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Portugal
Vielleicht sauberer Ausstieg aus dem Rettungsschirm

Die Frage ist, ob Portugal wie Irland ohne fremde Hilfe und Kontrolle ab Mitte Mai wieder auf eigenen Füßen stehen kann. Oder ob die Portugiesen ein Überbrückungsprogramm brauchen. Darüber diskutiert Premierminister Pedro Passos Coelho heute mit Angela Merkel in Berlin.

Von Tilo Wagner | 18.03.2014
    In Portugal diskutieren Politiker und Wirtschaftsexperten, wie das Land aus dem Reform- und Sparprogramm aussteigen soll, das mit EU, IWF und Europäischer Zentralbank im Mai 2011 vereinbart worden war. Insbesondere die Gegner der harten Sparpolitik, die die konservative Regierung in den letzten zweieinhalb Jahren umgesetzt hat, fordern einen sogenannten sauberen Ausstieg. Nach einem Treffen mit Premierminister Pedro Passos Coelho am gestrigen Abend betonte der Vorsitzende der Sozialistischen Partei, António José Seguro, dass kein parteiübergreifender Konsens für die Zeit nach der Troika gefunden wurde:
    "Die Portugiesen haben schwer unter der harten Sparpolitik der Regierung gelitten. Deshalb ist die Regierung jetzt verpflichtet, eine Rückkehr auf die Finanzmärkte vorzubereiten – ohne fremde Hilfe. Wenn das der Fall ist, hat die Regierung ihre Arbeit getan. Wenn nicht, dann muss die Regierung den Portugiesen erklären, was schief gelaufen ist."
    In den vergangenen Monaten hat es aus Lissabon vor allem positive Signale gegeben. Die Wirtschaft wächst wieder, die Arbeitslosigkeit geht zurück, die Außenwirtschaft brummt. Auf den Finanzmärkten hat Portugal in jüngster Zeit erfolgreich Anleihen platziert oder auslaufende Staatstitel zurückgekauft. Portugals diesjähriger Finanzierungsbedarf von über 20 Milliarden Euro ist damit bereits gedeckt.
    Dennoch gibt es große Zweifel, ob Portugal ähnlich wie Irland im vergangenen Dezember einen sauberen Ausstieg aus dem Troika-Programm wählen sollte. Internationale Beobachter wie die Ratingagentur Moody's oder der IWF haben sich für ein Überbrückungsprogramm ausgesprochen, das im Notfall den Zugriff auf Mittel aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus erleichtern soll und mit weiteren Haushaltskontrollen und harten Sparauflagen verbunden sein könnte.
    Portugiesische Experten, wie der Wirtschaftsprofessor João César das Neves, blicken aber nicht nur auf die internationalen Finanzmärkte, wenn sie sich für ein Überbrückungsprogramm aussprechen.
    "Wir Portugiesen haben selbst Angst davor, dass der Staat wieder finanziell entgleist. Schließlich wären wir Bürger viel eher als die internationalen Gläubiger die Opfer einer derartigen Politik. Wir wollen Kontrolle. Über die Europäische Kommission, den Stabilitätspakt und eben über ein Überbrückungsprogramm. Niemand weiß, wie so ein Programm aussieht. Wahrscheinlich wird dann nicht mehr eine Troika-Delegation nach Portugal kommen und den bösen Mann spielen, aber irgendeine Form von Kontrolle wird es geben."
    Hinter der Idee eines Überbrückungsprogramms für Portugal steckt auch eine politische Strategie. Im Sommer 2015 wählen die Portugiesen ein neues Parlament. Ohne eine strenge Kontrolle aus Brüssel könnte die Aufweichung von Sparzielen ein beliebtes Wahlversprechen werden. Deshalb fordert Staatspräsident Cavaco Silva ein Überbrückungsprogramm mit einer parteiübergreifenden Verpflichtung, dass Portugal an der Reform- und Sparpolitik festhalte:
    "Portugals Entwicklung ist positiv. Aber ich bin für ein mittelfristiges Abkommen zwischen den politischen Kräften, das über die jetzige Legislaturperiode hinausgeht. Mit so einem Abkommen werden die Zinsen auf den Finanzmärkten noch weiter nachgeben, als das jetzt der Fall ist."
    Portugal hat fast drei Jahre unter der Kontrolle der Troika ohne folgenschwere politische Krise überstanden, weil sowohl die Regierungsparteien als auch die Sozialisten das Reform- und Sparprogramm im Frühling 2011 unterschrieben hatten. Die Entscheidung, ob Portugal jetzt ein Überbrückungsprogramm braucht, wird deshalb nicht nur auf den internationalen Finanzmärkten fallen, sondern vor allem im portugiesischen Parlament.