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Power-to-Gas-Verfahren
Elektrizität in Gas umwandeln

Stromerzeugung und Stromverbrauch finden nicht immer zum selben Zeitpunkt statt. Noch ungeklärt ist die Frage, wie wir überschüssigen Strom in Zukunft speichern oder sinnvoll nutzen können. Für den Straßenverkehr hat nun das Schweizer Forschungsinstitut "Empa" ein Konzept vorgestellt, das sich "Power-to-Gas-Mobilität" nennt.

Von Thomas Wagner | 26.02.2015
    Ein Mann hält am 18.04.2012 den Zapfhahn einer Wasserstoff-Tanksäule an ein Auto auf einer Tankstelle in Berlin.
    "Power-to-Gas": Stromspitzen werden dazu genutzt, um in einem elektrolytischen Verfahren aus Kohlendioxid in der Atmosphäre und Wasser in mehreren Stufen Methangas zu generieren. (dpa / Hannibal Hanschke)
    Dieser Mann hat eine Vision:
    "Unsere Vision ist, dass wir so viel möglich erneuerbare Energie produzieren, ungeachtet der Situation, wie viel Energie wir jetzt gerade brauchen, weil die überschüssige Elektrizität in erneuerbares Gas umgewandelt werden kann und in Gasfahrzeugen genutzt werden kann."
    "Power-to-Gas" nennen Mobilitätsexperten wie Christian Bach vom staatlichen Schweizerischen Forschungsinstitut "Empa" diese Technologie: Stromspitzen werden dazu genutzt, in einem elektrolytischen Verfahren aus Kohlendioxid in der Atmosphäre und Wasser in mehreren Stufen Methangas zu generieren. Damit lassen sich Autos betanken und fahren - mit einer nach Meinung von Christian Bach überaus günstigen Öko-Bilanz:
    "weil kein zusätzliches CO 2 ausgestoßen wird: Man nimmt CO-2 aus der Atmosphäre, macht damit mit Wasserstoff in einem katalytischen Prozess wieder Methan. Das Methan kann verfahren werden und erzeugt nur die Menge CO 2, die es für die Herstellung aus der Atmosphäre entzogen wurde. Das ist ein CO-2-neutraler Prozess. Natürlich hängt das ab von der Stromherkunft."
    CO-2 neutraler Prozess
    Das muss nicht nur überschüssiger Strom aus Fotovoltaik-Anlagen sein, der in glühender sommerlicher Mittagshitze anfällt. Das Verfahren funktioniert auch.
    "in Form von Windkraftanlagen. Und diese Anlagen produzieren auch nachts, auch an Feiertagen sehr viel Strom. Wenn ein Sturmtief über der Nordsee steht, werden diese Mühlen sehr viel Strom erzeugen. Und keiner nimmt sie ab. Dann kann man diese Mühlen aus dem Wind nehmen, sozusagen pitchen. Oder aber man lässt sie weiter laufen und erzeugt dann Kraftstoff damit."
    Umweltverträglicher, so Reiner Mangold, bei der Audi AG für Erneuerbare Energien zuständig, gehe es wohl kaum mehr: Strom, der ansonsten nicht genutzt wird, dient zur Autogaserzeugung. Das Fahrzeug, das damit betrieben wird, ist CO-2-neutral unterwegs.
    "Aber bei dieser Technologie gibt es natürlich sehr viele Hemmschuhe, die wir sehr kritisch sehen."
    Bescheidener Wirkungsgrad
    Jens Hilgenberg ist Auto-Experte beim BUND-Bundesverband in Berlin - und steht der "Gas-to-Power-Technologie" skeptisch gegenüber. Er hat gleich mehrere Einwände. So sei der Wirkungsgrad eher bescheiden:
    "Also das Frauenhofer-Institut geht davon aus, dass circa 40 Prozent der Energie am Schluss überhaupt noch übrig bleiben, wenn ich umgewandelte Energie im Auto verwende, also Power-to-Gas. Das ist natürlich sehr, sehr wenig."
    Zudem könnten grundsätzlich alle Autos mit Benzinmotor mit Methan aus "Power-to-Gas"-Anlagen betrieben werden - alle, wirklich alle.
    "Power-to-Gas bedeutet: Ich kann jedes Fahrzeug, das ich auf dem Markt habe, pseudo-grün machen. Das heißt: Ich kann auch den größten SUW mit 2,5 Tonnen, wenn ich ihn "power-to-gas" betanke, als grünes Auto darstellen. Und das ist genau das, was wir nicht wollen."
    Impulse für die EU
    Auch der Schweizer Empa-Experte Christian Bach will das nicht. In seinem Land diskutiert das Parlament, der Nationalrat, demnächst über eine wichtige Gesetzesvorlage. Demnach sollen Fahrzeuge, die mit CO-2-neutral erzeugten synthetischen Treibstoffen aus der "Power-to-Gas-Technologie" betrieben werden, einen Bonus bei der Berechnung der CO-2-Grenzwerte erhalten. Christian Bach macht aber klar: Für große Spritschlucker wird eine solche Regelung nicht kommen, sondern nur für Autos mit sparsamem Antrieb.
    "Es macht überhaupt keinen Sinn Erneuerbare Energien mit verschwenderischen Fahrzeugen zu kombinieren. Da gebe ich allen Kritikern recht."
    Ob die Schweiz die "Power-to-Gas"-Technologie über Boni bei den CO-2-Grenzwerten zukünftig fördert, wird auch in ganz Europa aufmerksam verfolgt, vor allem bei den Fahrzeugherstellern. Reiner Mangold von Audi erhofft sich dadurch Impulse auch für die EU, wo die aktuellen CO-2-Grenzwerte allerdings bis 2020 festgeschrieben sind.
    "Ich glaube, wenn erst einmal dieser Damm gebrochen ist, wenn ein Land sagt: Es ist für mich auch in Ordnung, wenn die Hersteller und die Importeure mit einem synthetischen Kraftstoff nachweisen, dass sie ebenfalls Emissionen reduzieren, wird die Diskussion in Europa komplett neu beginnen."
    Etwa ein Drittel aller Autos könnten in etwa drei bis vier Jahrzehnten mit synthetisch hergestellten Treibstoffen betrieben werden, die mit Hilfe solcher Stromspitzen erzeugt werden, sagen Fachleute wie der Stuttgarter Stephan Rieke, der sich auf die Entwicklung von "Power-to-Gas"-Verfahren spezialisiert hat.
    "Wir stehen heute an der Entwicklung wie vor 20 Jahren bei den Windkraftanlagen. Wir haben kaum Markt. Aber wir gehen davon aus, dass sich das bald ändern wird und dass es wie bei den Windkraftanlagen und den Fotovoltaik-Anlagen in ein paar Jahren zur Massenfertigung kommt."