen frei entstanden, sondern in Anlehnung an ein ostasiatisches Dekor, deswegen stellt es solche Pflanzen und Früchte dar, die man eben hier nicht kannte."

    Im Porzellan-Museum steht ein großes Löwenpaar aus Porzellan. Beide sehen eher aus wie Hunde. Und der Rüssel eines Porzellan-Elefanten gleicht der Tülle einer Gießkanne. Aus dem gleichen Grund: Echte Löwen und Elefanten hatte damals noch keiner gesehen. Im Museum sehen wir auch kunstvoll bemalte und verschnörkelte Tassen, solche leistete man sich, um etwas Besonderes zu trinken.

    Birgit Finger: "Kaffee, Tee und Schokolade, die im 18. Jahrhundert nach Europa kamen. Man fand sie erst ein bisschen eklig, weil sie ungewohnt waren. Man hat sie erst als Medikamente benutzt. Und nach und nach kamen sie aber in Mode, waren sehr teuer und deshalb sagen wir auch Lustgetränke."

    Weil es eben so exklusiv war, ließ man sich auch gerne mit der prächtigen Tasse in der Hand porträtieren.

    Das neue Restaurant der Manufaktur bietet gelegentlich die drei heißen Lustgetränke in den passenden Tassen, dazu kleine sächsische Köstlichkeiten und Histörchen. Wer mehr Appetit und Zeit hat, geht zu "Tisch- und Tafelkultur bei Meissen". Es gibt erlesenes Essen auf Meissener Porzellan. Und die Historikerin Birgit Finger erzählt.

    "Drei verschiedene Services aus drei Jahrhunderten, und dazu wird noch viel über die Geschichte des Porzellans erzählt, über die Sitten, wie sich das geändert hat im Laufe der Zeiten. Und es wird noch viel Porzellan dazu gezeigt."

    Der erste Gang kommt auf dem Schwanenservice, das einst für den Grafen Brühl persönlich gefertigt wurde.

    "Das ist das berühmteste der Barockzeit, weil es so schön ist, der Schwan spielt eine Rolle und das Wasser, aber auch weil es so ausgefeilt und so riesig war. Über 2000 Einzelteile gehörten dazu."

    Die Manufaktur hat sämtliche Formen über die drei Jahrhunderte aufgehoben, so dass wir jetzt vom gleichen Porzellan essen können wie einst Graf Brühl. Ein Schwanenrelief bildet den Tellerboden, Kannen und Saucieren sind als Schwäne geformt, wobei sich der Koch des Grafen Brühl mitunter gestritten hat mit dem Porzellan-Künstler Kendler,

    "der eben alle Gefäße sehr kunstvoll machen wollte, sehr kompliziert, sehr schön aussehend, und der Koch eben lieber praktisch. Dann hat man sich bei manchen Gefäßen geeinigt auf einen Kompromiss, und bei anderen Dingen wurden zwei verschiedene Kreationen hergestellt."

    Eine besonders schöne, die andere konnte man benutzen. Seit über 900 Jahren wird im Elbtal Wein angebaut. Und nun gibt es auch hier einen Weinwanderweg. Von Pirna über Dresden, Radebeul, Meißen bis nach Diesbar-Seußlitz geht es durch die Weinberge, vorbei an Barock-Schlösschen. Eines ist Schloss Proschwitz, am Rand von Meißen. Das alte Rittergut wurde im Dreißigjährigen Krieg schwer beschädigt, später barock wieder aufgebaut. Anja Fröhlich:

    "Dieses Schloss Proschwitz hat eine Geschichte, die schon über 800 Jahre zurückgeht. Und die Bischöfe von Meißen haben das Gut bis zur Reformation als Tafelgut genutzt, also dort haben sie ihre Weine gekeltert und ausgebaut. Und damit sind wir das älteste noch existierende Weingut Sachsen. "

    Jetzt kommen von dort die besten Weine der Region, die auch international prämiert werden. Wie das Porzellan hat auch der Wein die über 1000-jährige Geschichte der Stadt Meißen geprägt.