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Potsdam klagt gegen Havel-Ausbau

Die ostdeutschen Wasserstraßen waren nach der Wende genauso marode wie ihre Pendants aus Teer und Beton an Land. Mit dem Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17 sollen die Flüsse und Kanäle an das europäische Wasserstraßennetz angeschlossen werden. Zur Hälfte ist es schon fertig - doch Kritiker bezweifeln, ob die Planungen wirklich zu Ende gebracht werden sollten. Die Stadt Potsdam und verschiedene Umweltverbände haben jetzt gegen ein Teilstück des Projektes geklagt.

Von Heike Holdinghausen |
    Der Sacrow-Paretzer Kanal im Norden Potsdams verbindet auf kurzem Wege die kurvenreiche Havel zwischen Berlin und Ketzin. Etwa 13 Kilometer lang sollte der Wasserweg im kommenden Jahr ausgebaut werden, damit große Binnenschiffe aneinander vorbeifahren können - der Kanal soll quasi zweispurig werden. Doch verschiedene Umweltverbände unter Federführung des BUND und die Stadt Potsdam klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss vom Juli. Vergangenen Freitag haben sie die Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingereicht. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, SPD, sorgt sich um die Potsdamer Parklandschaft:

    "Wir fürchten, dass der Welterbestatus in Gefahr geraten könnte."

    Denn berühmte Potsdamer Sehenswürdigkeiten - zum Beispiel die Sacrower Heilandskirche oder das Schloss Cecilienhof - würden bei dem Projekt womöglich Schaden nehmen, weil es den Grundwasserspiegel absenkt. Das ist nicht nur schlecht für Schlösser. Umweltschützer fürchten, dass bei einem Ausbau des Sacrow-Paretzer Kanals empfindliche Biotope zerstört werden. Winfried Lücking, Flussexperte beim BUND:

    "Bei der Verbreiterung werden ungefähr 800 alte Bäume gefällt werden, teilweise sehr alter Baumbestand von Eichen. Des weiteren werden sehr seltene Tiere, die unter Schutz stehen, gefährdet. Das ist der Biber, der Fischotter und die Zauneidechse."

    Den Ausbau der Strecke zu verhindern, hat für den BUND-Experten eine große Bedeutung. Denn auch im weiteren Verlauf in Richtung Sachsen-Anhalt soll die Havel vertieft und verbreitert werden. Die Planungen dafür haben aber noch nicht einmal begonnen. Folgen die Leipziger Bundesverwaltungsrichter den Argumenten des BUND, so das Kalkül, wird auch das weitere Vorhaben verkleinert. Flussexperte Lücking:

    "Die Havel als solche ist in diesem Bereich sehr naturnah, gerade die mittlere Havel zwischen Potsdam und Brandenburg liegt zu 90 Prozent unter FFH-Schutz, das ist ein europäischer Schutzstatus, der sehr hoch gelegen ist. Wenn jetzt auch hier am Sacrow-Paretzer-Kanal gebaut würde, würden diese Naturschutzgebiete sehr stark gefährdet werden."

    Dabei plant auch die zuständige Wasser- und Schifffahrtsdirektion im Namen der Ökologie. Ihr Leiter Thomas Menzel verweist darauf, dass Schiffe Güter umweltfreundlicher transportierten als LKW. Schließlich könne ein Schiff deutlich mehr Ladung aufnehmen als ein Laster. Auch sei nicht verständlich, warum Autostraßen und Schienen stetig saniert würden - der Sacrow-Paretzer-Kanal aber das letzte Mal vor dem zweiten Weltkrieg erneuert worden sei. Die Wasserstraßen würden aufgrund ihres schlechten Zustandes nicht in dem Maße genutzt, wie dies prognostiziert worden sei. Tatsächlich zeigt auch eine aktuelle Studie der TU-Hamburg, dass der Güterschiffsverkehr in Berlin und Brandenburg abnimmt.

    Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs meint denn auch, die Havel könne einspurig bleiben:

    "Dann müsste man halt eben eine Suezkanal-Lösung finden, dass heißt, man müsste dann abwarten bis eine bestimmte Zahl von Schiffen zusammengekommen ist und dann fahren sie durch, und dann fahren die von der anderen Seite durch."

    Das Bundesverwaltungsgericht wird über die Klagen der Stadt Potsdam und des NABU in den nächsten Monaten entscheiden. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost hat angekündigt, mit dem Ausbau zu warten, bis die Leipziger Richter entschieden haben.