Die Postmoderne sieht in unserer Filiale so aus: Es gibt Packpapier und Klebestifte, Grußkarten und Gelben Strom, demnächst wahrscheinlich auch Last-Minute-Reisen, Sandwichs und Zeitschriftenabonnements. Was es nicht gibt, ist Personal. Jedenfalls nicht in ausreichender Zahl. Deswegen steht die Warteschlage bis auf die Straße, und ihr lautes Murren übertönt schier den Verkehr. Auf diese Weise kann man allerdings – etwa als Post-Aktionär – gewisse Abläufe stirnrunzelnd verfolgen. Zum Beispiel wenn an den Briefkasten ein klappriges Privatauto heranfährt, dem eine Ich-AG entsteigt und sich mit einem Schlüssel an dem Briefkasten zu schaffen macht. Dessen Inhalt steht daraufhin in einer gelben Plastikschüssel eine Weile bei Nieselregen auf dem Trottoir herum, weil die Ich-AG noch zwei, drei andere Besorgungen ausführen muss. Briefbeförderung ist um so faszinierender, je mehr man von ihren aleatorischen Bedingungen weiß.
Drinnen schuften drei Angestellte soviel wie jene sechs Beamten, die früher an ihrer Stelle saßen. Jetzt müssen sie stehen. Und was das Sonderbarste ist: sie sind auch noch relativ freundlich. Sie reden mit der alten Frau, die für einen Standardbrief ansteht und nicht nur eine 55-Cent-Briefmarke braucht, sondern auch ein bisschen Seelsorge. Post-Aktionäre mögen das stirnrunzelnd missbilligen, denn die Produktivität des Unternehmens leidet an diesen aufwändigen Verkaufsvorgängen einer doch sehr nebensächlichen Beförderungsleistung. Deshalb wurde das Schalterpersonal jetzt angewiesen, die Kundschaft schon mal darauf vorzubereiten, dass der Einzelverkauf von Briefmarken am Schalter demnächst eingestellt wird. Wahrhaftig, es gibt ja Automaten, an denen sich die alte Frau sich ihre 55-Cent-Briefmarke stillschweigend ziehen kann, vorausgesetzt, sie verfügt über eine Geldkarte mit Chip.
Die Postdirektion hat von diesem Plan noch nichts nach außen hin verlauten lassen – wohl wissend, dass eine Diskussion darüber im Rahmen der Kampagne "Selbstverpflichtung zu Mindest-Standards" ungelegen käme. Aber intern laufen Vorkehrungen, um das, was der ursprüngliche Wesensgrund der Post war, alsbald abzuschaffen. Keine Kleingeschäfte mehr mit zeitraubenden Kunden. Früher konnte man ja einfach einen Brief auf den Tresen legen, und man bezahlte dafür, dass sich die Post ab diesem Zeitpunkt um ihn kümmerte. Das hat in der Servicezone Deutschland schon vor langem aufgehört. Man bekam den Brief wieder zurückgeschoben, zusammen mit einer unaufgeklebten Rollenmarke, die sich wie ein gestrandeter Wurm krümmte, und dann hieß es: lecken am Schalter. Zunge zeigen, Spucke verteilen. Es sei denn, man verlangte umständlich nach einem flüssigkeitsgetränkten Schwämmchen, rot und matschig in einer grünen Gummischale.
Nun heißt es nicht mehr: selber kleben, sondern selber ziehen. Am Schalter gibt es nur noch Marken in größeren Mengen. Wie groß, ist bis jetzt nicht bekannt. Auf alle Fälle sollen die Kunden aufhören zu kleckern. Statt "Schreib mal wieder" lautet die Devise: "Schick mal wieder eine Briefflut los".
Drinnen schuften drei Angestellte soviel wie jene sechs Beamten, die früher an ihrer Stelle saßen. Jetzt müssen sie stehen. Und was das Sonderbarste ist: sie sind auch noch relativ freundlich. Sie reden mit der alten Frau, die für einen Standardbrief ansteht und nicht nur eine 55-Cent-Briefmarke braucht, sondern auch ein bisschen Seelsorge. Post-Aktionäre mögen das stirnrunzelnd missbilligen, denn die Produktivität des Unternehmens leidet an diesen aufwändigen Verkaufsvorgängen einer doch sehr nebensächlichen Beförderungsleistung. Deshalb wurde das Schalterpersonal jetzt angewiesen, die Kundschaft schon mal darauf vorzubereiten, dass der Einzelverkauf von Briefmarken am Schalter demnächst eingestellt wird. Wahrhaftig, es gibt ja Automaten, an denen sich die alte Frau sich ihre 55-Cent-Briefmarke stillschweigend ziehen kann, vorausgesetzt, sie verfügt über eine Geldkarte mit Chip.
Die Postdirektion hat von diesem Plan noch nichts nach außen hin verlauten lassen – wohl wissend, dass eine Diskussion darüber im Rahmen der Kampagne "Selbstverpflichtung zu Mindest-Standards" ungelegen käme. Aber intern laufen Vorkehrungen, um das, was der ursprüngliche Wesensgrund der Post war, alsbald abzuschaffen. Keine Kleingeschäfte mehr mit zeitraubenden Kunden. Früher konnte man ja einfach einen Brief auf den Tresen legen, und man bezahlte dafür, dass sich die Post ab diesem Zeitpunkt um ihn kümmerte. Das hat in der Servicezone Deutschland schon vor langem aufgehört. Man bekam den Brief wieder zurückgeschoben, zusammen mit einer unaufgeklebten Rollenmarke, die sich wie ein gestrandeter Wurm krümmte, und dann hieß es: lecken am Schalter. Zunge zeigen, Spucke verteilen. Es sei denn, man verlangte umständlich nach einem flüssigkeitsgetränkten Schwämmchen, rot und matschig in einer grünen Gummischale.
Nun heißt es nicht mehr: selber kleben, sondern selber ziehen. Am Schalter gibt es nur noch Marken in größeren Mengen. Wie groß, ist bis jetzt nicht bekannt. Auf alle Fälle sollen die Kunden aufhören zu kleckern. Statt "Schreib mal wieder" lautet die Devise: "Schick mal wieder eine Briefflut los".