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Positive Diskriminierung
"Affirmative Action" in den USA

Quotenregelungen, die zum Beispiel Schwarze bevorzugen, sind in Kalifornien vor 26 Jahren verboten worden. Trotzdem kommt die Idee nun wieder auf und sie hat viele Anhänger. Gegner halten die Quote selbst für "Rassismus".

Von Katharina Wilhelm | 18.07.2020
College-Absolventen in Kalifornien
College-Absolventen in den USA sind nach wie vor mehrheitlich weiß. ( imago/ZUMA Press)
Senatorin Holly Mitchell ist auf einer Mission: Ihr Ziel; die Gleichstellung von Frauen, Schwarzen, Latinos und Indigenen in ihrem Bundesstaat Kalifornien und zwar mit Hilfe der so genannten "Affirmative Action". Einem Werkzeug, dass Minderheiten beispielsweise bei der Aufnahme in Unis oder bei staatlichen Aufträgen positiver berücksichtigt.
Harte Wirklichkeit
Mitchell ist selbst schwarz und sie sagt: rein rechtlich seien alle Menschen in den USA gleichgestellt – aber die Realität sei anders:
"Was Affirmative Action anerkennt ist, dass Nicht-Weiße und Frauen historisch bedingt schlechter gestellt sind, als unsere Weißen, männlichen Gegenspieler. Zum Beispiel, dass es uns nicht möglich war über Generationen ein Vermögen aufzubauen oder, dass wir als Geschäftspartner schlechter behandelt werden. Es wird anerkannt, dass es jahrzehntelange Diskriminierung gab, und dass unsere Wettbewerbsfähigkeit gemindert wurde."
Schwarze US-Amerikaner und Amerikanerinnen leben prozentual gesehen noch immer öfter an der Armutsgrenze, arbeiten in Niedriglohnjobs, haben eine schlechtere Ausbildung. Aufstiegschancen gibt es nur über Bildung. Umso wichtiger, an eine gute Hochschule zu kommen. Genau deswegen sagt Mitchell, dass in Kalifornien, 26 Jahre nach der Abschaffung von Affirmative Action, genau diese wieder praktiziert werden soll. An öffentlichen Universitäten oder wenn die Regierung Aufträge an Unternehmen vergibt:
"Ethnie und Geschlecht müssen bei der Zulassung ein Faktor sein!"
Erstmals wurde Affirmative Action nach der Bürgerrechtsbewegung Ende der 60er Jahre eingesetzt – als konkrete Quote, eine bestimmte Anzahl von Black und People of Colour, also Nichtweiße, wurden demnach für Studienplätze ausgewählt. Doch dagegen wurde in den 70er Jahren wieder geklagt. Der Vorwurf damals: Werden bestimmte Gruppen bevorzugt, diskriminiere dies die anderen
Sind Quoten rassistisch?
Die Quote für Unis darf es offiziell nicht mehr geben – stattdessen kann die Herkunft, Ethnie und der soziale Hintergrund nun ein Faktor sein, der bei der Bewerbung berücksichtig wird. Man spricht von einer ganzheitlichen Betrachtung der Studenten. Das Ganze klingt etwas kompliziert und schwammig, auch deswegen wird Affirmative Action immer wieder kritisiert, auch jetzt in Kalifornien.
"A big warm welcome back to racism. Because racism is back in action. So what this really means is: That is going to allow people to again start to discriminate people based on race, gender. It´s essentially legalized racism."
Kritiker wie dieser sagen, die Affirmative Action selbst sei rassistisch. Vor allem rechtskonservativere Gruppen fürchten, dass Weiße so diskriminiert werden könnten. Dagegen spricht, dass Weiße nach wie vor zur größten Gruppe an Studenten in US-Universitäten gehören, mit großem Abstand.
Senatorin Mitchell ist der festen Überzeugung, dass dieses politische Werkzeug helfen kann, die Gesellschaft gerechter zu machen, gerade jetzt würde die Corona-Pandemie nochmal mehr zeigen, dass bestimmte Gruppen in den USA stark benachteiligt sind.
"Am schlimmsten betroffen sind die Native Americans, die Fallzahlen sind dort sehr hoch. Und auch das hat etwas mit jahrhundertelanger Unterdrückung zu tun, und das man nie in diese Gruppe investiert hat. Deswegen ist es wichtig, dass auch sie stärker in Universitäten vertreten sind und in der Businesswelt."
Noch keine postrassistische Welt
Affirmative Action sei keine Übervorteilung von Schwarzen und People of Color, sagt Mitchell – sondern der Versuch, mehr Diversität in die Gesellschaft zu bringen und mehr Gerechtigkeit. Man lebe einfach noch nicht in einer post-rassistischen Welt, sagt sie:
"Wir alle haben Vorurteile. Der Punkt ist, das wahrzunehmen und sich dann darüber zu informieren, über Menschen, die anders sind, als wir. Ich glaube gerade jetzt werden sich mehr Menschen dessen bewusst, sie spüren ein Unbehagen. Und wir wollen deswegen den Wählern die Möglichkeit geben, im November darüber abzustimmen, und das ist jetzt die richtige Zeit dafür."