Auf einem Dorffest in der Nähe der portugiesisch-spanischen Grenze tummeln sich die Menschen, über die Lautsprecher hallt laute Tanzmusik. In den Sommermonaten blühen viele Dörfer in Portugal richtig auf. Straßencafés sind gut besucht, am Bürgersteig stehen Autos mit Kennzeichen aus Frankreich, Luxemburg oder der Schweiz. 2,2 Millionen Portugiesen leben im Ausland - und in der Ferienzeit zieht es viele für ein paar Wochen zurück in die alte Heimat.
Steueranreize sollen Rückkehrer überzeugen
Wenn es nach den Plänen der sozialistischen Regierung geht, soll ein Teil der Emigranten nun ganz nach Portugal zurückkommen. Im Haushalt für das kommende Jahr wollen die Sozialisten Anreize schaffen. Alle Emigranten, die nachweislich zwischen 2011 und 2015 Portugal verlassen haben und jetzt zurückkehren wollen, sollen zwei Jahre lang nur die Hälfte der Einkommensteuer bezahlen; außerdem sind Zuschüsse für die Finanzierung des Umzugs und einer neuen Wohnung geplant.
Rui Pena Pires, Leiter der Beobachtungsstelle für Emigration an der Universität Lissabon, glaubt, dass diese Maßnahme Teil des politischen Marketings der Sozialisten ist.
"Die Regierung will deutlich machen, dass sich die Erwartungen in Portugal geändert haben. Wir befinden uns in einer Phase von Wachstum und Entwicklung und das sollen auch die Emigranten wissen, die Portugal vor ein paar Jahren verlassen haben. Migration hat sehr viel mit der Erwartungshaltung der Menschen zu tun. In der Krise sind viele Portugiesen nicht unbedingt ausgewandert, weil sie ihren Job verloren haben oder weniger Geld zur Verfügung hatten. Nein, sie sind ausgewandert, weil sie pessimistisch in die Zukunft geblickt haben. Das heißt, dass die Rückkehr der Emigranten einen hohen symbolischen Wert für die Politik hat."
Gute Idee oder Augenwischerei?
Die Idee ist bei allen politischen Parteien auf breite Zustimmung gestoßen. Dennoch muss sich die Regierung Kritik anhören. Die größte konservative Oppositionspartei PSD wirft den Sozialisten Augenwischerei vor, weil nur die Regierungszeit der konservativen Parteien zwischen 2011 und 2015 als Höhepunkt der jüngsten Emigrationswelle wahrgenommen werde. Tatsächlich zeigen die Zahlen der Beobachtungsstelle für Emigration, dass 2016 - im ersten Regierungsjahr der Sozialisten - mehr Menschen Portugal verließen als 2011 - im ersten Regierungsjahr der Konservativen.
Ungeachtet der Frage, welche Emigranten Anspruch auf die Steuererleichterungen haben werden, begrüßen Wirtschaftsexperten den Schritt. Daniel Traça, Direktor der Nova School of Business and Economics, hofft, dass gerade gut ausgebildete Rückkehrer den portugiesischen Unternehmenssektor weiter beleben werden:
"Ich fand es nicht schlimm, dass die Leute in der Krise gegangen sind. Denn es ist wichtig, auch mal woanders hinzugehen. Und es ist genauso wichtig, wieder zurückzukommen. Wenn jetzt Emigranten, die im Ausland Erfahrung gesammelt und Kontakte geknüpft haben, wieder zurückkehren, dann bringen sie ihr Netzwerk und ihren Erfahrungsschatz mit in die portugiesischen Unternehmen - und davon profitiert das ganze Land."
Fachkräfte sind dringend von Nöten
In den vergangenen Monaten haben in Portugal multinationale Unternehmen wie Mercedes-Benz und Google Kompetenzzentren für Softwareprogrammierung und andere digitale Bereiche eröffnet. Auch eine lebhafte Start-up-Szene in Porto und Lissabon lässt die Nachfrage nach IT-Ingenieuren, Programmierern und anderen Fachkräften stetig steigen. Ob gut ausgebildete Portugiesen, die in den Krisenjahren vor allem in Großbritannien und Skandinavien lukrative Jobs gefunden haben, sich nun von den steuerlichen Anreizen überzeugen lassen, nach Portugal zurückzukehren? Wirtschaftsprofessor Traça:
"Portugiesische Fachkräfte, die in führenden Positionen im Ausland sind, werden sich das zweimal überlegen, ob sie wirklich zurückkommen. Denn unsere Gehälter hier sind niedriger, und die Steuern höher. Ich denke, es geht um etwas anderes: Portugal will seinen Emigranten einfach sagen: Kommt zurück, wir würden uns das wünschen."