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Powell’s Books in Portland
Paradies für Bücherwürmer

In der amerikanischen Öko-Metropole Portland trotzt die größte unabhängige Buchhandlung Amerikas der starken Internet-Konkurrenz - mit Erfolg. Powell's City of Books nimmt mittlerweile einen ganzen Häuserblock ein. Auf drei Etagen stehen dort rund eine Million Bücher - darunter viele antike Werke von unschätzbarem Wert.

Von Kerstin Ruskowski | 21.02.2016
    Powell's Bücherladen in Portland
    Powell's Bücherladen in Portland (Deutschlandradio / Kerstin Ruskowski)
    Powell's ist kein gewöhnlicher Buchladen. Es ist DER Buchladen in Portland. Das wird mir spätestens klar, als ich wenige Meter hinter der Tür einen Plan aus einem Ständer nehme. Einen Lageplan für Powell's City of Books. Dieser Titel mag größenwahnsinnig klingen, doch ich habe schon nach zwei Schritten in diesem Laden das Gefühl, dass so ein Plan vielleicht gar nicht so schlecht sein könnte, um sich hier zurechtzufinden.
    Immerhin nimmt Powell's Hauptsitz am Rande der Portlander Innenstadt einen kompletten Häuserblock ein: Auf drei Etagen und rund 6.300 Quadratmetern stehen hier ständig rund eine Million Bücher. Das Besondere:
    Bruce: "Als Walter Powell den Buchladen hier eröffnete, sagte er: Ich will neue Bücher neben alte Bücher stellen. Damit der Kunde nicht in eine Abteilung laufen muss, um gebrauchte Bücher zu finden und in eine andere Abteilung, um neue Bücher zu finden. Sondern in derselben Abteilung steht die gebrauchte Ausgabe immer direkt neben der neuen Ausgabe."
    Buchladen in dritter Generation
    Bruce Burkhardt arbeitet seit gut 20 Jahren bei Powell's, das mittlerweile in dritter Generation von Emily Powell geführt wird. Bruce braucht schon lange keine Karte mehr, um sich in den neun farblich sortierten Räumen zurecht zu finden. Was ich mich nur frage:
    Kerstin: "Wenn Sie die alten Bücher direkt neben die neuen Bücher stellen, verkaufen Sie dann überhaupt irgendwelche neuen Bücher?"
    Bruce: "Genau die Frage wurde 1971 auch gestellt und die anderen Buchverkäufer haben damals gelacht. Sie meinten, wir würden nie auch nur ein neues Buch verkaufen. Doch sie haben nicht Recht behalten."
    Seit 45 Jahren ist Powell's Konzept, sowohl alte als auch neue Bücher zu verkaufen, sehr erfolgreich. Auch wenn Bruce zugibt, dass schon ein bisschen mehr alte als neue Bücher über die Ladentheke gehen.
    "Ich würde sagen, wir verkaufen so ungefähr 60 Prozent gebrauchte und 40 Prozent neue Bücher."
    Allerdings verdient Powell's mit den gebrauchten Büchern ja auch Geld: Schließlich werden sie deutlich günstiger angekauft als sie später im Laden verkauft werden.
    "Wenn wir ein Buch für vier Dollar verkaufen wollen, dann kaufen wir es für etwa einen Dollar ein."
    Eine Million Bücher von Belletristik bis Klassik
    Die Bandbreite ist bei einem Angebot von einer Million Büchern erwartungsgemäß groß: Bei Powell's findet sich so ziemlich alles von aktueller Belletristik über Klassiker wie Moby Dick, verschiedenste Ausgaben der Bibel bis hin zu Reiseführern, Kochbüchern, Selbsthilfebüchern, Kunstkatalogen - oder auch deutschsprachigen Handarbeitsbüchern in der Originalausgabe aus den 80er Jahren.
    Bruce: "Wenn uns zum Beispiel jemand aus Deutschland besucht und vielleicht ein bisschen Heimweh bekommt, dann haben wir hier in unserem roten Raum auch fremdsprachige Abteilungen mit jeder Menge deutschen Büchern."
    Und französischen, spanischen, portugiesischen, russischen, chinesischen... Doch auch wenn ich mir nur schwer vorstellen kann, dass das Handarbeits-Buch aus den 80ern oder das Chinesische Kochbuch aus der gleichen Epoche direkt daneben hier je einen Käufer finden werden: Es ist nicht so, als ob man Powell's jeden Schund andrehen könnte.
    Bruce: "Wir kaufen ungefähr jedes fünfte Buch, das Kunden hierher bringen. Manchmal nehmen wir Bücher nicht, weil sie zu schlecht erhalten sind. Aber es hängt auch davon ab, ob wir das Buch wollen, ob wir glauben, dass wir es weiterverkaufen können."
    Powell's ist bekannt für seine Schnäppchen - doch es gibt auch ein paar Bücher, die für deutlich mehr als ein paar Dollar über die Ladentheke gehen. Die besonders wertvollen Exemplare findet man im dritten Stock, im so genannten "Rare Book Room", dem Raum mit den besonders seltenen Büchern.
    Reisetagebücher für 355.000 Dollar
    Als wir eintreten, traue ich mich fast nicht zu sprechen, denn das Rare Book Room wirkt wie eine Bibliothek. Doch Bruce plappert einfach weiter und deutet auf eine Auslage mit dem Bild einer mehrbändigen Ausgabe der Reisetagebücher von Lewis und Clark - aktuell das wertvollste Buch im ganzen Laden.
    Bruce: "Meine persönlichen Pitbulls bewachen dieses spezielle Buch, denn es ist unser wertvollstes. Wir verkaufen diese Ausgabe der Reisetagebücher von Lewis und Clark für 355.000 Dollar."

    Kerstin: "Und wo ist das Buch?"

    Bruce: "Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es wird nicht mehr ausgestellt. Wir haben es weggeschlossen."
    Kein Wunder, denn es ist eine der wenigen Erstausgaben und hat inzwischen einen Käufer gefunden. Denn die besonders wertvollen und teuren Bücher sind bei Powell's keineswegs Ladenhüter: Jeden Tag finden Bücher aus dem Rare Book Room neue Besitzer. Und die sind nicht alle antik. Manchmal sind sie auch deshalb besonders wertvoll, weil ihr Autor sie signiert hat.
    Ein solches Buch hat Bruce auch in seinem privaten Besitz:
    "Ich hab ne Weile beim Fernsehen gearbeitet. Und einmal hatten wir Tennessee Williams zu Gast und ich wusste das vorher nicht. Also ging ich zu ihm hin und sagte: Tennessee, ich hab leider kein Buch von Dir dabei, das Du signieren könntest. Aber würdest Du das Buch Deines Freundes signieren? Denn ich las gerade Christopher Isherwood. Und Tennessee fand das so toll, dass er Christopher in meinem Buch einen Brief schrieb. Und dann habe ich später auch noch Christopher getroffen und ihm das Buch gezeigt - und er schrieb einen Brief zurück an Tennessee. Also habe ich jetzt persönliche Briefe von Christopher Isherwood an Tennessee Williams und umgekehrt in meinem Buch. Und die sind lustig!"
    Dieses Buch wird Bruce so bald wohl nicht hergeben.
    Kunden aus der ganzen Welt
    Powell's ist ganz klar ein Paradies für Buchliebhaber, das viele nicht so schnell wieder verlassen wollen. So wie Brandon aus San Francisco, der eigentlich nur ein paar Bücher mit seinen Kindern kaufen wollte.
    "Ich hab sie jetzt in der Kinderbuch-Abteilung allein gelassen und bin ganz woanders unterwegs. Ich schätze, die werden mich so bald nicht finden."
    Auch Ella aus Australien hat noch nie so einen Buchladen gesehen.
    "Sowas gibt es in Australien nicht! Es gibt große Buchläden, aber ich habe noch nie einen so großen Buchladen gesehen. Ich bin echt von der Auswahl überwältigt. Es ist wirklich toll!"
    Viele Bücher kann Ella aber leider nicht kaufen, denn schließlich muss sie alles irgendwie nach Australien schleppen. Ich habe das gleiche Problem und beschränke mich deshalb auf zwei Bücher und eine Kerze. Denn bei Powell's gibt es nicht nur Bücher, sondern beispielsweise auch Jutebeutel, Sweatshirts oder Socken mit Powell's-Schriftzug. Und das ist nicht nur was für die Touristen - behauptet jedenfalls Bruce.
    "Unter uns: In Portland ist es hip, was von Powell's zu tragen."