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Portugal
Eukalyptus zum Wohle der Wirtschaft

Portugals boomende Papier- und Zelluloseindustrie ist zu einem wichtigen Devisenbringer geworden. Deshalb werden auch weiterhin mediterrane Mischwälder gerodet, damit schnell wachsende Eukalyptusplantagen entstehen können. Industrie und Waldbesitzer profitieren, die Umwelt leidet in mehrfacher Hinsicht.

Von Jochen Faget | 22.12.2015
    Ein Eukalyptus-Wald im Nebel in Spanien.
    Ein Eukalyptus-Wald im Nebel. (imago/Westend61)
    Die Planierraupen leisten ganze Arbeit: Wo auf einem Gut bei der mittelportugiesischen Provinzstadt Ourém noch vor wenigen Wochen die einheimischen Föhren wuchsen, haben sie alles platt gemacht und Terrassen angelegt, auf denen demnächst Eukalyptusbäume wachsen werden. Rund zehn Hektar werden damit bepflanzt. Wieder sei ein Stück natürlich gewachsener Wald verschwunden. Werde, wie so oft in der jüngsten Vergangenheit, eine Eukalyptusplantage entstehen, klagt Domingos Patacho von der Umweltschutzorganisation Quercus. "81 Prozent aller Neupflanzungen sind Eukalyptus. Das ist besorgniserregend. Denn alte Föhrenwälder werden dafür abgeholzt, oder landwirtschaftliche Nutzflächen zweckentfremdet. Alles für Eukalyptus."
    Langsam und unaufhaltsam ist der Eukalyptus zur weitverbreitetsten Baumart in Portugal geworden. Er wächst schon auf mehr als 800.000 Hektar, einem Viertel der portugiesischen Waldfläche. Tendenz stark zunehmend – obwohl seine Nachteile allen gut bekannt sind: Eukalyptus braucht extrem viel Wasser, laugt wegen seines schnellen Wachstums die Böden aus, erhöht – da in Monokultur angebaut – die Waldbrandgefahr. Nur im vergangenen Sommer gingen über 17.000 Hektar Wälder in Flammen auf.
    "Beim Papier sind wir weltweit die Besten"
    Aber er bringt eben auch Geld: Portugals Papier- und Zelluloseindustrie, eine der expansivsten der Welt, braucht dringend Rohstoff. Eukalyptus, der schon nach sieben Jahren geschlagen werden kann, ist da ideal. Darum betreiben die Unternehmen schon seit Jahrzehnten und manchmal auch gegen Bürgerproteste den Ausbau der Pflanzungen. Der Wald, der in Portugal zum Großteil in Privatbesitz ist, sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, betont Carlos van Zeller vom Zellulosekonzern CELBI: "Selbst wenn Umweltschutz und Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielen: Hier gelten auch die Gesetze der Marktwirtschaft. Also wird Eukalyptus gepflanzt, denn der bringt den Waldbesitzern gutes Geld."
    Der Zellstoff- und Papierindustrie natürlich auch. Mag die Papierherstellung noch so umweltbelastend sein, sie ist zu einem Devisenbringer für Portugal geworden: "Wir sind auf den anspruchsvollsten Märkten vertreten. Beim Papier sind wir weltweit die Besten. Auch bei der Papierpaste sind wir gut dabei. Wir konkurrieren sogar mit den Marktriesen aus Südamerika. Und wir können gut mithalten."
    Solchen Argumenten konnten sich die Regierungen des Dauerkrisenlandes Portugal nicht entziehen. Vor allem die letzte Mitte-rechts-Regierung hat den Eukalyptusanbau stillschweigend geduldet, ja sogar gefördert. Obwohl sie andererseits ein neues Waldgesetz erlassen hat, das den forstwirtschaftlichen Wildwuchs im Land auch in ökologische Bahnen lenken sollte. Daraus sei jedoch nichts geworden, stellt der Umweltschützer Domingos Patacho fest: "Wegen der Krise im Land ist es wichtig zu exportieren. Zelluloseexporte sind wichtig für die Handelsbilanz. Also wird alles getan, die Exporte um jeden Preis zu steigern."
    "Die Zelluloseindustrie braucht mehr Wälder"
    Damit das geschieht, muss natürlich noch mehr Eukalyptus angebaut werden. Vor allem im dünn besiedelten Landesinneren sollen die Waldflächen - sprich Eukalyptusplantagen – wachsen, auf Brachland und aufgegebenen Bauernhöfen. Aber eben auch auf fruchtbaren Böden, warnen die Umweltschützer. Eukalyptusplantagen dürften nicht wie natürlich gewachsene oder Nutzwälder behandelt werden, sie seien industriell angelegte Monokulturen. Carlos van Zeller und die Zelluloseindustrie dagegen freuen sich: "Dem Staat ist die Bedeutung des Forstsektors inzwischen bewusst. Die Regierung will ihn noch ausweiten. Die Zelluloseindustrie braucht mehr Wälder."
    Ökologische Kurzsichtigkeit nennt das Domingos Patacho. Portugals Wälder würden schnellen Gewinnen geopfert: "Die Frage ist doch, welchen Preis wir bezahlen müssen für diese leichte Verbesserung unserer Handelsbilanz. Was wird uns das in Zukunft kosten?" Portugal brauche mehr Wälder, aber natürlich gewachsene, so der Umweltschützer. Mediterrane Mischwälder, in denen auch Korkeichen und andere langsam wachsende Bäume stehen. Die seien nachhaltiger und auch sicherer, da sie in den heißen, trockenen Sommermonaten seltener abbrennen.