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Power für die Kraft des Meeres

Ozeanographie. - In den Weltmeeren wohnt eine gewaltige Energie, deren äußere Folge die Wellen und Wogen sind. Ihre Ursache ist allerdings noch nicht recht geklärt ist. In der aktuellen Ausgabe von "Nature" stellen US-Forscher eine Untersuchung über die Rolle untermeerischer Gebirge bei der Entstehung der Wellen vor.

    Von Volker Mrasek

    Der US-Forscher Daniel Rudnick würde sich nicht unbedingt als großartigen Koch bezeichnen. Aber um seine Meeresexperimente in der Nähe von Hawaii zu veranschaulichen, ist ein bisschen Küchen-Latein ganz hilfreich ...

    Nehmen Sie eine Flasche Salat-Dressing. Mit Öl, Essig und Wasser darin. Bestandteile, die sich nicht mischen. Wenn Sie die Flasche leicht bewegen, dann sehen Sie Wellen! Sie erzeugen Wellen an der Grenzschicht zwischen Öl und Wasser! Nicht an der Oberfläche, sondern in der Flüssigkeit. Solche "internen Wellen" gibt es auch im Meer. Wir haben untersucht, wie sie durch die Gezeiten erzeugt werden - durch Ebbe und Flut.

    Rudnick ist Professor im kalifornischen La Jolla. Am berühmten Scripps-Institut für Ozeanographie. Der Physiker veröffentlicht jetzt die Ergebnisse aufwändiger Messkampagnen am Meeresrücken von Hawaii, einem 2.500 Kilometer langen Gebirgszug im Pazifik. Achtzehn weitere Forscher aus den USA und aus Australien waren an dem Projekt beteiligt.

    Sie wollten wissen: Woher nehmen die Welt-Ozeane eigentlich die Energie, um ihre riesigen Wassermassen umzuwälzen? Um Oberflächenwasser absinken und Tiefsee-Wasser an anderer Stelle wieder aufsteigen zu lassen? Von vertikaler Durchmischung sprechen Meeresforscher auch. Sie ist wichtig für die Verteilung von Nährstoffen im Ozean. Als Kraft dahinter reicht der Meereswind nicht aus. Auch Mond und Sonne steuern Antriebsenergie bei - über die Gezeiten und die durch sie erzeugten Untersee-Wellen. Rudnick:

    Es gibt eine Kaskade, die beginnt bei den Gezeiten und endet bei der Ozean-Durchmischung. Ebbe und Flut kann jeder am Strand erleben. Allerdings sind die Gezeiten am seichten Strand kaum spürbar. Im offenen Meer dagegen produzieren sie große Wellen. Einen rauen Ozeanrücken wie den von Hawaii treffen sie mit voller Breitseite. Sie zerschellen dann. Aus ihnen entstehen interne Wellen, die sich im Grenzbereich unterschiedlich dichter Wasserschichten ausbreiten. Diese Untersee-Wellen treffen aufeinander und werden gebrochen. Und am Ende haben wir kleinräumige Turbulenz.

    Die Prozesse sind ganz ähnlich wie an Land. Auch dort wirken Gebirge wie eine Rampe, die Luftströmungen stoppt, nach oben ablenkt und so eine vertikale Durchmischung der Atmosphäre in Gang bringt. Für Daniel Rudnick bestätigen die Ergebnisse von Hawaii: Meeresrücken sind ein wichtiger Motor der Wasser-Umwälzung in den Welt-Ozeanen. Rudnick:

    Wir konnten am Hawaii-Rücken viel größere interne Wellen beobachten als in den typischen Meereszonen ohne Gebirgsstrukturen. Ihre kinetische Energie war zehnmal höher. Die größten Exemplare hatten 300 Meter lange Wellenkämme. Auch dass die Durchmischung des Meerwassers am Hawaiirücken viel stärker ist, ließ sich klar zeigen.

    Es gibt Dutzende größerer und kleinerer Meeresrücken auf unserem Globus. Die Frage ist nun: Wird an ihnen genügend turbulente Energie erzeugt, um den Weltozean umzuwälzen? Wenigstens 50 Prozent der Antriebskraft sollten Sonne und Mond beisteuern. Die andere Hälfte liefert der Meereswind, wie Rudnick und andere Ozeanographen glauben. Doch noch stimmt ihre Energiebilanz nicht. Rudnick:

    Es scheint so, dass die Energie-Kaskade an den ozeanischen Rücken nicht ausreicht, um die Meereszirkulation genügend anzutreiben. Es bleiben also noch Fragen offen.

    Das ist auch keine große Überraschung. Denn noch steht diese Art von Meeresforschung erst am Anfang, wie Eric Kunze betont, Professor für Ozeanographie an der Universität von Washington in Seattle. Auch Kunze war an dem Hawaii-Projekt beteiligt:

    Wir haben bisher nur einen sehr kleinen Teil des Ozeans untersucht. Ich schätze, es sind nicht einmal 0,1 Prozent. Aber über interne Meereswellen und die Physik dahinter haben wir jetzt doch Einiges dazugelernt.