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Portugal
Teure Hochschulen ohne Geld

Portugals Finanzkrise zeigt auch an den Universitäten und Hochschulen immer stärkere Auswirkungen. Hinzu kommen massive Fehler der Vergangenheit. Die erst im vergangenen Jahrzehnt mit Milliardenzuschüssen der EU gebauten Fachhochschulen des Landes sehen einer ungewissen Zukunft entgegen.

Von Jochen Faget | 07.01.2014
    Irgendwie passe das alles nicht zusammen, schimpft der Dozent Nuno Reis und schüttelt den Kopf. Vor nicht einmal zehn Jahren sei für viele Millionen eine riesige Fachhochschule mit supermodernen Vorlesungsgebäuden, Laboratorien und Studentenwohnheimen in der mittelportugiesischen Distrikthauptstadt Leiria gebaut worden – beim Lehrpersonal jedoch würde immer mehr gespart:
    "Statt Beförderungen gibt es Einkommenskürzungen. In den acht Jahren, die ich hier unterrichte, wurde mir schon mehrmals mein Verdienst gekürzt. Andere Kollegen haben sogar ihren Job verloren. Die Kaufkraft der Hochschuldozenten ist extrem zurückgegangen."
    Nach seinem EU-Beitritt, als die Zuschüsse noch überreichlich flossen, hat das kleine Portugal sich ein großes Hochschulsystem gegönnt: 13 Universitäten und 15 Fachhochschulen - manche nicht einmal 50 Kilometer voneinander entfernt - bei knapp zehn Millionen Einwohnern; die ungefähr genauso vielen Privathochschulen nicht mitgerechnet.
    Doch dann kam die Krise: Die meisten Privatunis machten wegen zu hoher Studiengebühren und sinkender Studentenzahlen Pleite, jetzt geht es auch für die staatlichen Hochschulen ans Eingemachte. Schon seit zwei Jahren sinkt das Bildungsbudget dramatisch, 2014 sollen die Hochschulen zusätzlich rund 80 Millionen Euro einsparen. Unmöglich, findet António Cruz Serra, der Rektor der Universität Lissabon:
    Bildungssystem in Gefahr
    "Die Hochschulen haben schon jetzt 50 Prozent weniger Geld als 2006. Eine so große Kürzung würde sich zwangsläufig auf das Niveau der Hochschulen auswirken."
    Portugals erst nach der Nelkenrevolution 1974 geschaffenes Bildungssystem sei in Gefahr. Die Hochschulen, von denen einige erst vor Kurzem internationale Standards erreicht hätten, drohten wieder im Mittelmaß oder darunter zu versinken.
    Ausgerechnet den teuren Fachhochschulen, die vor allem mit europäischen Fördermitteln gebaut wurden, droht nun zumindest teilweise das Aus. Das vermutet der Wirtschaftsdozent João Neves von der Fachhochschule Leiria. Der junge Mann, er hat – wie inzwischen die meisten seiner Kollegen - nur einen Zeitvertrag, fürchtet gar um seine Existenz:
    Zur schlechten Bezahlung kommt die Unsicherheit des Arbeitsplatzes
    "Zur schlechten Bezahlung kommt noch die Unsicherheit des Arbeitsplatzes: Alles deutet darauf hin, dass die Regierung viele Fachhochschulen schließen will, um Geld zu sparen. In vielen Studiengängen gehen die Studentenzahlen zurück. Da dürfte die Hochschulbildung in den Ballungszentren zentralisiert werden und die Fachhochschulen in der Provinz werden zu besseren Berufsschulen verkommen."
    Der portugiesische Staat habe seine Hausaufgaben nicht gemacht, kritisiert der Wirtschaftsdozent. Habe, als die EU Projekte noch mit bis zu drei Vierteln der Gesamtkosten bezuschusste, viel zu viel gebaut und die Folgekosten nicht einkalkuliert. Darum fordert João Neves Konsequenzen:
    "Die einzige Möglichkeit, das zu ändern, wäre eine stärkere Kontrolle der Fördermittel durch die Europäische Union. Unsere Politiker haben bereits bewiesen, dass sie mit Geld nicht umgehen können."
    Der jüngste Beweis dieser Verschwendungsmentalität im Hochschulbereich steht übrigens in der Hauptstadt Lissabon. Dort hat die Universität gerade einen Golfplatz gebaut. Weil traditionelle Sportarten wie Rugby oder Fußball angeblich nicht mehr so attraktiv seien wie früher und den Studenten Alternativen geboten werden sollten. Gekostet hat die Sieben-Hektar-Anlage stolze zwei Millionen Euro - die Hälfte kam natürlich von der EU.