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Potenziale entdecken

Hans Böhm, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Personalführung, empfiehlt Unternehmen, bei der Suche nach Fachkräften die Qualifizierung eigener Mitarbeiter nicht aus den Augen zu verlieren. Was an Potenzial vorhanden sei, müsse entdeckt und gefördert werden, sagte Böhm.

Moderation: Armin Himmelrath |
    Armin Himmelrath: Deutschland zur international anerkannten Talentschmiede machen - das will die Bundesregierung mit dem heutigen Tag der Talente, und dafür stockt sie die Begabtenförderung für Studenten auf. Gleichzeitig wurde heute der Appell an die Unternehmen in Deutschland gerichtet, die sollen sich doch bitteschön ebenfalls an der Talentförderung beteiligen.

    Am Telefon begrüße ich jetzt Dr. Hans Böhm, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Personalführung. Herr Böhm, legen die Personalabteilungen der Firmen denn ihre Hände in Sachen Talentförderung bisher eher in den Schoß?

    Hans Böhm: Guten Tag, Herr Himmelrath! Mitnichten tun sie das. Wir haben als Deutsche Gesellschaft für Personalführung in den letzten vier Jahren das Generalsekretariat der European Association for Personal Management geführt. Und gemeinsam mit der Boston Consulting Group haben wir soeben eine große empirische Untersuchung in 27 europäischen Ländern abgeschlossen. Und dort kommt als Ergebnis heraus, dass das Thema Talentmanagement und Demografiemanagement, was natürlich beides eng zusammenhängt, auf der Top-Agenda aller Personalabteilungen auch in den Unternehmen der Bundesrepublik Deutschland steht. Die Unternehmen sind da sehr aktiv geworden.
    Himmelrath: Dann schauen wir uns das doch mal genau an. Sie haben zwei Punkte genannt: Talent- und Demografiemanagement. Was müssen wir uns darunter vorstellen, unter Talentmanagement, wie läuft das in einem Unternehmen?
    Böhm: Zunächst ist es ja ganz wichtig, dass die Unternehmen sehr systematisch ihren Bedarf an Fachspezialisten - das sind ja auch Talente - und an Führungsnachwuchskräften und Führungskräften mit weiterem Entwicklungspotenzial feststellen. Das tun sie aufgrund ihrer eigenen Altersstruktur und aufgrund der absehbaren Wachstumsentwicklung. Und dann können Sie sozusagen gegenhalten, das, was an Potenzialausstattung im Unternehmen vorhanden ist. Und dann ergibt sich eine Überdeckung oder eine Unterdeckung. In der Regel wird das eine Unterdeckung sein. Und auf Grundlage dieser Information kann man dann rekrutieren, einstellen. Und das ist in der Vergangenheit, in der jüngeren Vergangenheit, in vielen Unternehmen vernachlässigt worden aufgrund eines simplen Kostenmanagements.

    Himmelrath: Da gibt es aber jetzt einen Gedankenwechsel oder einen Paradigmenwechsel?

    Böhm: Also die Unternehmen haben, glaube ich, fast alle jetzt erkannt, dass die demografische Entwicklung dringend Handeln notwendig macht, ganz abgesehen davon, dass die internationale Wettbewerbssituation das auch notwendig macht. Eines der Ergebnisse dieser großen empirischen Untersuchung ist übrigens auch, dass wir in Zukunft sehr viel stärker Standortverlagerungen erleben werden, weil Unternehmen den Talenten nachziehen, also nicht mehr aus Kostengründen, sondern um zu den Talenten zu kommen, die sie brauchen, wird es Standortverlagerungen geben.
    Himmelrath: Jetzt haben Sie gerade gesagt, so ein Unternehmen macht also eine solche Talent- und Demografiemanagement-Studie für seinen eigenen Bedarf, stellt dann fest, wir haben da einen Minderbedarf und stellen dann ein, rekrutieren.
    Böhm: So ist es.
    Himmelrath: Jetzt haben wir aber im Moment ja die Situation, dass wir schon jetzt über Fachkräftemangel in Deutschland klagen. Heißt das nicht, dass die Unternehmen auch viel stärker in die eigene Belegschaft hineingucken müssen, was es da vielleicht noch für schlummernde Talente gibt?
    Böhm: Ja, unbedingt. Das habe ich angesprochen, als ich sagte, das eigene Potenzial analysieren, was im Unternehmen vorhanden ist und entwickelbar ist, entwicklungsfähig ist. Und das, was vorhanden ist, das muss auch entwickelt werden. Und dann, wenn rekrutiert wird, ist es ja noch nicht damit getan, Nachwuchskräfte von den Auszubildenden bis zu Führungsnachwuchskräften ins Unternehmen zu holen. Die muss man ja dann auch besonders gut integrieren und mit dem Unternehmen möglichst stark verbinden, damit sie auch bleiben. Denn je schärfer der Wettbewerb auf den Arbeitsmärkten wird, desto mehr haben die Menschen auch Chancen, sich zu verändern, auch in andere Unternehmen zu wechseln.
    Himmelrath: Wie muss ich mir das konkret vorstellen? Sind das dann so Fortbildungskurse, zu denen die Mitarbeiter geschickt werden, oder wie stellen Sie fest, ob da Entwicklungspotenzial da ist, und wie wird das dann auch gefördert?
    Böhm: Das geht im Normalfall durch Gespräche mit den Führungskräften oder durch Assessment-Center, wo man in bestimmten Übungssituationen die Menschen mit erhöhten Anforderungen konfrontiert und sieht, wie sie damit umgehen. In der Regel kennen aber Führungskräfte ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so gut, dass ein wohl strukturiertes Gespräch dort schon Potenzial entdecken lässt.
    Himmelrath: Geht die Initiative, heißt das auch, in der Regel von der Führungsebene aus, oder kann ein Mitarbeiter auch sagen, ich glaube, ich hätte da noch ein Talent, das ist hier noch nicht so richtig zur Geltung gekommen, lieber Vorgesetzter, guck doch mal.
    Böhm: Also die meisten gut geführten Unternehmen stellen es ihren Mitarbeitern auch anheim, sich zu bewerben sozusagen, also selbst den Finger zu heben. Aber ich denke auch, in den meisten gut geführten Unternehmen sind die Mitarbeiter entdeckt, bevor sie den Finger heben.
    Himmelrath: Wie sehen Sie die Rahmenbedingungen der Politik, die sich für diese Mitarbeiterförderung ja ergibt, sind Sie da zufrieden mit dem, was Sie machen können. Es gibt ja zum Beispiel immer wieder diese Debatte um Bildungsurlaub, ist das überhaupt auch ein Instrument, was da eingesetzt wird?
    Böhm: Das ist also vielleicht im gewerblich-technischen Bereich etwas, worauf man besonders achten muss. In dem Bereich der Führungskräfte, Führungsnachwuchskräfte geben die Unternehmen den Menschen die Zeit, die sie brauchen, um ihre Potenziale zu entfalten. Die Unternehmen investieren ja auch horrende Summen in den Bereich der Aus- und Weiterbildung, insbesondere Weiterbildung und Management Development. Also dort sind sicherlich die Rahmenbedingungen, die von staatlicher Seite gesetzt werden können, sekundär.
    Himmelrath: Das heißt auch, dieser Appell heute, da sagen Sie, ja, das, was die Politik da von uns fordert, Talentförderung, machen wir längst.
    Böhm: Das fangen wir jetzt an, verstärkt zu machen. Also die Forderung ist nicht sozusagen daneben, sondern sie trifft auf die Unternehmen in einer Zeit, wo die gerade selbst dieses Thema sehr stark entdecken, wieder stark entdecken.
    Himmelrath: Dr. Hans Böhm war das, der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Personalführung zum Perlentauchen im eigenen Unternehmen. Ich danke Ihnen herzlich.
    Böhm: Vielen Dank, Herr Himmelrath. Wiederhören.